Süddeutsche Zeitung

Immer Ärger mit dem Abfall:Neuer Vorstoß für den Gelben Sack

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Die Mülltrennung kleinteilig, die Wertstoffinseln verdreckt: Eine Petition für ein neues Sammelsystem bekommt viel Zuspruch.

Von Thekla Krausseneck, Bad Tölz-Wolfratshausen

Dose, Becher, Getränkekarton, Plastikflasche: Alexander Hofmann hat genug von der Mülltrennung an den Wertstoffinseln. Der Gaißacher fordert in einer Petition, dass der Landkreis den Gelben Sack einführt - und auf das kleinteilige Sammelsystem verzichtet. Auf der Internet-Seite openpetition.de hat Hofmann sein Anliegen am Sonntag öffentlich gemacht und damit bis Dienstagnachmittag 230 Menschen zum Unterzeichnen motivieren können, darunter 200 aus dem Landkreis. Mit 1500 Unterzeichnern wäre das unverbindliche Quorum der Petitionsplattform erfüllt.

Hofmanns Petition zeichnet das Bild von Rentnern, die bei Wind und Wetter "ihren Müll teilweise quer durch halbe Städte fahren oder tragen müssen", weil die Wertstoffinseln überfüllt seien. Die Sammel- und Trennvorschriften hält er für "idiotisch". Er stamme aus Thüringen, wo er den Gelben Sack jahrelang genutzt habe, sagt der 31-jährige Hobby-Fotograf, "und das hat super funktioniert". Seit zehn Jahren wohne er im Landkreis und habe mit Werstoffinseln und -höfen negative Erfahrungen gemacht. Sie seien immer überfüllt "und sehen aus wie Sau".

Ein Streitthema sind die Wertstoffinseln schon seit langem - und das, obwohl das System eigentlich seit gut 30 Jahren "perfekt läuft", wie Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) sagt. Seither seien die Preise für die Müllabfuhren im Landkreis stabil. Zum Jahresbeginn sind die Gebühren jedoch im Schnitt um fünf Prozent gestiegen, Haushalte in Einfamilienhäusern zahlen je nach Größe der Tonnen bis zu 34 Prozent mehr.

Ein schöner Anblick sind die Wertstoffinseln oft nicht: Immer wieder tauchen auf sozialen Plattformen Fotos vermüllter Sammelplätze auf, Kleidung, Glas und Hausmüll werden unerlaubt abgestellt, aus den Öffnungen der Behälter quellen Blister, Tüten und Blech.

Niedermaier spricht von "Saubären", an die appelliert werden müsse - wenn dies auch "vergebliche Liebesmüh'" sei. Vermüllte Wertstoffinseln kennt der Landrat aus eigener Erfahrung, denn die Sammelstelle, die er von seinem Wohnhaus in Bad Tölz fußläufig erreichen könne, sehe genauso aus. Dem Gelben Sack verschließe er sich zwar nicht, sagt Niedermaier. Trotzdem richte sich die Petition seinem Verständnis nach vor allem an die Bürger, die für die Vermüllung der Sammelstellen verantwortlich seien.

Seit der Landkreis das "Tölzer System" eingeführt hat, müssen Verbraucher ihre Wertstoffe vorsortiert entsorgen. Ein Fachmann wie der Vorsitzende des Abfallwirtschaftsunternehmens des Landkreises (AWU), Reiner Späth, spricht in diesem Fall von einem Bringsystem. Der Gelbe Sack indes ist ein Holsystem: Der Verbraucher sammelt seinen wiederverwertbaren Abfall zu Hause in einer dafür vorgesehenen gelben Tüte, die zu den Abholterminen an den Straßenrand gestellt wird. Der Inhalt der Tüten wird dann von den Verwertungsunternehmen sortiert, was Zeit und Geld kostet, weshalb sie wiederum weniger für die Wertstoffe bezahlen.

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"Das System ist effektiv"

Konstantin Edelburg aus Waldram: "Ich finde das System im Landkreis effektiv. Die Inseln sind überall gut zugänglich, es gibt ja mehrere im Landkreis. Bei mir liegt sogar eine nur 400 Meter von meinem Zuhause entfernt. Das Abladen des Abfalls auf einer Wertstoffinsel ist daher kein Problem. Meine Frau sortiert das vorher schon. Ansonsten fahre ich auf dem Weg zum Einkaufen kurz vorbei und entsorge gleich. Einen Gelben Sack halte ich eher für Umweltverschmutzung und da liegt alles zu Hause rum, das mag ich nicht."

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"Für die Entsorgung geht viel Zeit drauf"

Therese Linke aus Geretsried: "Ich fände einen Gelben Sack wirklich besser. Bei der Entsorgung auf den Wertstoffinseln geht viel Zeit drauf, und das ungefähr zweimal die Woche. Gerade habe ich Mittagspause. Bisher bin ich mit dem Konzept des Gelben Sacks aber leider noch nicht in Berührung gekommen. Am Mülltrennungssystem im Landkreis gefällt mir, dass ich Glas, Blech, Plastik und Papier auf einmal entsorgen kann. Dadurch sind unsere Mülltonnen zu Hause nicht überfüllt. Und dort sortiere ich dann meistens auch schon vor."

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"Verstehe nicht, warum die so verdreckt sind"

Ursula Müller aus Geretsried: "Der Zustand auf den Wertstoffinseln ist schlimm und braucht eigentlich immer Aufsicht. Ich verstehe nicht, warum die so verdreckt sind. Dabei wäre alles so einfach, es ist, als könnten die Leute nicht lesen. Für das Müllentsorgungssystem im Landkreis gilt: alles eine Frage der Organisation. Ich sortiere grob vor, bevor ich den Wertstoffhof besuche, und verbinde dann meinen Einkaufsweg mit der Entsorgung. Gut finde ich, dass ich hier alles los werde, zum Beispiel auch Papier und Elektronisches."

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"Der Gelbe Sack wäre womöglich einfacher"

Boris Budimir aus Geretsried: "Prinzipiell finde ich die Idee mit dem Gelben Sack gut. Ich fahre öfters zu Wertstoffinseln, weil ich nicht nur privat Müll entsorgen muss. Auch für meinen Beruf beim Pizza-Service fahre ich zweimal die Woche zum Wertstoffhof in Geretsried. Das stört mich zwar nicht, ich bin ja noch jung. Trotzdem wäre es möglicherweise einfacher mit Gelbem Sack. Bis jetzt mache ich es immer so, dass ich erst mit der Müllsortierung anfange, wenn ich bei der Wertstoffinsel angekommen bin."

Wer den Abfall abholt und verwerten darf, wird turnusgemäß ausgeschrieben. Derzeit ist es die Veolia Umweltservice GmbH. Das Tölzer System koste insgesamt mehr, als durch den Verkauf des Abfalls eingenommen werde, sagt der Landrat. Daher werde die Differenz durch die Müllgebühr aufgefangen. Durch die Einführung des Gelben Sacks könnte die Gebühr steigen, abhängig von den Verträgen.

Die AWU bekomme gut einmal im Monat eine E-Mail von einem Verbraucher, der sich den Gelben Sack wünsche, sagt Späth. Für beide Systeme gebe es gute Argumente: Als die AWU-Tochter WGV Recycling noch die Wertstoffe einsammelte, habe der Anteil des falsch entsorgten Mülls bei drei bis vier Prozent gelegen. Beim Inhalt des Gelben Sacks seien rund 30 Prozent unerlaubterweise Restmüll. Für eine gute Alternative halte er die Gelbe Tonne, sagt Späth - doch um die nachträglich in den Städten einzuführen, fehle der Platz.

Unabhängig vom Ausgang der Petition, die bis Juli läuft: Ändern könne sich erst 2017 etwas, sagen Landrat und AWU-Chef. Dann nämlich läuft der Vertrag mit dem Entsorgungsunternehmen Veolia aus. Möglich, dass am Ende ohnehin alles anders kommt. Dem Bundesumweltministerium liegt ein Gesetzesentwurf für die Einführung einer Wertstofftonne vor. Und die würde die Diskussion um den Gelben Sack sofort beenden.

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Quelle:
SZ vom 27.01.2016
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