Im Ickinger Theaterzelt:Eine teuflische Herausforderung

Stefan Mayer-Voigt und seine Laienbühne inszenieren "Mefisto forever" von Tom Lanoye frei nach Klaus Mann. Nervöse Spannung in der vorletzten Probe.

Christa Gebhardt

Im Ickinger Theaterzelt: Stefan Mayer-Voigt hat die Laienbühne Icking 1993 gegründet. Damals spielte er noch mit. "Leider hat seine Textschwäche ihn in den Regiestuhl gezwungen", heißt es auf der Homepage.

Stefan Mayer-Voigt hat die Laienbühne Icking 1993 gegründet. Damals spielte er noch mit. "Leider hat seine Textschwäche ihn in den Regiestuhl gezwungen", heißt es auf der Homepage.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Stop! Noch mal von vorne. So geht es nicht! Vokale verschluckt. Position falsch. Auftritt zu früh. Text vergessen. Und das kurz vor der Premiere. Am 12. Juli führt das Laientheater Icking "Mefisto forever" von Tom Lanoye zum ersten Mal auf. Das Stück ist eine ultimative Herausforderung.

In der vorletzten Probe sind Schauspieler und Technik nervös, Regisseur Stefan Mayer-Voigt bleibt gelassen, präsent, konstruktiv kritisch. "Mefisto forever" hat Mayer-Voigt schon lange gereizt, weil das Stück toll und gehaltvoll sei. Oder mit den Worten des Autors Tom Lanoye: "Ein Patchwork aus Dramen-Zitaten und tatsächlichem Drama - ein Spiegelkabinett der Manipulation, Feigheit und Tapferkeit."

Im Ickinger Theaterzelt:  Marc Philippi als Victor Müller (am Boden), Merlin Bauer als Niklas Weber, Christine Lakner als Rebecca Füchs und Boris Fittkau als Kurt Köpler.

 Marc Philippi als Victor Müller (am Boden), Merlin Bauer als Niklas Weber, Christine Lakner als Rebecca Füchs und Boris Fittkau als Kurt Köpler.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Für die Spielzeit 2013 hatte Mayer-Voigt mit seinen Laienschauspielern eine ideale Besetzung für das komplexe Stück. Also beschloss er, das Wagnis einzugehen. Aber in dieser vorletzten Probe ist Mutti (Christine Noisser) streitlustig statt treudoof, wie vom Regisseur gefordert, der Hauptdarsteller, Starschauspieler Kurt Köpler (Boris Fittkau) unterbricht sich wegen Lampenfiebers andauernd selbst, der Intendant und Kommunist Victor Müller (Marc Philippi) und sein Gegner, der Faschist Niklas Weber (Merlin Bauer) müssen mehrmals klären, wer wann wen so richtig anschreien soll.

Starschauspielerin jüdischer Herkunft Rebecca Füchs (Christine Lakner) verpasst diesmal ihren Auftritt um Sekunden. Erneut muss die erste Szene wiederholt werden. Die Exposition muss sitzen: Schließlich müssen zu Anfang alle handlungstragenden Charaktere klar erkennbar sein. Es spielen außerdem mit: "Angela" (Carolin Jordan) und "Nicole" (Juli Vogel), zwei junge Schauspielerinnen, "der Dicke" (Moritz Kienast) alias Hermann Göring, "Lina" (Anna Krzikalla), die Geliebte des Dicken, "der Hinkende" (Basti Kater) alias Joseph Goebbels und "der Neue Führer" (Lydia di Bernardo).

Im Ickinger Theaterzelt: Christine Noisser als Mutti Hilda, Boris Fittkau als Kurt Köpler, Merlin Bauer als Niklas Weber und Marc Philippi als Victor Müller.

Christine Noisser als Mutti Hilda, Boris Fittkau als Kurt Köpler, Merlin Bauer als Niklas Weber und Marc Philippi als Victor Müller.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Die Anforderungen an Textsicherheit und Wandlungsfähigkeit der Schauspieler sind enorm. Beständig müssen sie in einen anderen Kontext springen. "Mefisto forever" zitiert aus berühmten Klassikern, die in vielen Szenen den Fortgang der Handlung übernehmen. Darunter sind Shakespeares Hamlet und Richard III., Anton Tschechows Werke vom Kirschgarten über Onkel Wanja und Drei Schwestern, Goethes Faust und Klaus Manns "Mephisto - Roman einer Karriere", denn darum geht's, allerdings nur vordergründig. Hauptfigur in "Mefisto forever" ist Starschauspieler Kurt Köpler, angelehnt an Klaus Manns Figur des Hendrik Höfgen als Muster für Opportunismus unter der Fuchtel der Nationalsozialisten.

Die Story der Menschen im Theater, Zeitrahmen 1933 bis 1945, geht so: Die neuen, totalitären Machthaber machen den Starschauspieler zum neuen Theaterintendanten, der alte, missliebige wird gestürzt. Er nimmt an, doch sein Vorsatz, aus dem Theater einen Hort des Widerstands zu machen, missrät. Anfällig für Schmeicheleien und unfähig, für eine Überzeugung einzustehen, gibt er sich den Rollen aus der Weltliteratur hin und sieht tatenlos zu, wie die Politik die Bühne erobert, Freunde und Kollegen zu Grunde gehen. Köplers Versuch, seinen künstlerischen Ehrgeiz als politische Strategie auszugeben und das System von innen zu bekämpfen, scheitert. Am Ende wird er von dem System geschlagen, von dem er zu profitieren glaubte. Während die Welt in Gewalt und Chaos versinkt, der Minister eine aufpeitschende Rede hält ("Wollt ihr den totalen Krieg?"), klammert sich Kurt weiter an seine klassischen Rollen. Er endet als Mephisto, der nach dem Krieg mit neuen Machthabern den Teufelspakt schließt.

Moritz Kienast fragt sich besorgt, ob das Publikum das verstehen wird. Schließlich sitzen da nicht nur Zuschauer, die Theaterabonnenten sind oder einen Leistungskurs Deutsch absolviert haben. Werden sie zu Beginn von "Mefisto forever" die berühmten Worte Köplers als Zitat erkennen: "Wer bist du? Wer? Bist du ein guter Geist oder ein Dämon?" Und werden sie dann folgern: "Alles klar. Hamlet, I. Akt. Shakespeare. Frage nach Sinn und Moral, Sein oder Nicht-Sein"? Und werden die Zuschauer am Schluss des Stücks verstehen, dass Köpler nichts mehr bleibt als die zwar grandiose, aber auch hoffnungslos nihilistische Rolle des Mephisto? Mayer Voigt vermutet: "Ein waches Publikum kapiert's. Einige werden fragen, was ist das jetzt? Und einige werden rätseln." Kleine Signale auf Autoren und Stücke sind gesetzt. Gut zuhören reicht. Eine spannende Sache auf jeden Fall.

Laienbühne Icking: "Mefisto forever", Freitag, 12. Juli (Premiere); Samstag und Sonntag, 13. und 14. Juli; Mittwoch und Freitag, 17. und 19. Juli; Theaterzelt am Stockerweiher, Irschenhausen. Beginn: 20 Uhr, Einlass 19.30 Uhr. Tipp von Stefan Mayer-Voigt: "Karten für die Premiere besorgen, die ist meist nicht ausverkauft. Hinterher spricht es sich herum und es gibt keine Karten mehr." www.zelttheater-icking.de

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