Klar, die Welt braucht mehr erneuerbare Energie. Doch wenn Freiflächen-Photovoltaikanlagen plötzlich vor der Haustür stehen und alles zupflastern, sieht die Sache schon wieder anders aus. In Babyschritten nähert sich die Gemeinde Icking dem Thema. Gegen die geplante Anlage in Attenhausen nahe der Wohnbebauung liefen die Anwohner erfolgreich Sturm, über das Projekt an der B11 wird wegen der Ortsbildverträglichkeit vehement gestritten. Es geht hin und her, vor und zurück. Die Gemeinde will alles richtig machen und die Mehrheit der Bürger hinter sich wissen. Die beäugen das Ganze mit Argusaugen, wie auch die jüngste Gemeinderatssitzung wieder zeigte, in der die Zuhörerstühle kaum ausreichten.
Doch nun droht der Kommune neues Ungemach, wenn sie weiter vor allem mit Überlegen beschäftigt ist. Denn die Bundesregierung hat zur Jahreswende ein neues Gesetz beschlossen, das die Anlagen privilegiert und das Genehmigungsverfahren erheblich vereinfacht. Die planerische Hoheit ist den Gemeinden damit zumindest teilweise aus den Händen genommen, Anlagen könnten beliebig entstehen. "Es gibt bestimmte Bereiche, wo ohne Beschluss des Gemeinderats Baurecht entstehen kann", warnte Bürgermeisterin Verena Reithmann (UBI), auch wenn sich die Privilegierung bis jetzt vor allem auf den 200-Meter-Korridor an der Autobahn beziehe.
Nahe der Autobahn gibt es bereits einen Solarpark auf Ickinger Flur.
(Foto: Hartmut Pöstges)Experten halten es für wahrscheinlich, dass die Flächen wegen des Energiewendedrucks künftig noch ausgeweitet werden. Unabhängig davon gibt es wohl bereits ein konkret in Frage kommendes Grundstück, über das die Räte im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung diskutierten und von dem die Öffentlichkeit in der nächsten Bürgerversammlung erfahren soll.
Die Gemeinde will ihren Kurs ändern. Bislang war es so, dass sie von Projektentwicklern mit einem konkreten Antrag in Zugzwang gebracht wurde. Nun will sie proaktiv selbst die möglichen Flächen ausweisen, ähnlich wie bereits beim Reizthema Mobilfunk gehandhabt. Es gehe um die Frage, wo PV-Anlagen vorstellbar und realisierbar oder aus ortsgestalterischen Gründen eben nicht vertretbar seien, sagte Reithmann, die sich auch von der Dauerdiskussion befreien möchte, dass kleinteilige Stromanlagen auf den Hausdächern doch eigentlich reichen müssten, wenn nur genügend nachrüsten würden.
"Wir haben keine Glaskugel, niemand kann den konkreten Energieverbrauch in 20 Jahren vorhersagen", unterstrich sie und mahnte: "Wir müssen jetzt eine robuste Entscheidung treffen." Die Räte sahen das ähnlich und beschlossen, umgehend das Gemeindegebiet nach möglichen Flächen zu durchleuchten.
Verena Reithmann ist Bürgermeisterin in Icking.
(Foto: Hartmut Pöstges)Dass man dafür unbedingt einen unabhängigen Planer einschalten müsse, wie von Vigdis Nipperdey (Ickinger Initiative) hartnäckig vorgebracht, war für die Mehrheit aus Zeitgründen nicht schlüssig. Auch wollte sich das Gremium nicht das Know-how absprechen lassen, selbst die geeigneten Flächen ausfindig zu machen. Die Schleife mit dem Planer koste ein Extra-Jahr, wandte Stefan Schneider ein. "In zwei, drei Jahren wird uns die Privilegierung überholen und wir haben keine Handhabe mehr", meinte auch Georg Linsinger (beide UBI).
Die Grünen pochten darauf, die Energiefrage nicht wieder einschlafen zu lassen. "Es ist schade, wenn es so vor sich hinsandelt, es ist doch von großem Interesse, wie es weitergeht", mahnte Laura von Beckerath-Leismüller. Beschlossen wurde noch, zusammen mit dem Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum einen Teilflächennutzungsplan zu erstellen, der die baurechtliche Seite regelt.
Laura Leismüller-von Beckerath pochte darauf, das Thema nicht einschlafen zu lassen.
(Foto: Hartmut Pöstges)Das Thema Freiflächen-Photovoltaik stand in der Sitzung noch ein weiteres Mal auf der Tagesordnung. So gut wie beschlossen ist eine Anlage auf der alten Geothermiefläche am Waldrand bei Attenhausen. Die Gemeinde schuf mit einer Änderung des Bebauungsplans die rechtlichen Voraussetzungen dafür. Die Energiegenossenschaft Icking-Isartal möchte das Projekt durchziehen. Der ursprüngliche Antragsteller Vispiron war wieder abgesprungen, nachdem er den von der Gemeinde ihm auferlegten Kriterienkatalog nicht anerkennen wollte.