Im Franz-Marc-Museum am Kochelsee:"Es entsteht etwas Neues - das macht Mut"

Im Franz-Marc-Museum am Kochelsee: Zu einem Dialog zwischen bildender Kunst und Musik lädt das Trio Coriolis ein. Es zieht am Sonntag musizierend durch das Franz-Marc-Museum in Kochel. Die Gäste sollten vor allem Neugier mitbringen.

Zu einem Dialog zwischen bildender Kunst und Musik lädt das Trio Coriolis ein. Es zieht am Sonntag musizierend durch das Franz-Marc-Museum in Kochel. Die Gäste sollten vor allem Neugier mitbringen.

(Foto: Astrid Ackermann/oh)

Birgit Chlupacek bringt mit dem Festival "Code Modern" zeitgenössische Musik und interdisziplinäre Formate aufs Land. Auftakt ist am Sonntag

Von Anja Brandstäter

Das neue Festival "Code Modern - Zeit für Musik der Gegenwart" bespielt Museen, Kirchen und ganze Ortschaften im südlichen Bayern mit zeitgenössischen Klängen, interdisziplinären Formaten und einem spannenden Begleitprogramm. Geschäftsführende Intendantin Birgit Chlupacek hat viele kreative Kooperationspartner von diesem Format begeistern können - darunter Cathrin Klingsöhr-Leroy, Direktorin des Franz Marc Museums in Kochel, wo das Festival am Sonntag, 4. Juli, beginnt.

SZ: Frau Chlupacek, wie kamen Sie auf die Idee zu diesem Festival?

Birgit Chlupacek: Als freischaffende Kulturmanagerin bin ich immer auf der Suche nach Neuem. Ich hatte in der Vergangenheit gemeinsam mit dem Pianisten und künstlerischen Kurator Gerold Huber das Festival "Pollinger Tage für Alte und Neue Musik" im Landkreis Weilheim veranstaltet. Damals haben wir das Konzept zu breit gefasst. Es war unklar definiert und ging am Ende in der Menge der Konkurrenz unter. Jetzt ausschließlich zeitgenössische Musik durch originelle, aber klare Konzepte aufs Land zu bringen, ist wirklich neu und herausfordernd.

Franz-Marc Museum Code Modern

Birgit Chlupacek lebt als freischaffende Kulturmanagerin in München.

Sie haben die renommierte Violinistin Carolin Widmann als Schirmherrin gewonnen. War das schwierig?

Nein, gar nicht. Sie ist in der Neue-Musik-Szene fest verankert und stammt obendrein ja aus Bayern. Auch ihr hat die Idee gefallen, zeitgenössische Musik durch Dialog-Formate zu vermitteln. Für sie persönlich ist das Projekt "Code Modern" außerdem ein positives Signal, speziell nach dem für Kulturschaffende so entbehrungsreichen Jahr 2020. Es entsteht etwas Neues und das macht Mut.

Sie haben sich Experten an die Seite geholt und arbeiten in einem Kuratorium zusammen. Können Sie das erläutern?

Mit dem Dirigenten Armando Merino verbindet mich seit Jahren eine enge Zusammenarbeit. Sein Schwerpunkt liegt auf zeitgenössischer Musik. Mit Hans Rotman haben wir einen erprobten Festivalmacher gefunden, der viele gute Ideen eingebracht hat. Seit 2008 ist er Intendant des Impuls-Festivals, ein wichtiges Festival für Neue Musik in Sachsen-Anhalt.

Was ist so besonders an Ihrem Konzept?

Uns liegt sehr daran, Kooperation vor Konkurrenz zu setzen. Heißt: Partner zu finden, die Lust auf Synergie und keine Angst vor neuen Tönen haben. Neben den beiden Landeskirchen waren es beispielsweise auch die Museen, die sich mit Kunst der Gegenwart befassen und unter dem Titel Museenlandschaft Expressionismus bekannt sind. Es war naheliegend dort hinzugehen, wo Zeitgenössisches bereits verwurzelt ist. Im nächsten Schritt haben wir Kuratoren berufen, zu den jeweiligen Formaten passenden Inhalte zu entwickeln, immer unter dem Aspekt der kollektiven Zusammenarbeit.

Wie sieht das konkret im Franz-Marc-Museum aus?

Wir finden die Möglichkeiten des Dialogs zwischen bildender Kunst und Musik sehr interessant. Daher richten sich die Musikprogramme an den jeweiligen Museen und den aktuellen Ausstellungen aus. Dieses Format nennen wir "Face 2 face". Gerade ist in Kochel die neue Ausstellung "Ich bin mein Stil - Künsterbildnisse im Kreis von Brücke und Blauem Reiter" eröffnet worden. Die beiden Künstlergruppen wollten die Welt mit ihren Bildern verändern, und zwar radikal. Ebenso geht es den zeitgenössischen Komponisten, die wir ausgewählt haben und die Bezug nehmen auf die Werke dieser Künstlergruppen: Das erste Konzert bestreitet das Trio Coriolis. Es spielt Werke von Salvatore Sciarrino, Daniela Terranova, Roman Haubenstock-Ramati und Jefim Golyscheff. Dabei wandeln die Musiker durch die Museumsetagen und werden von der Moderatorin begleitet. So können Gegenüberstellung als auch Dialog zwischen Bildender Kunst und Musik der Gegenwart entstehen.

