Süddeutsche Zeitung

Ickinger Wahlkampf eskaliert:Angriff gegen Cornelia Zechmeister

In Icking besprühen Unbekannte das Porträt der Bürgermeisterkandidatin mit einem schwarzen Kreuz und hängen es kopfüber nach Galgenart an die Maibäume. Die Polizei ermittelt.

Von Claudia Koestler

Eine Gemeinde steht unter Schock. "Es ist unfassbar, so etwas gab es bislang in Icking nicht": Bürgermeisterin Margit Menrad (UBI) ringt hörbar um Fassung, als sie von eine "neuen Dimension eines politischen Angriffs" in der Isartalgemeinde spricht, der ein polizeiliches Nachspiel haben wird. In der Nacht zum Freitag haben bislang Unbekannte an zwei Maibäumen das Porträt von Cornelia Zechmeister, Bauamtsleiterin und Bürgermeisterkandidatin der Parteifreien Wählergemeinschaft (PWG) für Icking, kopfüber nach Galgenart aufgehängt und mit einem großen, schwarzen Kreuz besprüht. "So etwas hat niemand verdient", entsetzt sich Menrad, "das geht in die rechte Ecke, das kommt für mich einer Morddrohung gleich", sagt sie. Zudem entfernten die Täter fast alle Plakate von Zechmeister aus dem Gemeindegebiet, insgesamt mehr als 20 Stück. Der PWG-Vorsitzende Matthias Ertl bestätigt, dass die Gruppierung und Zechmeister selbst Anzeige erstattet haben und spricht von einem "Anschlag aus politischen Motiven", zu dem nun ermittelt werde.

Zechmeister selbst ist "geschockt" von dem Vorfall und bewertet es "definitiv als Bedrohung". Insbesondere das schwarze Kreuz "ist für mich als Christin eine gravierende Botschaft, ich sehe es als Grabkreuz." In vielen Jahren ihres politischen Engagements habe sie "so etwas noch nie erlebt". Auch wenn die Situation nun eine starke nervliche Belastung für sie sei, "unterkriegen lasse ich mich nicht", betont Zechmeister.

"Wir sind völlig entsetzt, weil ich in 24 Jahren im Gemeinderat so etwas noch nicht erlebt habe", erklärt auch Ertl. Als erste Konsequenz zieht sich die Wählergruppierung nun komplett aus dem Plakate-Wahlkampf zurück. Zwar seien die Ständer mit den Gruppenbildern der PWG nicht von dem Anschlag betroffen gewesen, doch sie wollen sich mit ihrer Spitzenkandidatin solidarisch erklären. "Wir stehen für ein Miteinander ein, und da gehört dazu, dass wir jetzt ein Zeichen setzen", sagt Ertl. Außerdem bliebe ihnen sowieso keine Zeit mehr, neue Plakate zu drucken und aufzustellen.

Der offenbar gezielte Anschlag gegen Zechmeisters Plakate ist zwar der bislang dramatischste Vorfall, beileibe aber nicht der einzige in Icking. Denn auch andere Parteien und Gruppierungen sind von immer heftiger werdendem Vandalismus und mutwilligen Zerstörungen betroffen. Kaputte Plakatständer liegen auf den Gehwegen herum, halbe Kandidatengesichter lächeln von zerfetztem und beschmiertem Papier. So zerschnitten jüngst Unbekannte das Konterfei von Beatrice Wagner, Spitzenkandidatin der SPD in der Isartalgemeinde, auf mehreren Plakaten. Auch Laura von Beckerath-Leismüller, Aspirantin der Grünen auf den Chefposten im Rathaus, traf es: Auf ihren Plakaten hatten Unbekannte ihre Augen ausgestochen. Die Unabhängige Bürgerliste Ickings, kurz UBI, wurde ebenso wenig verschont, Plakate wurden umgeworfen oder übermalt. "Aber wir haben bislang kein großes Aufhebens darum gemacht", erklärt Claudia Roederstein. Was nun aber mit der Kollegin Zechmeister passiert sei, sei "eine noch mal ganz andere Liga" und habe mit politischer Meinungsäußerung nichts mehr zu tun, auch nicht mit einem Dumme-Jungen-Streich. Das sieht Ertl genauso: "Dass Plakate umgeworfen oder Bärtchen auf Gesichter gemalt werden, ja, das kennt man. Aber eine solche Aktion? Nein, das geht viel zu weit." Dabei will er gar nicht vom materiellen Schaden sprechen, der wohl bei mehreren hundert Euro liegen dürfte.

