Geradezu spektakulär sind die Pläne des klassikbegeisterten Ehepaars Christoph und Susanne Kessler, die Stadt Bad Tölz zum Austragungsort eines internationalen Streichquartett-Wettbewerbs zu machen. Sie wollten unbedingt etwas für die Nachwuchsförderung tun, sagen sie, für junge aufstrebende Musiker, die im Lockdown kaum Möglichkeiten zum Auftritt hatten. "Mit diesem neuen Format wollen wir junge Quartette unterstützen", so Christoph Kessler bei einem Pressegespräch in seinem Haus in Dorfen. Er erwartet Bewerbungen aus 150 Musikhochschulen in ganz Europa, Russland und Israel. Bedingung: Kein Ensemblemitglied darf älter als 35 Jahre sein.
Im April 2023 soll der fürs Publikum frei zugängliche Wettbewerb mit acht ausgewählten Formationen erstmals über die Bühne gehen, für den Juryposten haben schon Mitglieder aus renommierten Streichquartetten zugesagt. Als Preisgeld für den ersten Platz loben die Kesslers die stolze Summe von 10 000 Euro aus, die sie aus ihrer Privatschatulle bezahlen. Die Sieger bekommen zudem eine Konzerttournee organisiert.
Die Kesslers sind echte Stehaufmännchen, die sich so schnell nicht unterkriegen lassen. Dabei haben sie schreckliche Monate hinter sich. Konzertabsagen, Zusagen, Verschiebungen, Umbuchungen, wieder Absagen. Alles wegen Corona. Die Pandemie führte Christoph und Susanne Kessler an ihre körperlichen Grenzen, auch weil sie doch ihre noch ganz junge Konzertreihe "Quartettissimo" mit internationalen Spitzen-Streichquartetten endlich aus den Kinderschuhen herausbringen wollten. "Eineinhalb Jahre Papierkram für nichts, das frustriert", seufzt Christoph Kessler. Tonnenweise hätten sie die bereits gedruckten Flyer wegwerfen müssen. Aufgeben wollte er trotzdem nicht. "Man darf es nicht so weit kommen lassen, dass man alles hinschmeißt. Nur wenn man Kontinuität garantiert, hat man die Chance, dass auch die Großen kommen."
Deshalb wäre es ihm und seiner Frau Susanne auch nicht im Traum eingefallen, die dritte "Quartettissimo"-Saison komplett sausen zu lassen. Die im Winter und Frühjahr ausgefallenen Konzerte werden jetzt gebündelt beim neuen Format "Tölzer Klassikgipfel" im Oktober nachgeholt. "So tolle Musik muss stattfinden", finden die Kesslers, die froh waren, die Termine mit den vielfach gebuchten Musikern aus aller Welt irgendwie unter einen Hut zu bringen.
Das Festival findet nun unter der Woche statt und beginnt mit dem französischen Quatuor Modigliani (Montag, 11. Oktober), das auf jahrhundertealten Instrumenten spielt und für die Kesslers zu den fünf weltweit besten Ensembles zählt. Das zweite Konzert gestaltet das ebenfalls herausragende Quartetto di Cremona aus Italien (Mittwoch, 13. Oktober), gefolgt vom jungen aufstrebenden Quatuor Van Kuijk aus Paris (Dienstag, 19. Oktober). Den Abschluss bilden die von Kessler als "Senkrechtstarter" bezeichneten Musiker des Marmen Quartets aus London (Donnerstag, 21. Oktober), die das Gehör des Tölzer Publikums mit modernen Klängen, aber auch dem "eindrucksvollsten Streichquartett Beethovens" erobern wollen. Dass das angekündigte Jerusalem Quartet im Herbst keinen Termin freimachen konnte, bedauern die Kesslers. Dafür haben die Top-Streicher für Januar 2022 im Rahmen der nächsten "Quartettissimo"-Saison bereits zugesagt. Zum Trost sollen die Abonnement- und Kartenbesitzer freien Eintritt beim Finalkonzert (Marmen Quartet) des Tölzer Klassikgipfels erhalten.
Die alten Tickets behalten ihre Gültigkeit. Man habe sich coronakonform für eine geringere Auslastung mit 200 Plätzen entschieden, erklärt die stellvertretende Kurdirektorin Susanne Frey-Allgaier von der Stadt Bad Tölz, welche die Konzertreihe unterstützt. Eine lockerere Bestuhlung ermögliche einen Konzertbesuch ohne Maske. Mit der Entwicklung der Konzertreihe zeigt sie sich sehr zufrieden. Nur ganz vereinzelt hätten Besucher während der Zwangspause ihre Abonnements zurückgegeben, es sei ein stetiger Zulauf aus dem ganzen Landkreis und bis aus München zu verzeichnen.
Dazu trage auch die gute Akustik des Konzertsaals im Kurhaus Bad Tölz bei, versichert Susanne Kessler. Nicht umsonst gäbe es regelmäßig Interesse vom Bayerischen Rundfunk, die Auftritte - wie etwa jetzt beim Modigliani- und Cremona-Konzert - mitzuschneiden und zu senden. Ein weiteres Zeichen für die Qualität der Konzertreihe.
Tölzer Klassikgipfel, 11. bis 21. Oktober, Kurhaus, Beginn jeweils 19.30 Uhr, Karten zu 38/43 Euro, ermäßigt 19/21,50 Euro, Abonnements für 84/99 Euro, ermäßigt 42/49,50 Euro über Münchenticket und in der Tourist-Info Bad Tölz, keine Abendkasse, alle Infos unter www.quartettissimo.de