Icking:Ein Abend voller Überraschungen

Icking: Präsentierten mit kindlicher Begeisterung ihre neuesten Schätze: Quadro Nuevo hat in seinem Programm eine Reise nach Buenos Aires verarbeitet.

Präsentierten mit kindlicher Begeisterung ihre neuesten Schätze: Quadro Nuevo hat in seinem Programm eine Reise nach Buenos Aires verarbeitet.

(Foto: Hartmut Pöstges)

"Quadro Nuevo" überzeugt im Dorfener Vereineheim mehr denn je mit Spielfreude und Entdeckungshunger

Von Claudia Koestler, Icking

Schon klar: Man hört den Namen und glaubt bereits zu wissen, worauf man sich einlässt. Oder? Am Donnerstag und Freitag gastierten Quadro Nuevo im Dorfener Vereineheim. "Frisch aus Argentinien eingetroffen", wie Veranstalter Wolfgang Ramadan erklärte, und auf dem Programm stand deshalb natürlich - Tango. Nun touren Quadro Nuevo seit über 20 Jahren, regelmäßig werden Mulo Francel, Andreas Hinterseher, DD Lowka und Evelyn Huber für ihre Konzerte gefeiert, die immer wieder Erlebnisse sind. Herrlich, einzigartig, wunderbar - aber eben auch schwer zu steigern. Wie kann die zu erwartende, weltmusikalische Tonpoesie in Perfektion also überraschen?

Durchaus, sie kann. Das war so im ausverkauften und trotzdem intimen Dorfener Vereineheim. Die erste Überraschung: Quadro Nuevo ist derzeit ein Quintett. Der Jazz-Pianist und Komponist Chris Gall ergänzt die Truppe ganz unaufgeregt, trotzdem pointiert und deshalb vortrefflich. Überraschung Nummer zwei: Die Titel, die sie an diesem Abend vortrugen, waren Neu- und Wiederentdeckungen, höchst persönlich ausgegrabene Kostbarkeiten, in denen sich einige wenige Eigenkompositionen problemlos einreihten. Und die dritte Überraschung: Zwar dominierte die Liebe in all ihren Facetten als Thema, doch auch recht alltägliche Dinge und Beobachtungen mündeten in Liedern voll meditativer Kraft, sinnlich-fiebriger Intensität oder gar hysterischer Getriebenheit, etwa in "Buenos Aires Taxi Drive". Die fünf Musiker bewegten sich zumeist auf dr Basis traditioneller Tango-Harmonien in den reizvollen Grauzonen von Jazz und gemäßigter Moderne. Spieltechnische Kultur der Alten Welt traf auf nonchalante Bravour Lateinamerikas.

Erwartbar? Ja, aber wie sie diese Eigenschaft auskosteten: Da gab es die rhythmischen und harmonischen Wendungen nebst irritierender Synkopen und schleichend-nebulösen Unbestimmtheiten. Staccati wechselten abrupt zu melancholischer Larmoyanz und fiebrigem Hitzeflirren in den Soli. Es gab die beliebten Tempo-Wechsel und Rubati - aber auch Brüche und energische Zäsuren. Und ja, auch den bewusste Verzicht auf das allzu gefällige Auswalzen beliebt-bekannter Themen zugunsten angedeuteter Zitate und verfremdeter Erinnerungsschnipsel. Genau deshalb aber wurden altbekannte Klassiker wie Piazollas "Oblivion" oder "Libertango" zu einem unerwartet spannenden Hörwunder. Überraschung Nummer vier: Quadro Nuevo sind mehr denn je spielfreudig und entdeckungshungrig unterwegs und nehmen sich selbst dabei niemals zu ernst, wenn sie mit fast kindlicher Begeisterung ihre neuesten Schätze präsentieren. Dass dazu noch Charme kommt, dazu müssen sie nicht mal die Spinatknödelflecken auf der Hose thematisieren oder die Geschichte von einem rupfig alten Seevogel erst erzählen, dann vertonen, der wie ein Hagestolz einer Möwe nachstellt. Man hätte sich ein solches Hörfest, das alle anderen Sinne mitreißt, also nicht schöner wünschen können und war dennoch verblüfft. Seele ist eben doch nie vorhersagbar, auch nicht in dieser Liga. Umso schöner, wenn sie doch hör- und spürbar wird.

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