Hygiene-Verstöße:Gastwirt entgeht nur knapp Gefängnisstrafe

Lesezeit: 2 min

Verschimmeltes Gulasch, vergammelte Fische: Immer wieder beanstanden Lebensmittelüberwacher die Traditionswirtschaft.

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Fast sechs Kilo verschimmeltes Gamsgulasch, ungenießbarer Mais und verbrannte Orangen-Crème brûlée: Darauf stießen Mitarbeiter des Tölzer Landratsamts bei einer Kontrolle in einer Traditionsgaststätte aus dem Landkreis Anfang Februar dieses Jahres. Laut Untersuchung des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit waren die Proben zwar nicht gesundheitsschädlich, aber für den Verzehr ungeeignet, die Crème minderwertig.

Doch das war nur eine von vielen Beanstandungen aus der Vergangenheit. Nur eine Woche vor dieser Kontrolle war der Gastwirt, der in den vergangenen drei Jahrzehnten etliche Gasthäuser geführt hat, am Amtsgericht Wolfratshausen wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Lebensmittelgesetzbuch zu einer halbjährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden - aber noch nicht rechtskräftig. Am Mittwoch stand der Mann dort erneut vor Gericht und bekam eine Bewährungsstrafe von einem Jahr.

Von 15 Kontrollen in den vergangenen zwei Jahren sprach der Lebensmittelüberwacher. Mehrere Bußgeldbescheide seien verhängt, Strafanzeigen gestellt worden. "Es ist einfach kein Konzept erkennbar", sagte er. Vor eineinhalb Wochen seien Kontrolleure erneut auf vergammelte Fische und Rehgulasch im Gasthaus gestoßen. Unter der Einrichtung klebten Lebensmittelreste - und damit Futter für Ungeziefer. So könne sich ein früherer Mäusebefall leicht wiederholen. Damals sei die Küche ein paar Tage gesperrt worden. "Alles, was in der Küche stand, war mit Kot voll."

Im Prozess blieb der Koch wortkarg. Er erklärte, das verschimmelte Gamsgulasch zu spät gesehen zu haben. "Sonst hätte ich es weggeschmissen." Der Mais sei ebenso zum Wegwerfen hergerichtet gewesen. Er habe ein Hinweisschild mit Hygieneregeln anbringen lassen, externe Putzleute engagiert und die Mängelliste abgearbeitet, etwa Küchenboden und -decke erneuert. Ein neuer Koch sei eingestellt. Mit dem sei er allerdings unzufrieden.

Was dem Lebensmittelüberwacher auffiel, war der verwunderliche Umgang des Gastwirts mit Lebensmitteln. Für die Crème brûlée habe dieser den Abrieb konservierter Orangen verwendet. Der zulässige Höchstgehalt an Konservierungsstoffen sei nicht überschritten gewesen, doch wisse eigentlich jeder, dass man nur mit unbehandelten Schalen koche. Allerdings sei das Gebäude sehr alt. Die Küche sei übermäßig groß, nur ein Kühlraum zu wenig. "Der Gastwirt braucht jemanden, der ihm einen gewissen Leitfaden vorgibt." Der Angeklagte habe schon gefragt, ob die Lebensmittelbehörde gegen Bezahlung die Räume regelmäßig anschauen könne. Doch das könne die Kontrolle nicht leisten. Nur schwer könne er den "recht wortkargen" Angeklagten einschätzen.

Für eine Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten plädierte der Staatsanwalt, weil der Angeklagte mehrmals aufgefallen sei und fast nichts unternommen habe. Das sah der Verteidiger als zu hart. Der Angeklagte könnte in der überdimensionierten Großküche überfordert gewesen sein. 15 Kontrollen in so kurzer Zeit seien selten. "Wenn man will, findet man immer etwas." Eine Bewährungsstrafe sollte höchstens ein Jahr umfassen.

Als "erschreckend" bezeichnete Amtsrichter Helmut Berger das Verhalten des Angeklagten. Eine Woche vor der Kontrolle Anfang Februar sei der Gastwirt verurteilt worden. Dann sei wieder etwas gefunden worden. "Da schaue ich doch meinen Angestellten so etwas von auf die Finger", sagte er. Und Ende Juli hätten Kontrolleure erneut verdorbene Lebensmittel entdeckt. Wäre das Urteil von Januar schon rechtskräftig, hätte er sich schwer getan, keine Haftstrafe auszusprechen. Dem Gastwirt empfahl Berger: "Bitte machen Sie etwas anderes."

© SZ vom 03.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: