Icking:Stiff lip und heiße Kartoffel

Icking: Sven Kemmler mit "Englischstunde - to fuck or not to be".

Sven Kemmler mit "Englischstunde - to fuck or not to be".

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Sven Kemmler unterrichtet unterm Apfelbaum Englisch

Von Wolfgang Schäl, Icking

Sprache, zumal die englische, ist was Wunderbares. Sie ist so geduldig, sie lässt sich alles gefallen, sie ist Medium auch für all jene, die eigentlich weit davon entfernt sind, sie zu beherrschen. Jedenfalls was die hochoffizielle Oxford-Version betrifft, die mit der steifen Oberlippe. Ganz zu schweigen von Shakespeares verbalen Höhenflügen. Die gewaltige Spannbreite zwischen dem Schulenglisch und seinen weltweiten Verirrungen und Verwirrungen ist für den Münchner Kabarettisten Sven Kemmler ein überaus fruchtbares Feld, das er engagiert und wortgewaltig bearbeitet, und dabei gräbt er allerlei schrille Kuriositäten aus. Mit seriöser Sprachvermittlung hat diese sehr spezielle Lektion wenig bis nichts zu tun, dafür sehr viel mit Spaß, mit eigenen Erfahrungen und Beobachtungen, die Kemmler aufs Allervergnüglichste auf die Bühne transportiert - nunmehr im Zelt des Irschenhauser Theatervereins "Gesellschaft unterm Apfelbaum".

"Englischstunde - to fuck or not to be" ist das Programm überschrieben, das er erstmals bei der Münchner Lach- und Schießgesellschaft aufgeführt hat. Es gehe ihm doch nur darum, die Hemmschwelle für Englisch zu senken, sagt Schlitzohr Kemmler seinem deutschen Publikum - "schließlich kennt doch jeder jemanden, der es besser kann. Oder es zumindest glaubt". Aber das macht auch nichts, denn 95 Prozent des Wortschatzes benötige man sowieso nicht, und den Rest könne man sich jeweils nach Bedarf zurechtbiegen. Merke: "Warum sollte man sich denn selber ändern, viel besser ist es doch, ein Wort zu verändern, so oft, bis man es aussprechen kann."

Und auch was den Satzbau betrifft, ist international alles erlaubt, solange nur der Zweck erfüllt ist. Englisch, das nicht zu unterbieten ist. Kemmler demonstriert diesen reduzierten Anspruch detailliert und urkomisch am Thai-Sprech und seinem "eingeschränkten Werkzeug". Klar, dass außerhalb Thailands diese maximale Verballhornung keiner versteht, ist aber auch egal. Hauptsache, man kann sich untereinander vermitteln. Und was Kemmler betrifft: Der wiederholte Szenenapplaus für eine schauspielerische und stimmliche Glanzleistung ist ihm sicher.

So führt die virtuos inszenierte Lektion denn von der Thai-Ausformung zum "urban american English", das sich nach Kemmlers glaubwürdiger Vermittlung auf die verschiedenen Bedeutungsebenen des Wortes "fuck" reduzieren lässt, danach in die amerikanischen Südstaaten mit ihrem höchst speziellen Idiom. Dessen Ausformungen muss man sich Kemmler zufolge als eine lautlich-bildliche Kombination vorstellen: Jemand redet, als ob er eine heiße Kartoffel im Mund hätte, und das, was er unter solchen erschwerten Umständen artikuliert, wird von einem eiernden Plattenspieler abgenudelt. Kemmler beschreibt das nicht nur, er macht es grandios vor, und es klingt ganz genau so: wie eine heiße Kartoffel und ein Plattenspieler, der eiert.

Nicht weniger schräg: der voll süße US-Girlie-Talk ("gelebte Idiotie"), gefolgt von einem gestisch monumental-düsteren Japaner-Auftritt und mildem Spott für die Schotten, denen unzweifelhaft Kemmlers Sympathie gilt. Das hat nicht zuletzt einen Grund: "Die reden Englisch ungefähr so wie wir Deutschen."

Nach alledem muss man sich nicht wundern, dass nicht einmal das Oxford-Englisch, das mit der stiff upper lip, Kemmlers Spott entgeht, ja es ist sogar eine der lustigsten Passagen seiner eindrucksvollen Schulstunde. Das müsse sich anhören, als hätte der englische Engländer Polypen in der Nase und sei vom gesamten Gestus her geprägt von einer immerwährenden höflichen Abscheu. "So als würde er einem süßen Kind zuschauen, das gerade einen Regenwurm verspeist." Fazit: Lehrreicher und amüsanter kann so eine fucking Englisch-Lektion nicht sein.

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