Im Kino:Etwas Großes teilen

14 Frauen und Männer begeben sich auf Sinnsuche in die Sahara. Der Eurasburger Dokumentarfilmer Max Kronawitter hat sie begleitet. Sein Film "Stille, Sand und Wüste" zeigt, was Menschen reich machen kann

Von Stephanie Schwaderer, Eurasburg

Was bringt eine fast achtzigjährige Frau dazu, sich den Strapazen einer Wüstenwanderung auszusetzen? Zwei Wochen lang verzichtet Margarete auf Dusche, Bett und Telefon, stapft an der Seite eines schwer bepackten Dromedars durch flirrenden Sand und sengende Hitze. Ihr Leben lang sei sie eine Powerfrau gewesen, sagt sie. Nun ließen ihre Kräfte nach. Das mache ihr zu schaffen. In die Wüste ist sie gekommen, um der Endlichkeit ins Gesicht zu schauen, der Vergänglichkeit, die ihr hier "mit jedem Windhauch" entgegenwehe. Zwischen fließenden Dünen, die permanent Struktur und Form verändern, weil der Wind unzählige Sandkörnchen vor sich hertreibt, fühlt sie sich aufgehoben. "Nichts geht verloren", sagt sie mit Tränen in den Augen. "Ich habe keine Angst vor dem Ende, ich gehe dann auch."

Margarete gehört zu den faszinierenden Protagonistinnen in Max Kronawitters Filmreportage "Stille, Sand und Weite". 2,5 Millionen Menschen haben mittlerweile eine dreißigminütige Kurzfassung in der ARD gesehen. Wer tiefer in das Abenteuer Wüste eintauchen will, ist zu zwei Kinoabenden nach Achmühle und Wolfratshausen eingeladen, bei denen Kronawitter ein 90-Minuten-Konzentrat seiner zweiwöchigen Sahara-Erfahrung präsentiert.

Der Autor, Regisseur und Kameramann, der mit seiner Familie in Berg bei Eurasburg lebt, hat es wieder getan: Ohne einen offiziellen Auftrag ist er losgezogen, um einen Film zu machen, der in seinen Augen gemacht werden musste. Der Impuls ging diesmal von einer außergewöhnlichen Frau aus Niedersachsen aus. Anne von Helmolt bereitete gerade ihre fünfzigste "meditative Wüstenwanderung" vor.

Im Kino: "In dieser großen Kette ein Glied zu sein", gibt Margarete Kraft.

"In dieser großen Kette ein Glied zu sein", gibt Margarete Kraft.

(Foto: Max Kronawitter)

"Sie rief mich an und fragte, ob ich sie nicht mit der Kamera begleiten wolle." Denn obwohl sie regelmäßig allein oder mit Gruppen in der Wüste unterwegs sei, gebe es davon fast keine Bilder. Und wer von einer solchen Reise zurückkomme, könne seine Erfahrungen nur schwer in Worte fassen. Kronawitter zögerte nicht lange und sagte zu.

"Für einen studierten Theologen ist die Wüste natürlich an sich faszinierend", erklärt er. Seit jeher gelte sie als ein spiritueller Ort, an dem Suchende sich selbst auf die Spur kommen könnten. Die Frage, wie die Sahara auf einer solchen Wanderung Menschen verändere, habe ihn sofort fasziniert. Warnungen von Kollegen schlug er in den Wind.

Zweifel an dem Unterfangen kamen ihm, als er sich das erste Mal der glühenden Mittagssonne ausgesetzt sah, kein Baum weit und breit. "Da fragt man sich schon: Verdammt, was tu ich hier?" Eine Frage, die sich fortan täglich wiederholen, spätestens beim Sonnenuntergang auf den Dünen aber wieder vergessen sein sollte. Am vierten Tag fiel die Kamera aus, "komplett ruiniert vom Sand". Eine Ersatzausrüstung hatte er wohlweislich im Gepäck. Das Begleitfahrzeug jedoch, das er für sich und seinen Assistenten gemietet hatte, erwies sich als unbrauchbar. "Mir war klar: Wenn ich jemals Zugang zu dieser Gruppe finden wollte, musste ich mit ihnen gehen." Also bastelte er einen Plastikschutz für die Kamera, schnallte mit Hilfe der sie begleitenden Berber eine Solarzelle für die Akkus auf ein Dromedar und schnürte die Wanderstiefel.

Im Kino: "Stille, Sand und Weite" ist womöglich Kronawitters stärkster und stimmigster Dokumentarfilm.

"Stille, Sand und Weite" ist womöglich Kronawitters stärkster und stimmigster Dokumentarfilm.

(Foto: Max Kronawitter/OH)

Der Einsatz hat sich gelohnt. "Stille, Sand und Weite" ist womöglich Kronawitters stärkster und stimmigster Dokumentarfilm. Und ein "sehr weiblicher", wie er selbst sagt. "Männer fahren wohl lieber mit dem Jeep durch die Wüste." Von der ersten Einstellung an gelingt es ihm, den Zuschauer einzubremsen. Die Kamera folgt Kamelhufen, die erhaben durch den Sand stapfen. Dann der Schwenk zur Karawane.

Die zwölf Frauen und zwei Männer haben Handys, Uhren und Kosmetika zurückgelassen. Dafür durften sie sich eines der sanftmütig blickenden Tiere auswählen, das in den nächsten Tagen an ihrer Seite sein wird. Begleiten - beim Essen in Zelten aus uralten Teppichen, beim Schlafen im Sand, beim Gehen und Meditieren - darf sie auch der Zuschauer, der durch Kronawitters Augen blickt. Ihm sind nicht nur eindringliche Naturaufnahmen gelungen. In Nahaufnahmen lassen Margarete und andere überwiegend ältere Frauen ungeschminkte Einblicke in ihre Seelenlandschaften zu. Das Wunderbare: Sie wirken nicht alt. Sondern anrührend schön. Zeitlos und weise.

Auch ein Mann, Christoph, lässt sich auf die Kamera ein. Sein Vater hatte als junger Soldat mehrere Jahre in ägyptischer Kriegsgefangenschaft verbracht. Die Sahara sei "der toteste Ort der Welt", sagt Christoph, "aber gleichzeitig der mit dem tiefsten Erleben, weil er einen an den Rand der Bedeutungslosigkeit bringt".

Musik und Kommentare hat Kronawitter auf ein Minimum reduziert. Er lässt die Bilder sprechen, die Stille, die Weite, den Wind. Und immer wieder rückt er die Berber ins Bild, die sich als großzügige Gastgeber, väterliche Beschützer und bescheidene Könige der Wüste erweisen. Sie teilten, sagt einer von ihnen, mit den Gästen "etwas, das sehr, sehr stark" sei. "Auch wenn wir nicht genau wissen, was es ist."

Im Kino: Der Eurasburger Dokumentarfilmer Max Kronawitter hat Margarete und 13 andere Frauen und Männer auf einer Wüstenwanderung begleitet.

Der Eurasburger Dokumentarfilmer Max Kronawitter hat Margarete und 13 andere Frauen und Männer auf einer Wüstenwanderung begleitet.

(Foto: Max Kronawitter)

"Stille, Sand und Weite", Dokumentarfilm von Max Kronawitter, Donnerstag, 25. Oktober, 19.30 Uhr, Bürgerhaus Achmühle, Eintritt frei; Sonntag, 18. November, 11.30 Uhr, Kino Wolfratshausen, Eintritt 6 Euro

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