Coronakrise:Hunderte Impftermine bleiben unbesetzt

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Die Nachfrage hat im Impfzentrum in Bad Tölz deutlich nachgelassen. Dabei hätten alle volljährigen Bürger bereits eine Impfeinladung erhalten, sagt eine Sprecherin. (Foto: Harry Wolfsbauer)

In den Zentren lässt die Nachfrage nach. Hausärzte berichten von kürzer werdenden Wartelisten. Koordinator Jörg Lohse erwartet einen neuen Andrang, sollten die Inzidenzen wieder steigen.

Von Moritz Hackl, Bad Tölz-Wolfratshausen

Nach Monaten der Serumknappheit und der dringenden Nachfragen nach Terminen scheint Ruhe einzukehren in die beiden Impfzentren in Bad Tölz und Wolfratshausen. Von den 1100 Terminen, die diese Woche zur Verfügung standen, wurden laut Pressestelle des Landratsamts nur 150 gebucht.

Dabei hätten, so Pressesprecherin Marlis Peischer, von den 128 112 Einwohner des Landkreises erst 46 250 eine Zweitimpfung erhalten. Und die meisten hätten sich den Nadelstich in den Impfzentren geben lassen. 42 100 Erst- und 33 000 Zweitimpfungen wurden dort registriert. In den Impfzentren wurde laut Peischer zu 66 Prozent der Impfstoff Biontech, zu 14 Prozent Astra Zeneca und zu 20 Prozent Moderna verabreicht. In den Hausarztpraxen des Landkreises zählte man 33 900 Impfungen; davon 20650 Erst- und 13250 Zweitgaben.

"Den Impfstoff, den wir haben, können wir bis zu 30 Tage lagern", sagt die Pressesprecherin des Landratsamts. Er müsse also trotz der vielen vakant gebliebenen Termine nicht entsorgt werden. An mangelndem Engagement der Behörden könne es allerdings nicht liegen, dass die Nachfrage nachlasse. Alle volljährigen Bürger hätten bereits eine Impfeinladung erhalten.

In den Hausarztpraxen scheint derweil die Impfwilligkeit ungebremst. "Unsere Termine werden nach wie vor angenommen", berichtet Johannes Hartmann, der eine Gemeinschaftspraxis mit vier anderen Ärzten in Gaißach betreibt. Sie impfen ausschließlich die eigenen Patienten, auf die sie auch persönlich mit einem Angebot zukommen. Die Ärzte nutzen die Impfstoffe von Biontech und Moderna. "Von unseren Patienten lässt auch niemand seinen Termin platzen", sagt Hartmann. Im Gegenteil, weil so viele auf ihre Impfung warten, haben die Ärzte einen sogenannten Impfsamstag eingerichtet, also einen zusätzlichen Arbeitstag, an dem sie zwischen 40 und 50 Spritzen verabreichen. Eine Warteliste gebe es auch noch; das hohe Arbeitspensum durch die zusätzlichen Impfungen sei fordern und anstrengend. "Mittlerweile geben wir schon viele Zweitimpfungen und schaffen in einer gewöhnlichen Woche in etwa 30 bis 40 Impfungen", sagt Hartmann. Von einem geringeren Impfwillen sei in Gaißach nichts zu merken.

"Bei unseren Patienten hat die Nachfrage nach Impfungen in den letzten Wochen nachgelassen", sagt dagegen Sigrun Clotten, die ihre Hausarztpraxis in Münsing betreibt. Noch seien alle verfügbaren Termine besetzt, doch der Ansturm nach dem Impfstart in den Hausarztpraxen sei zurückgegangen. Trotzdem mache sie sich keine Sorgen, dass sie den in der Praxis vorrätigen Impfstoff ungenutzt entsorgen müsse, sagt Clotten, die eine eigene Strategie entwickelt hat. "Ich gehe teilweise proaktiv auf Firmen und Start-ups zu." So habe sie bereits die Mitarbeiter der Firmen, in denen ihre beiden Brüder tätig sind, mit den Impfstoffen von Johnson&Johnson und Biontech versorgt.

Der Hausarzt und in der Coronakrise ärztliche Koordinator des Landkreises, Jörg Lohse, weiß, warum die Impfzentren leer sind: "Dort wurden die ganze Zeit Termine aufgrund von komplizierten, internetbasierten Wartelisten vergeben." Wem das zu umständlich war, der habe sich nicht um einen Termin gekümmert. Doch das soll sich bald ändern. "Wir arbeiten gerade an einem Konzept, das dafür sorgen wird, dass die Termine wesentlich unkomplizierter vergeben werden", sagt Lohse. Derzeit blubbere das Impfgeschehen im Landkreis so vor sich hin, weil die Inzidenz so niedrig ist. "Unser Pandemieerfolg ist unsere Gefahr", so der Mediziner. Er verweist auf Israel, wo nach einer rasch erzielten hohen Impfquote von 70 Prozent die Nachfrage stagnierte, als die Inzidenz sank. Jetzt, da die Infektionen wieder zunähmen, ließen sich auch wieder mehr Menschen impfen. "Ich gehe davon aus, dass wir das ähnlich erleben werden, aber solange hier derzeit keine konkrete Gefahr von der Pandemie ausgeht, sehen viele Menschen auch keine Notwendigkeit, sich impfen zu lassen", analysiert Lohse.

© SZ vom 09.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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