Was hält das Festival noch für die Besucher bereit?

In der Konzertreihe "Innere Stimme" erstrahlen Kirchenräume in einem neuen Licht - als Konzertorte und Schauplätze für die Arbeiten von darstellenden Künstlern. In der ersten Saison ist es die Medien- und Performancekünstlerin Manuela Hartel, die in Tutzing und Schlehdorf in Aktion treten wird. Während sich die Musik in "Face 2 face" an den Kunstwerken orientiert, läuft es hier andersherum: Das Kuratorium bestimmt die Werke für die jeweilige Kirche. Manuela Hartel schafft davon inspiriert Videoprojektionen, welche die Räume umdeuten und das Hören von Musik unterstützen. Namhafte Komponisten, deren Musik gespielt wird, stehen in gesonderten Podiumsdiskussionen Rede und Antwort zu ihrem Schaffen - unter ihnen Konstantia Gourzi und Mark Andre.

Es gibt auch ein Format namens "Drehscheibe". Was verbirgt sich dahinter?

Das ist ein Austauschprojekt, bei dem über zwei Jahre drei internationale Ensembles zusammenkommen: "Der gelbe Klang" aus München, das Collegium Novum aus Zürich und das Ensemble Sillages aus Brest. Jedes Ensemble lädt die zwei anderen im Wechsel in die eigene Heimat ein und lässt für sie Auftragswerke schreiben, die sich Instrumenten aus der Volksmusik widmen. Für die deutsche Ausgabe komponieren Moritz Eggert und KP Werani Werke für Cimbalom und Bandoneon.

Wird auch künstlerischer Nachwuchs in "Code Modern" einbezogen?

Ja, das St.-Irmingard-Gymnasium in Garmisch etwa war von Anfang an begeistert von unserem Projekt, trotz Corona. Wir waren überrascht über das Vertrauen, das sie der Idee entgegengebracht haben, ohne uns zu kennen. Die Schule hat aber auch eine lange Musiktheatertradition und entwickelt jetzt unter dem Titel "Enter the Code" ein Stück, das hoffentlich Ende 2021 auf die Bühne kommen darf.

Neue Musik hat einen elitären Ruf. Bedeutet "Code Modern" womöglich codierte Klänge nur für Eingeweihte?

Zeitgenössische Musik ist oft im akademischen Raum der Großstädte beheimatet. Der ländliche Raum ist in diesem Diskurs, nicht nur in Bayern, wenig eingebunden. Mit "Code Modern" ziehen wir bewusst hinaus aus den Kulturblasen der Metropolen. Wir haben uns vorgenommen, die Menschen der Region mit Unerwartetem und Neuem zu überraschen. Neue Musik ist Revolution - aber im Positiven!

Es gibt Menschen, die Musik sehen und Farben hören können. Kann Musik auch einen Geschmack haben?

Ich schließe beim Hören von Musik gerne die Augen und kann dabei gut Bilder abrufen. Als Geschmacksbild beim Erleben zeitgenössischer Musik fallen mir spontan Kontraste ein: würziger Ziegenkäse mit Orangenmarmelade, dunkle Schokolade mit einem Hauch Karamell und Meersalz oder, im gegenteiligen Fall, der sauer-scharfe Geschmack schlecht gewordener Sahne. Mir bietet Neue Musik immer überraschende gustatorische Gegensätze.

Wie viele Vorkenntnisse sind nötig, um eines Ihrer Konzerte zu besuchen?

Keiner benötigt Expertenwissen. Allerdings sollte man neugierig sein und unvoreingenommen. Am besten man erwartet nichts. Dann können diese Klänge Überraschendes bewirken.

Eröffnung des Festivals "Code Modern" am Sonntag, 4. Juli, 11 Uhr, im Franz-Marc-Museum. Das Festival endet am 7. Januar 2022 im Kurhaus Bad Tölz mit einem Gemeinschaftsprojekt des Ensembles "Der gelbe Klang" und Solisten der Blaskapelle Bad Tölz sowie den Schauspielern Dominique Horwitz und Manfred Karge. Anmeldung, Karten und Informationen unter www.code-modern-festival.de

Zur SZ-Startseite
Franz-Marc Museum Code Modern

Birgit Chlupacek und Cathrin Klinsöhr-Loroy vor einem Gemälde von Ernst Ludwig Kirchner: "Doris und Heckel am Tisch".

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: