Süddeutsche Zeitung

Iffeldorfer Meisterkonzerte:Energiegeladene Barockmusik

Lesezeit: 2 min

Die Accademia Giocosa entstaubt die Noten der Alten Meister - und begeistert ihr Publikum

Von Jakob Steiner, Iffeldorf

Mit flinken Fingern und ruhigem Blick werfen die Musiker sich die Motive zu. Ihr Kontakt ist so energiegeladen, jeder steckt den anderen an. Gebündelt erreicht diese Energie den Zuhörer, der gar keine andere Wahl hat, als sich vom mitreißen zu lassen. Weit weg von Begrifflichkeiten wie "Historische Aufführungspraxis" oder "originales Instrumentarium" erlebt er "Alte Musik" neu.

Die Mitglieder der L'Accademia Giocosa spielen am Samstagabend beim Iffeldorfer Meisterkonzert zwar auf Barockinstrumenten, doch sie befreien die Noten der alten Meister wie mit einem Staubwedel vom Schleier der Theoretisierung und holen sie durch ihr Musizieren ins Jetzt. Jeder Ton ist selbst in der Begleitung der Solostimmen mit Emotion und Spielfreude geführt. Und das eigentlich Schöne an diesem Ensemble: Jeder Musiker tut dies auf seine ganz eigene Art und Weise. So sind sie - bei aller Eingespieltheit - gefordert, spontan aufeinander zu reagieren - das wirkt sehr belebend. Auf dem Programm des Münchner Barockensembles, das zum Großteil aus Mitgliedern des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks besteht, stehen drei große Komponisten aus dem Generalbasszeitalter: Die Italiener Tomaso Albinoni und Antonio Vivaldi sowie der Norddeutsche Georg Philipp Telemann.

Dessen Quartett in G-Dur für Flöte, Oboe, Violine und Generalbass bildet den Auftakt. Sämtliche Stücke Telemanns, die das Ensemble ausgewählt hat, sind seiner Tafelmusik entnommen. Sie waren also für die festliche Begleitung eines Banketts an einem Hof bestimmt. Technisch brillant spielen die Solostimmen miteinander, im letzten Vivace geben sie sich gefühlvoll die Töne einer absteigenden Skala weiter. Bei Vivaldis Konzert in B-Dur kommen mehr Streicher hinzu und das Ensemble wird seinem Namen 'giocosa', also heiter, endgültig gerecht. Auch das Largo beeindruckt dank der lyrischen Gestaltung der Oboenstimme durch Stefan Schilli, er wird von Marije Grevink an der Geige mit zarten Dreiklangsbrechungen begleitet.

Im abschließenden Allegro gibt es wieder Platz für Virtuosität, nicht nur hier begeistert das Ensemble mit beispiellosem Zusammenspiel. Abwechslung bringt Telemanns Konzert in A-Dur. Marcello Gatti zeigt auf seiner hölzernen Traversflöte einen eher ungewohnt gedeckten, wunderschön weichen Klang und mit Marco Testori am Cello darf auch ein tieferes Register solistisch auftreten. Die Instrumentalisten interpretieren das Allegro flott, lassen aber nie Hektik aufkommen. Ein Schmunzeln in ihren Gesichtern ist häufig zu sehen. Der letzte Satz erinnert stellenweise an ein Unwetter, woraufhin es prompt - pünktlich zur Pause - zu regnen beginnt. Doch das stört die Zuhörer nicht weiter, sie genießen auf der Terrasse ihren "Osterseen Mule", beseelt von der ebengehörten Musik.

Beschwingt geht es in der zweiten Hälfte mit Albinonis Konzert in C-Dur für zwei Oboen, Streicher und Generalbass weiter. Die Oboisten Schilli und Tobias Vogelmann führen die schwungvolle, tänzerische Musik äußerst einheitlich an. Merkwürdig, dass das Publikum während der Musik sitzt und in der Pause steht. Es müsste umgekehrt sein! Den kammermusikalischen Höhepunkt bildet das folgende Trio in e-Moll, ein letztes Mal Telemann. Im vielfältigen Werk zeigen Flöte, Oboe und die Bassgruppe mit den wunderbaren Alexandra Scott (Kontrabass) und Georg Staudacher (Cembalo) eine große Bandbreite von schlankem Feingefühl bis hin zu hypnotisierender Ausdrucksstärke. Für das letzte Stück des Abends sind schließlich alle Musiker bis auf Gatti auf die Bühne gekommen. Sie beginnen mit der fast bedrohlich dramatischen Einleitung Vivaldis d-Moll-Konzerts. In dessen Folge kosten sie eine Quintfallsequenz nach der anderen aus, um schließlich den Ritt durch die Tonarten im Wechsel mit dem Unisono-Thema zu Ende zu führen.

Das Publikum ist hingerissen, es wird gewiss noch lange von diesem "concerto giocoso" schwärmen.

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Quelle:
SZ vom 10.07.2017
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