Süddeutsche Zeitung

In Bad Tölz:Schnell zur neuen Stelle

Beim Job-Speed-Dating in der Tölzer Stadtbibliothek herrscht großer Zulauf. Die meisten Bewerber bereiten sich gut vor und gehen zielstrebig auf die Unternehmen zu

Von Arnold Zimprich, Bad Tölz

Iren aus Eritrea sitzt erwartungsvoll in einem Nebenraum der Tölzer Stadtbibliothek. "Ich suche nach einem Ausbildungsplatz", sagt er, "doch am Stand der Firma, für die ich mich interessiere, ist gerade niemand" - wobei ein unbesetzter Stand an diesem Tag die absolute Ausnahme ist. Rund 20 Betriebe haben das Erdgeschoss der Tölzer Stadtbibliothek in der Hindenburgstraße mit ihren Ständen in Beschlag genommen, um 19.15 Uhr sind rund 40 Bewerber in der Stadtbibliothek unterwegs, am Eingang hat sich eine kleine Schlange gebildet. Mitorganisatorin Nicola Schackmann steht am Empfang, verteilt DIN-A 4-Listen mit offenen Stellen. Schackmann ist mit dem Zulauf sichtlich zufrieden. "Das ist nun das vierte Job-Speed-Dating-Event, das wir organisieren, und alle wurden sehr gut angenommen", sagt Schackmann. Sie und ihre Kolleginnen der Agentur "Neuorientierung null-acht 12" akquirieren im Vorhinein Firmen aus der Umgebung, die offene Stellen anbieten, die dann im Rahmen von Speed-Dating-Abenden wie diesem in Tölz den Bewerbern präsentiert werden.

"Die Leute sind im Voraus sehr gut informiert", sagt Schackmann. Kaum einer würde ohne Vorbereitung erscheinen, die Speed-Datings würden im Voraus ausreichend gut beworben, Bewerber können so zielstrebig auf die Firmen zugehen, die sie interessieren. "Wir haben alle möglichen Jobs im Angebot, von Stellen für Akademiker bis hin zu Stellen für Hilfsarbeiter".

Nach einer Vorstellungsrunde steht von 20 Uhr an das eigentliche Speed-Dating auf dem Programm, Jobsuchende können sich im Obergeschoss bei bis zu drei Firmen mit ihrem Lebenslauf vorstellen. Im ersten Stock steht auch Martin Storz (alle Namen von Bewerbern geändert). Der End-Dreißiger ist bereits seit sechs Wochen arbeitssuchend, war als Sozialarbeiter in der Betreuung unbegleiteter Jugendlicher tätig. "In meinem Bereich findet man eigentlich immer Stellen", sagt er vorsichtig optimistisch. Er wolle bei mindestens einem Job-Speed-Dating mitmachen und ist zuversichtlich, dass es an diesem Abend klappt.

Carolin Buenaventura schüttelt freundlich die Hand, hinter ihr hat die Geretsrieder Firma Bagusat, die in der Getränkeherstellung tätig ist, einen großen, farbenfrohen Stand mit vielen Fruchtsaftfläschchen aufgebaut. "Wir haben inzwischen rund 200 Mitarbeiter", sagt Buenaventura. "Speziell im Bereich IT haben wir einige offene Stellen". Die seien nicht so leicht zu besetzen. "Wir suchen auch Mechatroniker und Elektroniker", erklärt ihr Kollege Paolo Paparella. Die Firma wachse stetig, in Kombination mit der ständigen Fluktuation seien bei Bagusat permanent Stellen zu besetzen. Das ist auch bei Sport Conrad so. Auf einem großen Banner, auf dem "Become an Expert" (werde Experte) steht, sucht Personalmanager Thomas Klein einen "Bürohengst", ein "Logistikgenie", ein "Verkaufstalent" und weitere Angestellte. Er will sich mit diesen kreativen Stellenbezeichnungen vom Rest der Aussteller abheben. "Wir sind inzwischen auf über 200 Mitarbeiter gewachsen", sagt Klein. An den vier Filialen des Sporthändlers in Penzberg, Wielenbach, Murnau und Garmisch-Partenkirchen sowie der Logistikzentrale in Iffeldorf würden immer Mitarbeiter gesucht. "Wir waren schon bei anderen Job Speed-Dating-Events dabei", berichtet Klein. "So kamen bereits mehrere Arbeitsverträge zustande".

"Ich bin gar nicht auf Arbeitssuche", sagt indes Heinz Kerbel. "Ich finde allerdings das Format des Job-Speed-Dating interessant". Der 59 Jahre alte Kerbel ist seit mehr als 30 Jahren beim gleichen Arbeitgeber im Münchner Osten beschäftigt. "Wenn ich mir überlege, wie lange ich jeden Tag im Auto sitze, komme ich schon ins Grübeln. Es sind jeden Tag neunzig Minuten", sagt Kerbel. "Ab und zu überlege ich mir da schon, ob ich nicht mal den Job wechsle. Ich finde es super, wie hier in einer lockeren Atmosphäre mit potenziellen Arbeitgebern geredet werden kann. Das nimmt der ganzen Bewerbungssituation die Anspannung." Auch Daniel Mair vom Sozialverband VdK hat einen kleinen Stand im Erdgeschoss aufgebaut. Allerdings hat er nicht wie die anderen Unternehmen bezahlte Stellen im Angebot, sondern sucht speziell nach ehrenamtlichen Mitarbeitern. Wie viele der offenen Stellen heute besetzt wurden, kann Nicola Schackmann im Nachgang nicht exakt benennen. "Allerdings bekommen wir immer wieder positives Feedback von Firmen", erklärt sie. Es wird also nicht das letzte Job Speed-Dating gewesen sein, soviel ist sicher.

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Quelle:
SZ vom 20.05.2019
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