Süddeutsche Zeitung

Icking/Berlin:"Zumutung für den Kulturstaat"

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Christoph Kessler schreibt an Angela Merkel und Markus Söder

Mehr Wertschätzung für die Kultur fordert der Ickinger Klassik-Veranstalter Christoph Kessler in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und weitere fünf Ministerinnen und Minister ein. "Ich bitte Sie dringend, die Kultur und deren Belange (...) nicht weiterhin zu vernachlässigen" und Veranstaltungen mit entsprechenden Hygienekonzepten wieder zuzulassen, schreibt Kessler. Ansonsten werde die Kultur "in Deutschland verkümmern und die Veranstalter in Depression verschwinden".

Derzeit setze sich die Regierung prioritär für die Belange der Wirtschaft ein, kritisiert Kessler. "Die Wirtschaft repräsentiert jedoch nicht unser gesamtes Leben." Kulturelle Veranstaltungen machten das Dasein nicht nur lebens- und liebenswert, sondern hätten ebenfalls eine "existenzielle" Bedeutung. Was Kessler am derzeitigen "Lockdown light", der mit einem totalen Kultur-Lockdown einhergeht, als "unerträglich" empfindet: "Die Kultur stirbt, während in Thüringen bei über 500er-Inzidenzien ohne Masken gesungen wird ,Oh, wie ist das schön', ohne dass Sanktionen oder Strafen stattfinden."

Die coronabedingten Einschränkungen bereiten seinen Worten nach gerade Klassik-Veranstaltern enorme Mühen. Im Gegensatz zu einem Gastronomen sei es für ihn nicht damit getan, nach dem Lockdown einfach wieder Lebensmittel einzukaufen. Er arbeite mit drei bis vier Jahren Vorlauf. Engagements müssten terminlich abgestimmt, Künstler langfristig verpflichtet werden. Gleiches gelte für die Reservierung von Räumlichkeiten, die Werbung und den Kartenverkauf. Derzeit plane er die "quartettissimo"-Saison 2023/24. "Und dann wird uns zugemutet, wenige Tage vor dem Konzert das Konzert abzusagen und für Ersatz zu sorgen. Ein Ding der Unmöglichkeit."

Eine große Zumutung sei dies nicht nur für Künstler und Veranstalter, sondern auch für die Konzertbesucher. "So bringt man die Kultur zum Zusammenbrechen." Der logistische und finanzielle Aufwand sei für einen gemeinnützigen Verein wie den seinen kaum zu stemmen. "Schauen Sie doch einmal in unsere Homepage", schreibt Kessler. "Dort finden Sie das Chaos mit all den vielen Verschiebungen, verursacht durch die Lockdown-Verordnungen. Und da sollen unsere Besucher noch Lust haben, unsere Veranstaltungen zu besuchen?" Ohne Langfristplanung müsse er viele Konzerte absagen. "Damit sind diese tot. Ein Verlust für unsere Kultur in Deutschland. Eine Zumutung für den Kulturstaat Deutschland und den Kultur-Freistaat Bayern."

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SZ vom 01.12.2020 / stsw
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