Süddeutsche Zeitung

Humoristisches Schauspiel:Bereit machen zum Derblecken

Am kommenden Freitag und Samstag werden in Wolfratshausen und Geretsried die Politiker durch den Kakao gezogen. Die Inhalte sind noch streng geheim. Es gilt die Devise: "Wer etwas verrät, kommt nach Sibirien"

Von Konstantin Kaip

Beim Derblecken auf dem Nockherberg sind die Protagonisten der bayerischen Politik von Luise Kinseher als Mama Bavaria und den Schauspielern des Singspiels ordentlich durch den Kakao gezogen worden. Die Bürgervertreter in Wolfratshausen und Geretsried haben nur noch ein paar Tage Gnadenfrist, bevor auch sie sich dem Spott des Publikums aussetzen müssen. Schon bald geht es ihnen humoristisch an den Kragen: Beim Starkbierfest in der Loisachhalle schlüpfen am Freitag wieder die Mitglieder der Loisachtaler Bauernbühne in die Rollen der Amtsträger, um politische Irrungen und Wirrungen szenisch Revue passieren zu lassen. Und Ludwig Schmid liest als Pater Barnabas in den Geretsrieder Ratsstuben am Freitag und Samstag den Politikern der Nachbarstadt die Leviten.

Welches Schauspiel die Wolfratshauser von ihrer Bauernbühne erwarten können, bleibt wie immer bis zuletzt geheim. Daran hält auch Melanie Tobian fest. "Wer etwas verrät, kommt nach Sibirien", lautet die Direktive, die die neue Vorsitzende vor ihrem ersten Derblecken als Ensemble-Chefin herausgegeben hat. Immerhin gibt sie sich zuversichtlich, dass "es gut wird und die Leute Spaß haben".

Ein bisschen mehr verrät ihr Vorgänger im Amt Ludwig Gollwitzer, der nach seinem Alleingang als Engel Aloisius im vorigen Jahr heuer wieder mit der ganzen Truppe auf der Bühne stehen wird. "Wir proben ganz intensiv seit Mitte Januar", sagt der ehemalige Wolfratshauser Stadtrat und Kulturreferent. Welche Rolle er spielt, verrät er freilich nicht. Beim Wolfratshauser Singspiel aber, das stellt er klar, habe "jeder eine tragende Rolle" - wenn auch mit unterschiedlich viel Text. Der kommt von einem Autorenteam, dessen Zusammensetzung die Schauspieltruppe ebenfalls geheim hält. Gollwitzer verrät jedoch, dass sich an den Dialogen noch einiges geändert habe. "Wir wollen aktuell sein." Die Schauspieler würden wie immer versuchen, weitgehend auswendig zu spielen. Allerdings gebe es zwei Rollen mit sehr viel Text. "Das Publikum verzeiht es uns hoffentlich, wenn sie mal eine Zeitung in die Hand nehmen und ablesen."

Gollwitzer freut sich auf den Freitagabend. Zwar habe er seine Solo-Predigt im März 2017, als das Ensemble wegen der Proben für das Sommertheater verhindert war, auch "sehr schön" gefunden, sagt er. "Das war mal was ganz Anderes - aber nichts für die Dauer." Im Ensemble könne man hingegen interagieren und "schauspielerisch viel mehr machen". Wenn man Politiker wie die Stadträte Hans Schmidt (Grüne), Manfred Fleischer (CSU) oder Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) verkörpere, sei es schließlich viel einfacher, "das Publikum zum Brüllen zu bringen", weiß der erfahrene Schauspieler.

Bereichert wird das Spektakel von einem ausgeklügelten Bühnenbild, für das Max Prestel verantwortlich ist. "Wir haben schöne Sachen gemacht", verspricht Gollwitzer. Aufgebaut wird jedoch erst am Freitagvormittag - so lange müssen die Schauspieler auch auf die streng geheime Generalprobe warten. Das Herrichten der Bühne, auf der auch die Stadtkapelle und anschließend die Band The Heimatdamisch auftreten, werde ein Kraftakt, sagt Gollwitzer - aber auch "eine schöne Herausforderung, die den Zusammenhalt der Truppe steigert".

Was die politische Materiallage angeht, hält der im Derblecken erfahrene Gollwitzer das vergangene Jahr für eher durchwachsen. "Es hat bessere Jahre gegeben, aus denen man mehr schöpfen konnte", sagt er. Besonders Zeiten kurz vor der Wahl seien für ein satirisches Schauspiel ein gefundenes Fressen - "wenn sich die Leute zerfleischen".

Doch auch, wenn es in Wolfratshausen zuletzt ruhiger zuging: Dem Autorenteam sei es gelungen, etwas Gutes daraus zu machen, sagt Gollwitzer. "Das Publikum wird nicht enttäuscht." Wer das Spektakel in der Loisachhalle erleben will und noch keine Karte hat, sollte sich beeilen. Laut Kulturmanagerin Marion Klement sind nur noch wenige Restplätze frei.

Ludwig Schmid, der am Freitag und Samstag in Geretsried mittlerweile zum 14. Mal den Barnabas gibt, kann auch noch nicht viel verraten. Allerdings liegt das daran, dass er seine Rede noch nicht geschrieben hat. Etwa drei Tage vor seinem Auftritt in der Ratsstuben werde er sie aus Karteikarten, die er im Laufe des Jahres zu einzelnen Themen erstellt hat, zusammenstricken, dann in einem Guss schreiben und anschließend Korrektur lesen, sagt er. "Ich kann nur mutmaßen, was mich überkommen wird."

Wichtig sei, dass die Ereignisse nicht zu weit zurückliegen, damit sich das Publikum noch daran erinnere, sagt der Bäckermeister und Inhaber der Bäckerei Schmid Bäck. Mit Sicherheit werde die neue Mitte Geretsrieds am Karl-Lederer-Platz ein Thema sein, und selbstverständlich auch "unsere lieben Nachbarn in Wolfratshausen." In welcher Form, werde sich aber noch zeigen. "Fix ist noch nichts", erklärt der Fastenprediger. "Wer sich noch bewerben will, in meiner Rede vorzukommen, kann das also gerne noch tun."

Starkbierfest Wolfratshausen, Freitag, 9. März, Loisachhalle, Einlass: 18 Uhr, Beginn: 18.30 Uhr mit der Stadtkapelle, Anstich: 19 Uhr, danach Politikerderblecken, anschließend "The Heimatdamisch"; Ende gegen 0 Uhr. Karten: zwölf, ermäßigt acht Euro. Starkbierfest der Gartenberger Bunker Blasmusik Geretsried, Freitag und Samstag, 9. und 10. März, Ratsstuben, 19 Uhr, Eintritt: 7,99 Euro

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SZ vom 05.03.2018
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