Die Täter müssen sich auf den Anschlag vorbereitet haben, sagt Ertl. Denn ihm zufolge waren die Plakate allesamt festgeschraubt respektive mit stabilem Draht befestigt und weitläufig im Gemeindegebiet verteilt. Sie so komplett abzuräumen, dass lediglich zwei übrig blieben, brauche Ortskenntnis. "In ein normales Auto gehen die dann auch nicht rein", fügt er an. Zudem brachten die Täter Schnüre mit, schwarze Farbe und eine Bohrmaschine, um die Plakate an den Maibäumen Dorfen und Irschenhausen aufzuziehen. In Pullach, Heimatgemeinde von Cornelia Zechmeister, seien einzelne Plakate am Freitag wieder aufgetaucht. Die Täter müssen in Icking nach zwei Uhr morgens unterwegs gewesen sein, sagt Ertl. Denn zu dem Zeitpunkt habe eine Faschingsveranstaltung in der Kommune geendet, und auf dem Nachhauseweg sei noch alles in Ordnung gewesen. Zechmeister hofft, dass die Täter vielleicht beobachtet wurden und sich nun Zeugen melden.

Menrad sagt, sie schockiere die Tat umso mehr, als gerade die Bilder vom Anschlag von Hanau im Kopf seien, und auch erst kürzlich der Anschlag von Halle gezeigt habe, wie groß die Gefahr durch gewaltbereite Extremisten ist. "Ich dachte lange, in Icking gibt es ein gutes, friedliches Zusammenleben. Aber es zeigt sich auch bei uns immer mehr, wie sehr sich die Gesellschaft verändert, wie immer öfters Grenzen überschritten werden."

Eine solche Grenzüberschreitung hat die Gemeinde erst vor kurzem bei der Diskussion um den Mobilfunkausbau erlebt: Eine Bürgerin, die ein Grundstück für einen Funkmasten - noch dazu an einer besonders strahlenminimierenden Stelle - bereit gestellt hätte, erhielt Morddrohungen am Telefon, so dass sie ihr Angebot letztlich zurückzog. Der Ickinger Gemeinderat stand daraufhin geschlossen auf und damit symbolisch schützend vor ihre Bürger. Nun aber sieht sich die Kommune erneut einer Eskalation gegenüber.

"Wahlkampf darf sich nicht so entwickeln, und auch unser Umgang miteinander darf nicht so sein", betont Menrad. Alle vier Kandidatinnen für den Rathausposten hätten den Mut aufgebracht, sich für ihre Mitmenschen zu engagieren, sich öffentlich zu präsentieren und zur Wahl zu stellen. "Das alleine gebührt Respekt, und jeder ist frei, seine Meinung dazu klar am 15. März bei der Wahl auszudrücken. Dadurch, dass er wählt, und nicht durch solche Anschläge!"

Ertl will sich nun erst einmal mit seinen Kollegen der Gruppierung sammeln, die weiteren Schritte überlegen und sich mit den Ickinger Fraktionen kurzschließen. "Wenn die PWG ihre Plakate komplett abhängt, sind wir von der UBI auch dabei", kündigt Roederstein bereits an. Das gebühre die Fairness, "und wir erklären uns natürlich auch solidarisch mit der Mitbewerberin Zechmeister." Ertl wiederum bringt es so auf den Punkt: "Kein Wahlkampf ist wichtiger als das Miteinander."

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