Süddeutsche Zeitung

"Azubi Action Day":Sei schlau, geh zum Bau!

Auf dem Betriebsgelände der Holzer GmbH informieren sich junge Leute über verschiedene Berufsbilder. Baggerfahren ist keine Männerdomäne mehr

Von Tilman Voss

"Schön langsam!", ruft der Mann in Uniform von unten. Ein wuchtiger Greifarm hebt sich samt Schaufel vom Boden ab. Riesige hydraulische Zylinder sorgen dafür, dass der Arm der Baggermaschine scheinbar mühelos durch die Luft schwebt. Ein Gerät, das mehrere Tonnen wiegt, so schwer, dass man es sich manchmal kaum vorstellen kann, wie es denn von Menschenhand bewegt werden soll. Doch genau das macht die 16-jährige Şefika, die am Steuer des Baggers sitzt und ein orange-weißes Hütchen versetzt. Mit ein paar Handgriffen sorgt sie dafür, dass sich die Maschine genauso bewegt, wie sie das möchte. "Dafür braucht man auch kein Fitnessstudio", sagt Albrecht Prögler lachend, der Mann in Uniform, der die junge Baggerfahrerin anleitet.

Solche und weitere Erfahrungen können die Teilnehmer des "Azubi Action Day" der Holzer GmbH Tiefbau am vergangenen Freitagnachmittag auf dem firmeneigenen Gelände in Degerndorf sammeln. Eingeladen sind Schüler sowie alle Interessierten, die auf der Suche nach einer Ausbildung sind. An acht Stationen können sich die Besucher über Berufe wie den des Straßenbauers, des Baugeräteführers oder auch des Lastwagenfahrers informieren. Die Stationen sind interaktiv. Die Besucher können Einsatzmaschinen besichtigen, sich von den jeweiligen Fachkräften beraten lassen oder - wie eingangs beschrieben - sich selbst unter professioneller Anleitung an den Maschinen erproben.

"Wir wollen mehr Azubis auf den Weg bringen", sagt Kathrin Holzer, in der Firma zuständig für den Bereich Ausbildung, über den Anlass des Aktionstages. Denn besonders die Baubranche und damit auch Holzer leide unter akutem Nachwuchsmangel. "Früher haben sich 20 Leute auf eine Stelle beworben, und heute laufen die Firmen den Azubis hinterher", sagt sie. Derzeit seien fünf Azubis im Betrieb, zwei davon arbeiteten auf der Baustelle - das Ziel ist es, dass es dort bis Ende des Jahres zehn sind. Grund für das mangelnde Interesse ist laut Holzer der, dass sich viele unter den durch Baufirmen angebotenen Berufen gar nichts vorstellen können. Dazu komme die Vermutung, dass man auf der Baustelle stets harte Arbeit verrichten müsste. Doch Holzer zufolge hat sich das in den vergangenen Jahrzehnten stark geändert. So verrichteten inzwischen Maschinen einen Großteil der Arbeit. Auch die Digitalisierung habe zu einer Vereinfachung geführt.

So zum Beispiel im Straßenbau. An der dortigen Station stehen drei massive Fahrzeuge. Das größte, der "Asphaltfertiger", ist mehr als drei Meter hoch und 20 Tonnen schwer. Das Gerät schafft es, bis zu 300 Meter Asphalt pro Stunde zu verlegen, erklärt Holzer-Mitarbeiter Patrick Rex. Dabei laufe der Betrieb der Maschine weitestgehend automatisch. "Man muss nur die Position und die Daten richtig einstellen, den Rest erledigt die Maschine", sagt Rex. Er ist schon seit einigen Jahren bei Holzer beschäftigt. An seinem Beruf gefällt ihm vor allem der Zusammenhalt in den Bauarbeitertrupps. Dazu komme auch ein gewisser Stolz: "Man sieht am Ende des Tages schließlich, was man geleistet hat."

Auch das Vorurteil, Baubeit sei ein Männerberuf, soll am Aktionstag zurecht gerückt werden. Das sei längst nicht mehr so, sagt Holzer. Das Interesse junger Frauen an Bauberufen steige und steige. Allein unter den 80 angemeldeten Teilnehmern seien 25 Mädchen gewesen. Und so gibt es auch eine speziell auf sie zugeschnittene Station unter dem Namen "Ladies only".

Das Ziel des Tages sei es, den jungen Leuten verschiedene Ausbildungsmöglichkeiten aufzuzeigen, sagt Holzer. Denn viele Jugendliche wüssten kurz vor dem Schlussabschluss immer noch nicht, wo und als was sie eine Ausbildung beginnen sollten. "Gerade nach Corona sind viele junge Leute heute orientierungslos, was den Beruf angeht", fügt Mitorganisator Kilian Berger hinzu. Der Aktionstag solle ihnen eine Perspektive aufzeigen - und das auch konkret. Jeder Besucher bekommt am Eingang einen roten Zettel ausgehändigt, mit dem er oder sie sich an jeder Station Punkte abholen kann. Dazu gibt es die Möglichkeit, auf dem Zettel ein "Interessens-Ranking" der verschiedenen Berufe einzutragen. Am Ausgang werden die Zettel wieder abgegeben. Diejenigen, die an einem Praktikum interessiert sind, können dies ebenfalls vermerken. So will die Firma potenzielle Interessenten direkt an sich binden.

Um die jungen Leute für den Tag zu begeistern, besuchten die Organisatoren vorab mehrere Schulen und hielten dort Vorträge. So sind fast alle der Besucher derzeit Schüler, so wie die 16-jährige Sophia. Sie will sich die Berufe einmal anschauen, obwohl sie glaubt, dass sie später doch lieber mit Tieren arbeiten möchte. Fabian, der die 9. Klasse eines Gymnasiums besucht, schaut sich auch schon mal ein wenig um. Am besten gefällt ihm die Station mit den Baggern - aber er hat, wie er selbst sagt, "noch ein paar Jahre", bis er sich für einen Beruf entscheiden muss. Şefika, die den Bagger bewegt, kann sich eine Ausbildung in einem Bauberuf gut vorstellen. Sie wird die Schule im kommenden Jahr abschließen - und dann vielleicht eine der neuen Azubis werden.

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