Schuljubiläum:Beseelt vom "Ickinger Geist"

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Gelungenes Zusammenspiel: Das Streichorchester unter der Leitung von Veronika Matschmann eröffnet den Festakt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Das Rainer-Maria-Rilke-Gymnasium feiert sein hundertjähriges Bestehen mit großem Aufwand, vielen Anekdoten - und einem überraschenden Festredner.

Von Susanne Hauck, Icking

Ob Schulleiter Stefan Nirschl am Samstag aus Angst vor einer Störung der Feier schon morgens um sieben einmal ums Haus geschlichen ist, um nach dem Rechten zu sehen, weiß nur er selbst. Es kann nämlich durchaus vorkommen, dass über Nacht plötzlich Schmähschriften auf dem Schulgemäuer stehen, darauf haben die Festmoderatoren Matthias Supé (Abiturjahrgang 1996) und Marie Kronawitter (Q12) beim Festakt am Samstag hingewiesen. So etwa 1993 zur Einweihung der neuen Turnhalle, zu der sich Edmund Stoiber angesagt hatte, der damals kurz vor der Ernennung zum Ministerpräsidenten stand. In der Früh wurde entdeckt, dass eine freche Schülerhand "Stoiber raus" auf die Wand geschrieben hatte, das Entsetzen war groß. Auf die Schnelle musste der Kunstleistungskurs anrücken, weil der ja schließlich malen konnte, um die Parole zu überstreichen.

Am Samstag blieben die Ehrengäste unbehelligt. Kultusminister Michael Piazolo konnte beim Jubiläumsfestakt zum 100. Geburtstag des Rainer-Maria-Rilke-Gymnasiums in Ruhe gratulieren. Vier ehemalige Schulleiter - Astrid Barbeau, Hans Härtl, Winfried Steflbauer und Günter Miller - waren zu der großen Feier gekommen, die coronabedingt mit einem Jahr Verspätung nachgeholt wurde.

Matthias Supé, Abiturjahrgang 1996, und Marie Kronawitter (Q12) moderieren den Festakt. (Foto: Hartmut Pöstges)
Auch Kultusminister Michael Piazolo gratuliert. (Foto: Hartmut Pöstges)
Tanzeinlagen lockern die Ansprachen auf. (Foto: Hartmut Pöstges)

Den vielbeschworenen "Ickinger Geist" zitierte Schulleiter Nirschl in seinem anekdotenreichen Rückblick auf die Schulgeschichte. Schon die Gründung war demnach reichlich ungewöhnlich, als 1921 ein paar Eltern ihren Kindern eine höhere Bildung ermöglichen wollten und dafür den Lehrer Alfred Vogel engagierten - obwohl das Kloster Schäftlarn eigentlich um die Ecke lag und auch die Gymnasien in München mit dem Zug erreichbar waren. Aber in Icking war bereits der Fortschritt eingezogen - Knaben und Mädchen, Protestanten und Katholiken sollten zusammen unterrichtet werden.

Anfangs gab es nur einen Raum in einem Bauernhaus Richtung Isar, und die behördliche Genehmigung ließ wegen "hygienischer Mängel" auf sich warten, weil nicht nur 22 Kinder ein- und ausgingen, sondern auch Katzen und Hühner. Immer hätten alle zusammengeholfen, sagte Nirschl, auch später, als ein Mörlbacher Vater der Schule die "Bullrich-Villa" im Ort überließ oder als Anfang der 1950er Jahre Direktor Walter Niklas zum Bauern und damaligen Ickinger Bürgermeister Johann Pischeltsrieder ging, um ihm ein Grundstück für ein neues Gebäude günstig abzukaufen: Eltern borgten Geld, Schüler packten beim Renovieren mit an, Lehrer verzichteten auch mal aufs Gehalt.

Es gehört dazu, dass bei Festakten gratuliert, geehrt und gedankt wird, vom Landrat, von der Bürgermeisterin, vom Elternbeirat, vom Förderverein, vom Schülersprecher. Tempo in die dreistündige Veranstaltung mit zehn Ansprachen brachten die Schülerinnen und Schüler aller Jahrgangsstufen mit überzeugenden tänzerischen und musikalischen Einlagen. Wer allen Rednern des Tages dann glatt die Schau stahl, war ein Ehemaliger: Peter Raue (Abiturjahrgang 1961) erzählte mit so viel Witz und Menschlichkeit aus seiner Schulzeit in Icking, bis das Publikum Tränen lachte.

Der prominente Rechtsanwalt und Kunstliebhaber erinnerte sich noch an die "martialische Rede" von Direktor Niklas, den alle "Boss" nannten, der den verschüchterten Neulingen am ersten Schultag erklärte, was sie alles zu tun und zu lassen hätten, um sie dann ins Klassenzimmer zu schicken - 1951 noch Baracken, wo die Schüler im Winter vor Kälte den Stift nicht halten konnten, aber dafür wenigstens keine Exen schreiben mussten. Die Schulzeit war trotzdem schön: "Zehn glückliche Jahre habe ich hier verlebt", sagte Raue, der daraufhin zum allgemeinen Jubel zur Ickinger Hymne "Ickinger samma" ansetzte, wie sie einst von den legendären Sportlehrern "Kitt" Herrmann und Lisl Bertsch gern im Skilift angestimmt wurde. Es gab aber auch Nachdenkliches. Raue erinnerte an die Abiturrede, die er einst gehalten hatte. Als er zu fragen wagte, warum das Dritte Reich im Geschichtsunterricht gefehlt hätte, sei der "Boss" wütend auf die Bühne gestürmt.

Schön viel Feuerzangenbowle also. Am Festtag wurde das Rad der Geschichte aber nicht nur zurückgedreht, wie Stefan Nirschl sagte, sondern auch ein Blick in die Zukunft getan. Nirschl verwies auf die Bedeutung der weiteren Digitalisierung und den steigenden Raumbedarf aufgrund des wiedereingeführten G9. Das Schreckgespenst neuer Baustellen in einer durchsanierten Schule brachte Landrat Josef Niedermaier (CSU) dazu, allerhand launige Überlegungen über weitere Investitionen in das mit 800 Schülern kleinste der drei staatlichen Gymnasien im Landkreis anzustellen, das auch von vielen Schülern aus den angrenzenden Landkreisen Starnberg und München besucht wird. Für den Ort jedenfalls habe die Schule eine "einzigartige Bedeutung", unterstrich Ickings Bürgermeisterin Verena Reithmann (UBI).

Auf dem gesamten Schulgelände gibt es Aktionen und Mitmachangebote. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Am Nachmittag folgte ein buntes großes Schulfest, bei dem die Fachschaften und Schul-AGs mit einem beeindruckenden Programm (rund 50 Angebote) Einblicke in das vielfältige Schulleben gewährten. Bands spielten, es gab Ausstellungen, Mitmachprojekte und Sportangebote.

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