Iffeldorf:Zwei Zeitalter im Duett

Das Konzert mit Ton Koopmann in Iffeldorf bietet dem Publikum ein herausragendes Klangerlebnis

Von Sabine Näher, Iffeldorf

Er zählt zu den Ikonen der Alte-Musik-Szene: Ton Koopman, der 1944 im niederländischen Zwolle geborene Dirigent, Organist und Cembalist. Nach einem Studium der Musikwissenschaft in Amsterdam gründete er 1979 das Amsterdam Baroque Orchestra und 1992 den Amsterdam Baroque Choir. Mit diesen Ensembles setzte er Meilensteine in der Historischen Aufführungspraxis; so spielte er zwischen 1994 und 2004 sämtliche Kantaten von Johann Sebastian Bach ein. Als Gesangssolist maßgeblich daran beteiligt war der deutsche Bariton Klaus Mertens. Gemeinsam mit diesem und seiner Ehefrau, der in Amsterdam geborenen Pianistin und Cembalistin Tini Mathot, war Koopman am Samstagabend bei den Iffeldorfer Meisterkonzerten zu Gast. Gemäß den Prinzipien der Historischen Aufführungspraxis sollten Werke auf Instrumenten aus ihrer Entstehungszeit musiziert werden. Im Idealfall auf echten historischen Instrumenten, ansonsten auf Nachbauten, die diesen möglichst nahe kommen.

Beides hatten Mathot und Koopman im Gepäck: zwei prachtvoll verzierte (nachgebaute) Cembali, eine Truhenorgel und ein (originaler) Hammerflügel waren auf dem Podium des Gemeindezentrums Iffeldorf aufgebaut. Während ein Pianist relativ unproblematisch von einem modernen Konzertflügel auf den nächsten wechseln kann, sind die historischen Tasteninstrumente wesentlich individueller. Das heißt, der Spieler muss sich in sie einfühlen, weshalb es nicht ungewöhnlich ist, dass Alte-Musik-Spezialisten mit eigenen Instrumenten reisen. Eine halbe Museumsausstattung hat aber nicht jeder dabei.

Schon aus diesem Grund war der Abend ein besonderer. Und aufgrund der seltenen Gelegenheit, Cembalo und Hammerflügel nicht nur im selben Konzert, sondern sogar im selben Stück zu erleben. So in Mozarts Andante mit Variationen KV 501. "Natürlich hatte Mozart einen Hammerflügel, das moderne Tasteninstrument seiner Zeit, zuhause", erklärte Koopman. "Aber er hat auch zeitlebens Cembalo gespielt. Wir wissen zwar nicht, ob das Stück je so aufgeführt wurde, wie wir es heute hier machen. Aber es war die Idee der Zeit, zu experimentieren. Das haben wir getan!" Und so schien es, als ob sich zwei Zeitalter begegnen, sich der Großvater Cembalo mit dem Enkel Hammerflügel austauscht. Ebenfalls, doch nicht gar so selten ist die Besetzung zweier Cembali, mit der das Künstlerpaar in einer Händelschen Suite das Konzert eröffnete. Bariton Klaus Mertens erwies sich sowohl in der barocken Literatur, die Koopman an Cembalo oder Orgel begleitete, wie in der (früh-)klassischen mit Mathot am Hammerflügel nach wie vor als der ausgesprochen subtile Gestalter, der er schon seit Jahrzehnten ist. Vom zartesten Piano bis zum leidenschaftlichen Aufbrausen und der gesamten Ausdruckspalette dazwischen gelang ihm alles scheinbar mühelos. Ganz besonders schön geriet der Bach-Block mit dem graziös-verspielten "Willst du dein Herz mir schenken" über die "Tobackspfeife", die den Thomaskantor als geerdeten Genussmenschen zeigt, bis zum innig zu Herzen gehenden "Bist du bei mir", zu dem Koopman passenderweise vom Cembalo an die Orgel wechselte. Die Aria aus den Goldberg-Variationen BWV 985 trug Koopman so unendlich nuanciert und mit tief empfundenem Ausdruck vor, dass man das weitere Stück (das allerdings abendfüllend gewesen wäre) geradezu schmerzlich vermisste. Immer wieder erbaulich und viel zu selten aufgeführt sind die Lieder Haydns. Zwei seiner Englischen Canzonetten gestalteten Mathot und Mertens als hörbar eingespieltes Team, wobei der zartere und farbigere Klang des Hammerflügels im Vergleich zum modernen Konzertflügel dem Sänger mehr Entfaltungsmöglichkeiten bietet.

Die ganz spezielle Klangmischung des Abends kam am Ende des Konzerts nochmals zum Tragen: Koopman hatte drei der Schottischen Lieder Haydns für Gesang und Klaviertrio für Cembalo und Hammerflügel arrangiert. Und zwar gelungen: Wer das Original nicht im Ohr hat, wird hier nichts vermissen. Und die drei Interpreten hatten offensichtlich großes Vergnügen dabei. Das heftig Beifall klatschende Publikum ebenso. Dafür wurde es mit einem weiteren schottischen Arrangement als Zugabe belohnt: Der "Sailor's Song" entfaltete ein virtuoses Tastenfeuerwerk. Wunderbarer Abschluss eines besonderen Konzerterlebnisses.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: