Im Depot der Zeitgeschichte:Not und Brot

Lebensmittelmarken für Zwangsarbeiter und Befreite

Von Felicitas Amler, Wolfratshausen

Der Erinnerungsort Badehaus in Waldram birgt nicht nur in seiner Dauerausstellung vielerlei Schätze der Zeitgeschichte. Das ehrenamtlich von einem Verein betriebene Haus hat zusätzlich ein Depot mit Fundstücken aus allen Phasen der hier dokumentierten Geschichte. Dies sind: die Zeit der NS-Rüstungsbetriebe im Wolfratshauser Forst mit der eigens dafür errichteten Arbeitersiedlung Föhrenwald; das Camp für jüdische Displaced Persons (DP) - die Überlebenden der Shoah - gleichen Namens und der in "Waldram" umbenannte Ort, an dem kinderreiche katholische Heimatvertriebene angesiedelt wurden. Die SZ präsentiert in einer kleinen Serie einzelne Trouvaillen aus dem Depot.

Im Depot der Zeitgeschichte: Schwer-Arbeiterkarte: Wer in der Rüstungsproduktiontätig war, musste besser versorgt werden.

Schwer-Arbeiterkarte: Wer in der Rüstungsproduktiontätig war, musste besser versorgt werden.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Im Online-Archiv des Badehauses sind sie im April 2016 als "Fundstück des Monats" verzeichnet: Lebensmittelmarken, bei Renovierungsarbeiten entdeckt von Familie Dall'Armi in deren Haus in Waldram. Die kleinen braunen Kartonblättchen wurden in diesem Haus - und in manchen anderen - einst zum Abdichten der Fenster verwendet. Nun sind sie im Besitz des Erinnerungsorts.

Lebensmittelmarken werden in Zeiten von Nahrungsknappheit ausgegeben; dies war während des Ersten und des Zweiten Weltkriegs der Fall. Das Besondere an den in Waldram gefundenen Stücken: Sie datieren zwar vom 12. und 13. Mai 1945 - also nach Befreiung und Kriegsende. Doch sie stammen noch aus der NS-Zeit des Lagers Föhrenwald. Hier zeige sich ein Provisorium der Verwaltungsbürokratie, erklärt Badehaus-Vize Emanuel Rüff: "In den ersten Wochen wurden im DP-Lager Föhrenwald weiterhin Lebensmittelkarten und Lagerstempel der vormaligen Siedlung für Zwangsarbeiter und Dienstverpflichtete verwendet." Darauf weise auch die alte Straßenbezeichnung hin: "Nur kurze Zeit später wurde die Steiererstraße in Florida Street umbenannt und ist heute als Gebsattelstraße bekannt."

Im Depot der Zeitgeschichte: Essensmarken aus dem Lager Föhrenwald.

Essensmarken aus dem Lager Föhrenwald.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Dass die Lebensmittelmarken ursprünglich für Menschen gedacht waren, die im Wolfratshauser Forst in der Rüstungsindustrie schufteten, ist an der Aufschrift "Schwer-Arbeiterkarte" zu erkennen. Fett, Brot und Wurst wurden da ausgegeben, so kann man auf einer der Marken lesen. Auf einer anderen die Rationierung: "Von Montag mit Freitag 100 g Fleisch, 20 g Fett, 50 g Nährmittel, 100 g Brot." Dass die von Hand jeweils namentlich gekennzeichneten Karten "nicht übertragbar" waren, worauf der Aufdruck hinweist, dürfte sich in eben jener Übergangszeit als nicht haltbar erwiesen haben.

www.badehauswaldram.de

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