Wertstoffbörse in Icking:"Unsere Ressourcen sind endlich"

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Die Wertstoffbörse auf dem Ickinger Wertstoffhof, hier mit Beatrice Wagner, Felicitas Martini, Herbert J. Süßmeier und Thomas Martin (v.li.), ist ein Beispiel für ein nachhaltiges Projekt. Weitere werden derzeit gesucht. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Vieles, das auf dem Müll landet, ist eigentlich noch gut. Auf dem Ickinger Werstoffhof gibt es dafür nun einen Bauwagen - zur Probe.

Von Marie Heßlinger, Icking

Ein Fahrrad, ein Korb, ein Tisch und ein Ledersessel warten vor dem blauen Bauwagen auf dem Wertstoffhof. Drinnen sieht es aus wie in einem Kinderzimmer. Von der Decke schwebt ein Heißluftballon aus rosafarbenem Stoff - ein Lampenschirm. In einem Regal ist eine Miniatur-Eisenbahn in einem Kreisel zur Abfahrt bereit. In einer Ecke lehnt ein Snowboard, und auf dem Boden stehen Damenschuhe neben Inline-Skates. All diese Dinge wären vermutlich im Müll gelandet. Hätten sie nicht auf dem Wertstoffhof in Icking eine zweite Chance bekommen.

"Wertstoffbörse": So heißt das Projekt, das eine Gruppe von Umweltschützern um den Bund Naturschutz und den Verein "Appell" ins Leben gerufen hat. In dem blauen Bauwagen in der Nähe des Ickinger Bahnhofs können Menschen Dinge dalassen, die eigentlich noch zu gut sind für den Wertstoffhof. Und jene, die gerade etwas im Wertstoffhof entsorgen, können dort Schätze entdecken und kostenlos mitnehmen. Der Bauwagen steht in Icking allerdings erst einmal nur auf Probe. Denn der Gemeinderat hat noch Vorbehalte.

Der Bund Naturschutz hat einen Bauwagen auf dem Wertstoffhof eröffnet, in dem Bürger ihre alten, aber gut erhaltenen Sachen abgeben können, die andernfalls auf dem Müll landen würden. Möbel, Sportgeräte, Bücher oder Spielsachen wurden schon abgegeben und mitgenommen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Bauwagen könnte zu einer Mülldeponie ausarten, befürchtet der Gemeinderat. Deshalb hat er Bedingungen gestellt. Erstens: Der Bauwagen muss stets von ehrenamtlichem Personal bewacht werden, damit kein unerwünschter Schrott darin landet. Zweitens: Er darf erst einmal nur für ein paar Monate auf dem Ickinger Wertstoffhof parken. Ein Grund dafür ist auch, dass der Bauwagen ab einer Parkdauer von drei Monaten eine Baugenehmigung bräuchte, wenn er an derselben Stelle bleibt. Diese möchte die Gemeinde jedoch erst beantragen, wenn sich das Projekt bewährt hat. Für die Umweltschützer stellten die Bedingungen eine Herausforderung dar. Noch im April sah es so aus, als müssten sie ihre Idee einer Wertstoffbörse deshalb wieder begraben.

Die Mitglieder von Bund Naturschutz und Appell sahen sich weder zeitlich dazu in der Lage, ständig anwesend zu sein. Noch konnten sie den Bauwagen für 2000 Euro kaufen - mit der Aussicht, ihn nach drei Monaten möglicherweise wieder aufgeben zu müssen. Nun jedoch haben sie doch einen Weg gefunden, sich mit den Vorgaben zu arrangieren.

Thomas Martin heißt der Sponsor, der die Bauwagenmiete für drei Monate gespendet hat. Der Wolfratshauser sitzt an einem heißen Sommertag in einem grünen Ledersessel mit Rollen auf dem Wertstoffhof vor dem blauen Container und lädt die Menschen ein, in den Bauwagen zu gucken. Der Bauwagenbesitzer, ein Bauunternehmer, hat sich bereit erklärt, den Wagen zunächst für drei Monate abzugeben. Sollte die Probezeit überstanden und das Projekt vom Gemeinderat genehmigt werden, soll möglicherweise eine Crowdfunding-Aktion helfen, den Bauwagen ganz zu kaufen.

Vor allem für Kinder hält die "Wertstoffbörse" einige Schätze bereit. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Gut möglich, dass sich dann einige Spender finden lassen. Das Interesse auf dem Wertstoffhof jedenfalls ist groß. Ständig kommen Leute und gucken. "Vielleicht können Sie auch etwas gebrauchen", lädt Thomas Martin ein. "Schauen Sie doch mal rein!" Eine Frau betritt mit Schlittschuhen in der Hand den Bauwagen, eine andere kommt mit leeren Händen wieder raus. "Das ist eine tolle Idee!", lobt sie.

Viele Sachen würde sie wegwerfen, weil der Aufwand zu groß sei, sie anderweitig wieder zu verwerten. "Ich mache mir nicht die Mühe, das auf Ebay zu verticken." Beatrice Wagner, Vorsitzende des Bund Naturschutz Icking, reicht ihr ein hellblaues Büchlein. Das Gästebuch. Bereits jetzt, nach nur einem Monat, finden sich einige Lobesworte darin. Und auch Wagner wirkt zufrieden.

Bis jetzt habe man noch nichts wegwerfen müssen von all den Dingen, die schon im Bauwagen gelandet seien, sagt sie. Alles sei weggekommen. Auch Wagner hat sich in den Schichtplan der insgesamt acht Ehrenamtlichen eingetragen, die nun mittwochs und samstags, und auch bald freitags, den Wagen überwachen werden. Einmal habe sie eine Schicht nicht antreten können, sagt Wagner - das nächste Mal sei das gesamte Sortiment darin schon komplett neu gewesen, so viel hätten die Menschen mitgenommen und mitgebracht.

Als die Wertstoffbörse Anfang Juni eröffnet wurde, bestückte ihn der Mitarbeiter des Wertstoffhofes mit ein paar gesammelten Schätzen - ein Vogelhäuschen war dabei, eine Schneeschippe, ein Spaten. Bald schon kamen weitere kuriose Gegenstände dazu. Die braunen Tüten etwa, in denen US-Amerikaner auf der Straße ihren Alkohol verbergen. Oder Golfschläger und Rollschuhe. Offiziell ist es verboten, Dinge vom Wertstoffhof mitzunehmen. Im blauen Bauwagen wird es legal. Bloß Elektrogeräte dürfen dort nicht aufbewahrt werden.

"Das Wichtigste ist, dass die Leute etwas lernen"

Weil es bislang mit der Wertstoffbörse so ordentlich zugeht, hoffen Wagner und ihr Team, dass sie auf lange Sicht vielleicht doch nicht dauernd anwesend sein müssen. Das aber wird sich frühestens nach der Probezeit entscheiden, die mindestens bis Ende August dauern wird.

So oder so dürfte sich die Aktion aus Sicht der Umweltschützer bereits jetzt gelohnt haben. "Das Wichtigste ist, dass die Leute etwas lernen", sagt Felicitas Martini, die sich als stellvertretende Vorsitzende des Bund Naturschutz ebenfalls bei der Aktion beteiligt. "Unsere Ressourcen sind endlich", sagt Herbert Süßmeier, Geschäftsführer von Appell.

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