Süddeutsche Zeitung

Tourismus in den Alpen:Verfall statt Luxusherbergen

Der Herzogliche Alpenhof im benachbarten österreichischen Risstal steht schon lange leer. Ein Projekt, daraus Freizeitwohnsitze zu machen, ist gescheitert. Wie es mit dem geschichtsträchtigen Haus weitergeht, ist offen

Von Benjamin Engel

Der Herzogliche Alpenhof steht auf der Sonnenseite des Risstals südlich der bayerischen Grenze - und trotzdem steht er leer. Außer Betrieb ist das Hotel auf Tiroler Gebiet schon seit etwa 15 Jahren. "Das hat sich nicht mehr gerechnet", sagt Manfred Reindl, der Hinterrisser Ortsvorsteher und Betreiber des benachbarten Gasthofs zur Post. Kurzfristig versprach ein Investorenmodell mit luxuriösen Ferienwohnungen das Areal mit der ruinösen Immobilie zu beleben. Doch im Vorjahr platzte das 15-Millionen-Euro-Projekt - weil die Nachfrage fehlte.

Wie es weitergeht, ist derzeit offen. Auf wiederholte Anfragen reagieren weder die Eigentümerfamilie des Alpenhofs noch die Tiroler Kommune Vomp im Inntal. Zu deren Gemeindegebiet gehört das Areal des früheren Hotels.

Nur Werbebotschaften und Visualisierungen im Internet sind von dem gescheiterten Entwicklungskonzept geblieben. Ein Imagefilm auf der Plattform Youtube preist bis heute 28 Freizeitwohnsitze und 20 Investitionsimmobilien an. Geworben wird für die "All-Suite Residences" im Karwendel mit einer Brasserie, Shop und Spa im Haus. Das Unternehmen Kristall Spaces, eine Tochtergesellschaft der schweizerischen Venture plus AG, wollte das Projekt offensichtlich Bewohnern aus der bayerischen Landeshauptstadt schmackhaft machen: "Nur eine Stunde von München" lautet der Slogan im Imagefilm.

Drei neue Gebäude hätten die leer stehenden Hotelbauten ersetzen sollen. Der Hinterrisser Ortsvorsteher Reindl bedauert, dass die Planungen nicht realisiert werden konnten. "Ein leeres Haus bringt keinem etwas", sagt er auf Nachfrage. "Eine Wohnanlage bringt allen etwas." Im Tal hätte das Vorhaben niemandem geschadet, findet Reindl.

Allerdings war das Projekt durchaus umstritten. Denn das Tiroler Raumordnungsgesetz von 1997 erlaubt nur bis zu acht Prozent sogenannte Ferienwohnsitze pro Gemeinde. Diese Quote war in der Kommune Eben, auf deren Gebiet der Alpenhof bislang stand - wie ursprünglich alles rechts der Riss - ausgeschöpft. Daher wurde das Areal der Nachbargemeinde Vomp zugeschlagen. Deren Gebiet erstreckt sich sonst nur links der Riss. Dort ist die Quote für Freizeitwohnsitze aber noch unterschritten.

Zudem steht das frühere Hotel bei der Mautstation der Risstalstraße im Naturschutzgebiet des Alpenparks Karwendel. Die von den Kalkalpen geprägte Landschaft soll von zusätzlicher Infrastruktur grundsätzlich frei bleiben. Das betont Alpenpark-Geschäftsführer Hermann Sonntag. "Wir brauchen in keinster Weise neue Kapazitäten", sagt er auf Nachfrage. Das gescheiterte Tourismusprojekt hätte er gleichwohl gutgeheißen. Denn das bebaute Volumen wäre praktisch gleich geblieben. Niemand brauche ein Hotel, das vor sich hin gammle. Einzig die isolierte Lage des Areals sieht er kritisch.

Denn das frühere Hotel steht südlich allein außerhalb des Dorfes Hinterriss mit wenig mehr als 30 dauerhaften Bewohnern. Das Vorhaben mitten im Nirgendwo sei grundsätzlich anders zu bewerten als eines in einem organisch gewachsenen Ort wie Hinterriss. Das beträfe beispielsweise die Abwasserentsorgung, sagt Sonntag. In diesem Fall hätte sich die Situation im Vergleich zum früheren Alpenhof aber nicht verschlechtert.

Der Standort der Immobilie ist geschichtsträchtig und seit Jahrhunderten bebaut. Bereits das Jagdbuch Kaiser Maximilians (1459-1519) nennt eine Jagdherberge in der "Rüsz" (Riss). In einer Karwendelkarte des Innsbrucker Hofmalers Paul Dax aus dem Jahr 1544 ist das Gebäude an der Stelle des heutigen Alpenhofs eingezeichnet. Davon berichtet Pater Thomas Naupp in einer alten Ausgabe des Alpenpark-Magazins. Dort schreibt er auch vom wohl schönsten und sonnigsten Fleck des Risstalbodens. Schon früh gab es dort wohl auch Gastbetrieb.

Den Namen des Ortes am signifikantesten prägte die Försterfamilie Neuner. Sie war dort zwischen 1661 und 1869 ansässig. Das Gebäude war nur noch als das Neunerhaus bekannt. Ausdrücklich lobte der Karwendel-Kletterpionier Hermann von Barth (1845-1876) die Aufmerksamkeit der Wirtsleute beim Neuner "auf die verschiedenartigsten kleinen Bedürfnisse eines Wanderers". 1869 kaufte der Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha das Haus. Etwa hundert Jahre später wechselte es erneut den Besitzer. Die Familie Derfeser aus Vomp erwarb das Haus und führte den Hotelbetrieb weiter. Bis heute ist die Immobilie in ihrem Eigentum.

An die Zeit, als seine Familie den dortigen Gasthof in den 1910er- und 1920er- Jahren gepachtet hatte, erinnert sich Ortsvorsteher Reindl. Sogar eine alte Werbung für den damaligen "Großgasthof", wie sich der Betrieb bezeichnete, und seinen welschen Weinen, hat er entdeckt. Alles andere als großartig sieht er indes die Zukunft der Alpenhof-Gebäude. "Irgendwann wird es sicher abgerissen", sagt er.

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Quelle:
SZ vom 07.10.2020
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