In Bad Tölz-Wolfratshausen:Strategien gegen den Pflege-Notstand

Lesezeit: 2 min

Egling baut bereits eine Tagesbetreuung für Senioren. Doch Kommunen sollen generell das Thema Pflege stärker in den Fokus nehmen, so der Wunsch. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Landkreis soll die 21 Gemeinden zu Investitionen in mehr Plätze und Fachpersonal stimulieren. Der Sozialausschuss des Kreistags billigt diese Vorgehensweise einstimmig

Von Klaus Schieder, Bad Tölz-Wolfratshausen

Der Landkreis hat sich vor Jahren ein seniorenpolitisches Gesamtkonzept gegeben, aber trotz des darin prognostizierten Bedarfs mangelt es an Pflegeplätzen und Fachpersonal. Rund 450 Plätze fehlen bis zum Jahr 2028 im vollstationären Sektor, außerdem sind ausgebildete Altenpfleger schwer zu bekommen in einer Region, in der Vermieter kaum noch bezahlbare Wohnungen anbieten. "Das erschreckt uns und rüttelt uns auf", monieren die Grünen im Kreistag. Sie schlagen deshalb einen "Aktionsplan Pflege" vor, um den Aufbau stationärer Plätze, alternative Wohnformen für Senioren und das Fachpersonal zu stärken. Der Sozialausschuss des Kreistags beschloss am Montag, dass der Landkreis individuell auf die 21 Städte und Gemeinden zugehen soll, um sie zu Investitionen in Plätze und Pflegestrukturen zu stimulieren. Die Gespräche sollen sich auch um Grundstücke, Investoren und Betreiber drehen.

Der Antrag der Grünen umfasst vier Punkte: Der Landkreis soll die Kommunen auf das Leck an Pflegeplätzen bis 2028 hinweisen und ihnen zeitliche Vorgaben für ein Konzept machen; außerdem soll er künftig nur dann Investitionskosten fördern, wenn zumindest für 25 Prozent des Pflegepersonals auch bezahlbare Quartiere geschaffen werden; schließlich soll er Projektwohnungen für stark Pflegebedürftige nach dem "Bielefelder Modell" finanziell unterstützen, beispielsweise in Häusern von Wohnbaugenossenschaften. Überdies schlagen die Grünen ein Pflege-Fest vor, das alle zwei Jahre für Träger von Einrichtungen, Pflegepersonal, Angehörige und ambulante Dienste stattfinden soll.

Eine Zielvorgabe für Kommunen lehnte Sozialamtsleiter Thomas Bigl vom Landratsamt ab. Die 21 Gemeinden im Landkreis seien 2019 schon durch Vor-Ort-Zahlen auf den jeweiligen Pflegebedarf hingewiesen worden, sagte er. Nun werde man im Dialog mit ihnen ein mögliches Engagement erörtern, wobei Informationen zu Fördermöglichkeiten und fachlichen Konzepten "gezielt und passend vermittelt" würden. "Wir werden die Gespräche dort führen, wo sie hingehören", sagte Bigl und verwies auf der Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung: "Wir können nur an die Pflicht zur Daseinsvorsorge appellieren." Dabei sekundierte ihm Landrat Josef Niedermaier (FW). Zudem hob er hervor, dass jede Gemeinde in puncto Pflegeplätze bereits "selbst unterwegs" sei. Manche Kommunen investierten selbst, andere kooperierten miteinander, wieder andere arbeiteten mit dem Landkreis zusammen.

Was finanzielle Hilfe bei Investitionen angeht, zahlt der Kreis laut Bigl bislang 15 000 Euro für stationäre Pflegeplätze. Aber dieses Geld sei kaum abgerufen worden, "das hat sich nicht bewährt". Im Übrigen gewähre der Freistaat über sein Programm "PflegesoNah" inzwischen 40 000 Euro pro Platz. Das "Bielefelder Modell", durch das Senioren passende Domizile in Wohnhäusern mit Leerstand bekommen und dort auf Betreuungsangebote zurückgreifen sollen, lässt sich Bigl zufolge im Landkreis kaum umsetzen. Der einfache Grund: Es gibt so gut wie keine leeren Wohnungen. Das müsse man eher an die Gemeinden adressieren, sagte er. "Das heißt, dass man ihnen sagt, sie sollen, wenn sie neu bauen, bitte das Thema Pflege mitdenken." Für Landrat Niedermaier ist ein anderer Weg zielführender: "Wir müssen hier an das Thema Bauleitplanung ran."

Für Barbara Schwendner und Jakob Koch (beide Grüne) kommt es mit dem Antrag darauf an, dass der Landkreis mit den einzelnen Gemeinden im engen Dialog bleibt, was die Pflegesituation betrifft. Nur vorschreiben könne man dabei nichts, erwiderte Niedermaier. Und sollte dies auch nicht: Die Kommunen wüssten besser, ob sie eine ambulante oder stationäre Pflegestruktur schaffen, ob und wo sie zusammenarbeiten wollten. Für Franz Schöttl (CSU) kommt es schlussendlich auf den jeweiligen Bürgermeister an, den Gemeinderat für das Thema Pflege zu interessieren. Das reicht Konrad Specker (FW) für seine Gemeinde nicht. In Bad Heilbrunn gehe es meist nur um Kinderbetreuung, weniger um Senioren, sagte er. Fritz Meixner (SPD) riet, Multiplikatoren in allen Gemeinden zu suchen, etwa durch Informationsabende oder Kombi-Veranstaltungen für Seniorenreferenten. Die Conclusio des Landrats: Die Einbindung der Gemeinden sei wichtig - "aber das muss wachsen, wir machen das mit Gefühl".

© SZ vom 07.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: