Klassik im Landkreis Bad Tölz-WolfratshausenHören, sehen, plaudern

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„Es ist ein Kraftakt“: Der Verein Klangwelt Klassik um Vorsitzende Bettina Gaebel lädt zum zehnten Mal zum "Ickinger Frühling" ein.
„Es ist ein Kraftakt“: Der Verein Klangwelt Klassik um Vorsitzende Bettina Gaebel lädt zum zehnten Mal zum "Ickinger Frühling" ein. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der „Ickinger Frühling“ wartet am ersten Mai-Wochenende mit  vielseitiger Kammermusik auf. Zum zehnten Mal lädt das Festival ein, gute Musik zu hören und sich darüber auszutauschen. Ein neues Preismodell gibt es auch.

Von Paul Schäufele, Icking

Eigentlich müsse man sich einmal ein anderes Wort überlegen, findet Bettina Gaebel. „Kammermusik, das klingt so verstaubt. Dabei ist das etwas so Dynamisches. Dieser vielseitige Austausch, aus dem eine gemeinsame Geschichte entsteht“, sagt die Vorsitzende des Vereins Klangwelt Klassik. Dieser lädt am ersten Mai-Wochenende ins Rainer-Maria-Rilke-Gymnasium in Icking ein, denn zum zehnten Mal präsentiert der „Ickinger Frühling“ ein Programm mit (in Ermangelung eines besseren Wortes) Kammermusik, in dem Klassiker wie selbstverständlich neben spannenden Entdeckungen stehen.

„Wir bringen Stücke zur Aufführung, die nicht überall gespielt werden“, sagt Gaebel. „Aber die Leute wissen, dass wir genau hinhören bei dem, was wir aufs Programm setzen.“ Als erstes von vier Ensembles des Hauptprogramms darf sich das Amelio Trio in Icking vorstellen. Das Trio entstand als Jugend-musiziert-Projekt. Da waren seine drei Mitglieder gerade 13 Jahre alt. Die in den Jahren gewachsene Vertrautheit bei aller Individualität der drei Musizierenden hat auch die Jury des Münchner ARD-Wettbewerbs überzeugt. 2023 gewann das Amelio Trio den zweiten Preis.

In Icking wird es am Samstag, 3. Mai, von 16 Uhr an, das 1978 entstandene Klaviertrio von Gerhard Müller-Hornbach spielen und es neben das Trio des genialen Exzentrikers Charles Ives setzen. Ives’ in Deutschland selten aufgeführtes Klaviertrio ist ein wunderbares Beispiel für seinen Spaß an der Montage, die avantgardistische Kompositionstechniken mit Zitaten nordamerikanischer Volksmusik verbindet. Zwei gewichtige, atonale Werke also. Ob das Publikum dies schätzt? „Manche Leute haben vielleicht Angst davor, aber sie können sich darauf verlassen, dass wir das selbst gehört haben und gut finden. Und oft ist es so, dass die Leute nachher zu uns kommen und meinen, das moderne Stück hat ihnen am besten gefallen“, sagt Gaebel. Mit Antonín Dvořáks f-Moll-Trio rundet das Amelio Trio sein Programm romantisch-expressiv ab.

Das Cuarteto Quiroga - hier mit Veronika Hagen (2.v.l.) - war schon häufiger im Landkreis zu hören
Das Cuarteto Quiroga - hier mit Veronika Hagen (2.v.l.) - war schon häufiger im Landkreis zu hören (Foto: Igor Studio HR)

Auf eine richtige Fan-Gemeinschaft könne sich das Cuarteto Quiroga in Icking einstellen, sagt Bettina Gaebel. Denn das spanische Streichquartett, international gefragt und gefeiert, ist nicht zum ersten Mal in der Gegend. Ebenfalls am Samstag, 3. Mai, von 19.30 Uhr an, wird das Quartett Mozarts drittes Haydn-Quartett spielen und dieses in Kontakt bringen mit einem Werk des Mozart-Generationsgenossen Manuel Canales. Weitere iberische Impulse liefert das vom Quiroga-Quartett vor sechs Jahren uraufgeführte „Los ojos del espejo“ (Die Augen des Spiegels) von Cecilia Díaz Pestano. Das d-Moll-Quartett der schwedischen Romantikerin Elfrida Andrée wird den meisten Hörerinnen und Hörern noch unbekannt sein. Es lohnt sich, es kennenzulernen.

Alleingelassen wird man ja ohnehin nicht mit den möglicherweise neuen Namen. Vor jedem Konzert gibt es eine kundige Einführung ins Programm, zwei davon vom begnadeten Kammermusik-Vermittler, Musikwissenschaftler und ehemaligen Henle-Verlagsleiter Wolf-Dieter Seiffert. Und schließlich kann man sich immer gegenseitig helfen beim Ickinger Frühling. Denn auch heuer öffnet zwischen den Konzerten das improvisierte Café im Gymnasium. Dort lässt sich bei Quiche und Kuchen über das Gehörte plaudern.

Zum  Beispiel über das ganz der Moderne gewidmete Programm des Quatuor Agate. Am Sonntag, 4. Mai, wird es von 11 Uhr an Stücke des 20. und 21. Jahrhunderts aufführen. So Erich Wolfgang Korngolds Opus 34, in dem der Exil-Komponist einige Themen verwendet, die man aus seinen Filmmusiken kennen könnte. Einen stärkeren Kontrast zu Korngolds sanfter Nostalgie hätte man kaum finden können: Schostakowitschs achtes Streichquartett, berühmt für seine unerbittliche Dramatik. Auch Germaine Tailleferres exquisiter Gattungsbeitrag steht auf dem Programm und das 2022 uraufgeführte „Disappearance of Lisa Gherardini“. Das Stück von Dinuk Wijeratne setzt den spektakulären Raub der Mona Lisa von 1911 um in ein fesselndes, witziges Stück Musik mit performativen Elementen – eine Möglichkeit, sich von zeitgenössischer Musik begeistern zu lassen.

Die Tradition, besonders junge Talente vorzustellen, behält das Festival bei. Von 14 Uhr an spielen die Brüder Moritz Defregger (Violine) und Lenz Defregger (Cello) als duo molede. Die am Salzburger Mozarteum studierenden Jungtalente führen neben klassischem Repertoire auch selbst Komponiertes auf.

Den Festival-Abschluss macht das 2019 in Hamburg gegründete Trio E.T.A. Es ist nach dem romantischen Universalgenie E.T.A. Hoffmann benannt, dessen Vielseitigkeit das junge Ensemble inspiriert. Facettenreich gestaltet es auch sein Ickinger Programm. Mit dem vor wenigen Wochen im Kleinen Saal der Elbphilharmonie aufgeführten Klaviertrio der Münchner Professorin Isabel Mundry, mit Alfred Schnittkes vielfarbigem, aphoristisch brillantem Trio und Felix Mendelssohn Bartholdys Opus 49.

Für finanziell weniger betuchte Gäste gibt es diesmal Eintrittskarten zu 25 Euro

Eine Neuerung gibt es bei den Konzertkarten. Anstatt nach Platzkategorien zu unterscheiden, was im recht kleinen, akustisch überall soliden Saal sowieso nicht notwendig ist, gibt das Festival eine Entscheidungsmöglichkeit. So gibt es normale Tickets zu 34 Euro, aber auch Eintrittskarten für finanziell schwächere Personen zu 25 Euro. Die Abonnements für alle vier Konzerte kosten 105, respektive 77 Euro.

Bettina Gaebel und ihrem Team ist es in diesem Jahr wieder gelungen, ein faszinierendes, mutiges, vielversprechendes Programm zu organisieren, trotz abnehmender öffentlicher und privater Förderung. Dass das nicht einfach ist, gibt sie selbst zu: „Jedes Jahr in den Vorbereitungen denke ich: Was machen wir hier eigentlich Wahnsinniges? Es ist ein Kraftakt. Aber nach dem Festival sitzen wir dann zusammen und sagen, dass wir’s nochmal machen.“ Zum Glück.

Ickinger Frühling, 3./4. Mai, Konzertsaal des Rilke-Gymnasiums Icking. Weitere Informationen und Karten unter www.klangwelt-klassik.de. Karten auch via Telefon unter 08178 7171 oder via Mail an ticket@klangwelt-klassik.de

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