Ickinger Konzertzyklus:Mit Nachpfeifpotenzial

Ickinger Konzertzyklus: Ungewöhnliche Besetzung: Das Moravia Quintett musiziert mit Flöte, Oboe, Horn, Fagott und Klarinette.

Ungewöhnliche Besetzung: Das Moravia Quintett musiziert mit Flöte, Oboe, Horn, Fagott und Klarinette.

(Foto: Harry Wolfbauer)

Das Moravia Quintett präsentiert ein ungewohntes, gleichwohl gefälliges Programm - und einen irritierenden Ausreißer

Von Paul Schäufele, Icking

Mit Namen wie Dvořák, Smetana und Janáček ist tschechische Musik fest im klassischen Konzertrepertoire verankert. Dass die Musik Böhmens und Mährens (das musikalische Thema des diesjährigen Ickinger Konzertzyklus') weit mehr zu bieten hat als slawische Tänze und eine verkaufte Braut, bewies das Moravia Quintett bei seinem Konzert am Sonntag in der Ickinger Auferstehungskirche. Die fünf Musiker - allesamt Mitglieder der Mährischen Philharmonie Olmütz - präsentierten in der nicht alltäglichen Besetzung aus Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott und Horn musikalische Raritäten.

Schon mit dem Anfangsstück wird der geografische Rahmen erweitert: In den "Ungarischen Tänzen" von Ferenc Farkas zeigt das Quintett seine Fähigkeit, auch auf engstem musikalischen Raum Stimmungen zu differenzieren. Mal schwungvoll-dynamischer Springtanz, mal melancholisch-schleppender Klagegesang. Farkas war Lehrer der Avantgardegranden György Kurtág und György Ligeti. Man merkt es nicht. Denn bei unterschiedlichstem Temperament sind die Tänze vor allem eines: eingängig und mit Nachpfeifpotenzial. Das gilt leider auch für Dvořáks bekannteste Humoreske, ursprünglich ein Klavierstück. Dem Quintett ist die Verunstaltung der musikalischen Kleinigkeit als "Eine kleine Frühlingsweise" nicht vorzuwerfen. Schade nur, dass sie nicht mehr daraus machen als der Großteil der Klavierschüler in der mittleren Ausbildungsphase: viel Ritardando-Schmalz und harmloses Trällern.

Eine echte Entdeckung dagegen die "Volkslied-Variationen aus Tschechien" des als Filmmusikkomponist bekannt gewordenen Václav Trojan. Sei es in den rasanten, witzigen Dialogen der einzelnen oder gruppierten Instrumente, sei es in den Solostellen mit dezenter Begleitung, deutlich wird: Die fünf Instrumentalisten musizieren nicht seit gestern miteinander. Gerade weil das musikalische Material nicht übermäßig komplex ist, kommt die perfekt aufeinander abgestimmte Kommunikation des Ensembles besonders gut zur Geltung. Dazu zählen nicht nur die genau koordinierten Staccato-Salven im an Haydn erinnernden Presto-Finale. Vor allem kann das Quintett seine Klangmöglichkeiten ausloten. Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott und Horn: Das mischt sich nicht zum schönen Einheitsklang, sondern eröffnet Möglichkeiten, Klangunterschiede, Reibungen bewusst zu gestalten.

Die relativ trockene Akustik der Auferstehungskirche bietet dazu den passenden Rahmen. So zu hören ist das auch im ersten Nachpausen-Stück, einer launigen Polka von Julius Fučik, als Komponist des "Einzugs der Gladiatoren" inoffizieller Schutzheiliger der Zirkusakrobaten. Hier wechseln lebendig gespielte Fagott-Rezitative mit Begleitfiguren in unterschiedlicher Besetzung.

Derartig eingestimmt mit Musik, die von der gewohnten Dreiklangsharmonik nur im Ausnahmefall abweicht, sorgte Aleš Pavloreks "Studie für Holzbläserquintett" für Irritationen. Die Komposition des 1971 geborenen Pavlorek ist von der Eingängigkeit der vorherigen Werke um einiges entfernt. Harmonik, die sich gerade noch an die traditionelle Dur-/Moll-Konventionen hält, durchsetzt mit Jazzakkorden; komplexe, synkopenreiche Rhythmik; teils scharfe Dissonanzen und Akkordballungen; Melodieschnipsel, die gewissermaßen kommentarlos im Raum hängen. Innerhalb des sonst gefälligen Programms ist das als Experiment zu verbuchen. Auch wenn die Publikumsreaktion eher verhalten ausfiel, ist festzuhalten: Mit diesem zeitgenössischen Stück zeigt das Moravia Quintett, dass es auch vielschichtige musikalische Strukturen überzeugend zu interpretieren weiß.

Nicht ganz so überzeugend, dafür aber wieder mit beiden Beinen auf tonalem Boden stehend, gestaltet sich die Tanz-Suite Opus 10 von Ladislav Odstrčil. Das Quintett spielt die vier Sätze Slowfox, Foxtrot, Waltz und Boogie nicht ohne Gespür für den tänzerischen Swing. Darüber möchte man fast vergessen, dass so ein Bläserquintett - so vielseitig es klanglich auch sein kann - im Ganzen doch eine relativ spröde Angelegenheit bleibt. In den Werken der Kunstmusik fällt das nicht weiter auf, hier, wo es sich offenkundig um Unterhaltungsmusik zum Sonntagnachmittag handelt, empfindet man es als Manko.

In dem als transatlantische Zugabe gespielten "America" aus Leonard Bernsteins "West Side Story" ist das Moravia Quintett ganz in seinem Element: Rhythmisch prägnant und mit beinahe orchestralem Klangvolumen verabschiedeten sich die fünf Musiker von einem Publikum, das sich zufrieden weitersummend auf den Weg machte.

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