Hochzeit des ersten homosexuellen Paares in Geretsried:Liebe für alle

Sandy und Franziska Miethig sind das erste verheiratete homosexuelle Paar in Geretsried. Die Frauen sind froh, dass die Politik die Weichen für die gleichgeschlechtliche Ehe gestellt hat.

Von Felicitas Amler

Eigentlich fühlen sich Sandy und Franziska Miethig schon seit fast einem halben Jahr verheiratet. Recht besehen aber sind sie es erst seit einem Tag. Beim ersten Mal haben nur die beiden es so genannt: "Wir haben am 5. Mai dieses Jahres geheiratet", sagt die 32-jährige Arzthelferin Sandy. Sie und die 30 Jahre alte Heilpädagogin Franziska haben damals eine "eingetragene Lebenspartnerschaft" geschlossen - mehr war rechtlich in Deutschland noch nicht möglich, und das Wort fanden beide ziemlich schrecklich. Vor allem deshalb haben sie ihren Bund am Freitag im Geretsrieder Standesamt in eine Ehe "mit allen Rechten und Pflichten" umgewandelt. Sie sind das erste verheiratete homosexuelle Paar in der 24 000-Einwohner-Stadt. Sandy, die gern mal ein bisschen salopp formuliert, beantwortete die "Wollen Sie ..."-Frage der Standesbeamtin Angelika Sternkopf im Trauzimmer des Rathauses mit einem "Au, ja!"; Franziska mit einem sehr nachdrücklichen "Ja", und beide blickten einander dabei tief in die Augen.

Diese Mischung aus cooler Flapsigkeit und rührender Romantik scheint die Basis der Liebe zwischen den beiden Frauen zu sein. Franziska erzählt, wie Sandy ihr den Heiratsantrag gemacht hat: ein Überraschungscoup vor Familie und Freunden mit zehn Rosen, die sie ihr Stück für Stück überreichte: "Und zu jeder Rose sagte sie etwas, was sie an mir liebt." Zum Beispiel? Keine Ahnung, sagt Franziska, alles vergessen. Die beiden lachen, und man weiß nicht, ob es stimmt - oder ob es lieber ein rosiges Geheimnis bleiben soll.

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(Foto: privat)

Sandy Miethig erzählt, sie habe von früher Jugend an gewusst, dass sie lesbisch ist, auch wenn sie es nicht so nennt, sondern sagt, sie stehe einfach auf Frauen. Mit 14 habe sie die erste Freundin gehabt: "Ein bisschen Händchenhalten und Knutschen." Und damals habe sie es auch ihren Eltern mitgeteilt, in einem Brief. Für die sei es anfangs schwierig gewesen, aber das habe sich längst gelegt. Im Übrigen habe sie nie negative Erfahrungen gemacht. In der Schule und im Freundeskreis "fanden das alle ganz cool und spannend", ja, sie sei sogar von Fremden angesprochen worden: "Hey, du bist doch die Lesbe." Ihre Antwort? "Ja."

Für Franziska aber, die damals noch Weiherer hieß, war Sandy die erste weibliche Liebesbeziehung. "Ich hatte vor ihr immer nur Männer. Wenn mir vor vier Jahren jemand gesagt hätte, du wirst eine Frau heiraten, hätte ich ihn ausgelacht." Sie habe sich ja auch "nicht in ein Geschlecht verliebt", betont sie, "sondern in die Person". Mit der "homosexuellen Szene" haben beide Frauen nichts im Sinn - "zu anstrengend", sagen sie. Dennoch finden sie es wichtig, dass sich Menschen für die Gleichstellung engagieren, und sind froh, dass so auch die Ehe für alle erkämpft wurde. "Aber wir sind eigentlich die Oberspießer", sagt Sandy, "total häuslich und familiär." Und gläubig: Franziska Miethig ist katholisch und hat Wert darauf gelegt, mit kirchlichem Segen zu heiraten. Sandy Miethig ist zwar mit 18 Jahren aus der katholischen Kirche ausgetreten ("Die wollen mich nicht, dann will ich die auch nicht"), aber das sage nichts über ihren Glauben, erklärt sie.

Hochzeit des ersten homosexuellen Paares in Geretsried: Geheiratet haben sie auf dem Geretsrieder Standesamt.

Geheiratet haben sie auf dem Geretsrieder Standesamt.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Der evangelische Geretsrieder Pfarrer Georg Bücheler hat dem lesbischen Paar den Segen gegeben. In einer katholischen Kirche wäre das nicht möglich gewesen. Aber auch Bücheler musste erst seinen Kirchenvorstand ums Einverständnis fragen, das er freilich bekam. Blieb noch die Einschränkung mit den Glocken: Die hätten eigentlich nicht läuten dürfen, erzählen die beiden Frauen. Und dann waren sie doch zu hören. Nicht nur für Sandy und Franziska Miethig war dieser feierliche Akt in der Petruskirche tief berührend - man sieht auf den Fotos, wie ergriffen auch Verwandte und Freunde waren. "Ich war fasziniert von Herrn Bücheler", sagt Sandy Miethig. Der Segen - "das macht schon was mit einem". Franziska stimmt zu: "Du warst ganz ehrfürchtig."

Zur kirchlichen Feier trugen beide Frauen lange weiße Brautkleider. Und sie zelebrierten auch den Brauch, dass man die vor der Hochzeit nicht sehen darf. Da sie beide im selben Auto zur Kirche kutschiert wurden, hatte sich eine Freundin Brillen ausgedacht, die mit herzförmigen "Gläsern" die Aussicht verhinderten. Lustige Fotos gibt es davon. Und andere Aufnahmen, die zeigen, wie beeindruckt die eine vom Kleid der anderen ist, als die Blicke endlich möglich sind.

Vor Sandy sei Heiraten für sie nie wichtig gewesen, sagt Franziska Miethig; bei keinem Mann habe sie sich eine Hochzeit vorstellen können. Warum das nun anders war? "Weil's einfach so passt." Und tatsächlich habe sich durch das förmliche Ja-Wort in der Beziehung etwas geändert, sagen beide. Franziska findet: "Man fühlt sich verantwortlicher". Sandy sagt: "Für mich ist es intensiver."

Dass eine Liebe im Lauf der Zeit wachsen und sich entfalten kann, darauf hebt am Freitag im Geretsrieder Rathaus auch die Standesbeamtin ab. Angelika Sternkopf belässt es nicht bei dem formalen Akt der Umwandlung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft in eine Ehe. Sie hat die Kerzen im Leuchter angezündet, bittet die beiden Frauen um ihre Eheringe, die sie aufs weiße Kissen bettet, um sie ihnen später wieder zu überreichen, und sagt ein paar Worte über das Einander-Kennen, Anerkennen und Achten. Liebe sei ein großes Wort, schnell gesprochen, aber auf Dauer spannend erlebt: "Ab heute gehen Sie als Ehepaar durchs Leben."

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