Im Kuhstall:Ans Eingemachte

Irmgard Schmid veredelt Obst und Gemüse in haltbare Leckereien.

Von Stephanie Schwaderer

Im Kuhstall: Irmgard Schmid, die Frau aus der Einmachküche.

Irmgard Schmid, die Frau aus der Einmachküche.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Fünf, sechs frische Holunderbeeren reichen bisweilen dazu aus, einen menschlichen Magen-Darm-Trakt in Aufruhr zu versetzen. Ihre Tochter habe als Kind einmal ein paar Beeren genascht, erzählt Irmgard Schmid. Der Rest des Tages sei verheerend gewesen. Dennoch rangiert der Holunder in ihrer kleinen "Einmachküche" im Schweizerhof ganz oben auf der Zutatenliste. "Weil er so gesund ist, wenn man ihn richtig verarbeitet, und weil sich so viel damit machen lässt." Aber schwierig sei er, der Holunder, sagt sie, auch in diesem "unglaublichen Jahr".

Unglaublich ist dieser Sommer für die erfahrene Bäuerin und stolze Ladenbesitzerin deshalb, weil sie sich kaum vor Naturalien retten kann. "Die Leute stellen mir ihr Obst kistenweise vor die Tür", erzählt sie. Viel lieber sei es ihr, wenn sie angerufen werde und Zwetschgen oder Mirabellen, Äpfel, Gurken und Zucchini selbst abholen könne. "Mehr, als ich verarbeiten kann, mag ich mir nicht ins Haus holen."

Die resolute Frau mit dem festen Haarknoten ist Expertin in Sachen Einwecken und Entsaften, Trocknen und Einkochen. In den Regalen ihres gerade einmal 16 Quadratmeter großen Ladens in Holzhausen reihen sich 40 Sorten Marmelade, dazu Säfte, Sirup und Liköre, Chutneys, Essige und Öle.

Mit den gelben Pflaumen ist Schmid gerade so gut wie fertig. 25 Kilo der saftigen Früchte hat sie entkernt und mit Gelierzucker aufgekocht, gerührt und in Gläser gefüllt. Auf der winzigen Ladentheke liegt schon der Baumwollstoff bereit, den sie für diese Charge ausgewählt hat: ein zartes Karo in Blau und Lila, das gut mit dem Gelb der Pflaumen harmoniert. Die Flicken schneidet sie von Hand und schnürt sie mit Bändern ("In diesem Fall wird es wohl Pink") um die Deckel.

Schon ihre Mutter habe viel eingemacht, erzählt sie. "Wir waren eine große Familie, und es war immer ein gutes Gefühl, wenn im Herbst der Keller gefüllt war." Als junge Frau habe sie im Einzelhandel gelernt, in einem Lebensmittelgeschäft in Ebenhausen. Seit jeher habe sie sich gewünscht, einen eigenen Laden zu haben: "Das war immer mein Traum." Dann aber heiratete sie in den Schweizerhof ein, bekam drei Kinder, später Enkel.

2010 entschied die Familie, das Milchvieh aufzugeben. Im selben Jahr begann Irmgard Schmid, im größeren Stil Einmachtöpfe und Dampfentsafter mit Obst und Gemüse zu befüllen. Der Anfang ihres ersehnten Ladens: ein Schrank im Hausflur. Bereits nach vier Wochen sei jedoch klar gewesen: "So geht's nicht", erzählt sie. "Schon wegen der Auflagen des Landratsamtes." Aufgeben kam aber nicht in Frage. In den folgenden zwei Jahren verwandelte ihr Mann sechs Quadratmeter Kuhstall in eine geflieste Edelstahlküche, baute eine Kammer und den kleinen Laden aus. 2012 war Eröffnung. In einem alten Grundbuch hat Schmid gelesen, dass der ursprüngliche Name des Schweizerhofs "Zum Kramer" gelautet habe. Das hat sie gefreut.

Zertifizierte Bio-Ware findet man bei ihr nicht. Auch wenn viele Früchte Bio-Qualität hätten, sagt sie. "Wenn der Nachbar mir Zwetschgen aus seinem Garten bringt, aber nicht zertifiziert ist, dürfte ich die nicht verarbeiten." Wichtig sei ihr, dass anständiges Obst in den Topf komme. Kein Schnickschnack. Fleisch- und Tofugerichte aus dem Glas, wie sie in Großstädten hip sind, gibt es in ihren Regalen nicht, dafür aber vier verschiedene Erdbeermarmeladen. Als nächstes wird sie bei ihrem Schwager in Schwarzlehen die Brombeeren ernten: "Bessere gibt's nicht." Und dann natürlich den Holunder. Voriges Jahr habe es fast keinen gegeben, sagt sie. "Du musst richtig suchen, im Wald, am Bach." Und dann gehe die Arbeit erst los: Jede Beere müsse einzeln von den Dolden gelöst werden, kein winziger Stil dürfe mitdurchrutschen, keine schlechte Beere. "Da sitzt du Tage." Der besondere Geschmack im Gelee oder Likör wiege diese Mühen auf. Ihr Stundenlohn, das hat sie ausgerechnet, beträgt im Schnitt 15 Euro. Von Mittwoch bis Samstag steht sie im Laden. "Ich hab es noch keinen Tag bereut."

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