Im Vereineheim Dorf:Zubeißend

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Reine Absicht: Der Appetit soll den Zuschauern vergehen, wenn Arnulf Rating in ein Brathähnchen beißt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Arnulf Rating nimmt in seinem Solo-Kabarett Alltags- und Politthemen aufs Korn: vom Irrsinn der Massentierhaltung bis zu alten und neuen Fake News

Von Susanne Hauck, Icking

"Tornado" heißt das Bühnenprogramm von Arnulf Rating, kein Name könnte passender sein. Denn der Kabarettist ist mit einem Mundwerk gesegnet, das nicht weniger als ein Naturphänomen ist. Grandios, was sich am Sonntag im Vereineheim Dorf für ein Wortgewitter über dem Publikum entlud.

Die Preißn ziehen in Bayern nicht so, diese Erfahrung hat Veranstalter Wolfgang Ramadan schon öfter gemacht. Und obwohl der Wahl-Berliner Arnulf Rating als Träger des Deutschen Kabarettpreises zu den Großen seines Fachs gehört und oft im Fernsehen zu sehen ist, hatte das Abo-Publikum in Dorfen seinen Namen erst einmal nicht auf dem Schirm. Das dürfte in Zukunft anders sein.

Schon weil er seinen Auftritt mit einer Unerhörtheit beginnt: Vor allen Leuten stärkt sich Rating mit einem halben Grillhendl. Etwas unappetitlich ist das schon. Mit vollem Mund schwadroniert er über den Irrsinn der Massentierhaltung und die Scheinheiligkeit der Vegetarier. Die Finger triefen noch von dem eben vertilgten Brathähnchen, da kriegt schon der tägliche Wahnsinn in der Welt sein Fett ab.

Die Parteienlandschaft, die Wahlen, der Brexit, der Papst, der Feinstaub, die SUV-Fahrer, der Konsumterror, die Polit-Influencer, die Alt-68er - ein Potpourri an Themen, die Rating punktgenau aufs Korn nimmt. Dazu klappt er den mitgebrachten Alukoffer auf und holt einen Stapel Zeitungen heraus, um in einer Presseschau die Schlagzeilen durch seine Mühle zu drehen. Das alles geht in einem Affentempo und im lockeren Plauderton scheinbar mühelos. Eine Lehrstunde des Politkabarett ist das, schlagfertig, bissig und auf den Punkt.

Endlich einmal wieder jemand, der auch das tagesaktuelle Geschehen unter die Lupe nimmt, anstatt sich in schlappen Kalauern über die Genderfragen zu verlieren. Als Zuschauer darf man bei Rating allerdings keine allzu lange Leitung haben. Wer mit dem Lachen nicht schnell genug ist, hat schon die nächste Pointe verpasst.

Rating beherrscht sein Metier aus dem Effeff und ist auch nach 40 Bühnen-Jahren nicht altersmüde geworden. Bis 1990 war er Mitglied der anarchistischen Westberliner Kabarettgruppe "Die drei Tornados". Nach deren Auflösung verlegte er sich aufs Solokabarett, und seitdem bringt er mit schöner Regelmäßigkeit alle zwei Jahre ein neues Programm heraus.

Dieses Jahr geht übrigens noch der Bayerische Kabarettpreis an den 67-jährigen Künstler, dessen Markenzeichen die unmögliche Frisur ist: oben Glatze, unten wallendes Kraushaar. Wie einer von den "Horrorclowns" eben, die sich im Nachgang zu dem Stephen-King-Film einen Spaß daraus machten, die Leute zu erschrecken. Eine Schockergeschichte, mit der die "Bild" aufwartete. "Ich habe mich drei Tage lang nicht mehr aus der Wohnung herausgetraut", macht sich Rating über sein eigenes Aussehen lustig.

"Fake News" sind kein neues Phänomen: Nach der Pause geht es mit einem Leinwandvortrag zur Geschichte der Meinungsmanipulation weiter. Manch einem bleibt das Lachen im Hals stecken, als Rating alte Marlboro-Anzeigen einspielt, in denen die Werbeleute ungeniert fröhliche Babys Reklame für Zigaretten machen ließen. Auch hier beweist der Kabarettist, was für ein scharfsinniger Beobachter er ist.

Ein sehr unterhaltsamer Abend, der volle Punktezahl bekommt.

© SZ vom 14.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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