Hochkarätig besetzt:Lange Nacht der Geheimnisse

Stimmungsvolle Lesungen beim Moosbrand-Fest in Nantesbuch

Von Petra Schneider, Bad Heilbrunn

Mildes Abendlicht bescheint am Freitag die Wiesenhügel rund um Nantesbuch. Die Architektur des Langen Hauses ist schlicht und zeitlos, überhaupt scheint die Zeit an diesem Ort einem eigenen Rhythmus zu folgen. Nichts drängt, nichts treibt. Das Erleben von Zeit ist auch das Thema des dritten Moosbrand Literatur- und Musikfests, das heuer erstmals ausverkauft ist. Ein anspruchsvolles Programm abseits vom Mainstream, das stilvolle Ambiente und hochkarätige Akteure - ein Konzept, das aufgeht. Zumal das Moosbrand-Fest eine Lücke schließt. Denn Literaturveranstaltungen führen in der Region ein Schattendasein. Dass Autoren wie Christoph Ransmayr kommen und bekannte Schauspieler wie Axel Milberg, Martina Gedeck oder Hanns Zischler lesen, verleiht dem Ort intellektuellen Glanz. In entspannter Lounge-Atmosphäre mischen sich Besucherinnen im Cocktailkleid mit leger gekleideten Literaturfreunden, man unterhält sich bei einem Glas Wein oder genießt am langen Holztisch einen Linsensalat mit Balsamico-Hähnchenbrust.

Mit einer "langen Nacht der Geheimnisse" beginnt das Fest am Freitag zur blauen Stunde um 19 Uhr. Zeit sei kein Raum, den man in Streifzügen durchmessen könne, sagt Kuratorin Brigitte Labs-Ehlert bei der Einführung. "Zeit ist für uns wie Wasser für den Fisch". Schauspielerin Angela Winkler liest Gedichte und Reflexionen der 1925 in Beirut geborenen Autorin Etel Adnan. Leise, ganz sanft und mit großem Einfühlungsvermögen liest Winkler. Adnans Gedanken erschließen sich nicht leicht, ihre Metaphern sind oft rätselhaft. "Schatten gleichen seltsamerweise den Bäumen von gestern." Oder: "Ich sehe meinen Körper abebben und anschwellen, ich, ein Ozean." Man muss diese Poesie nicht unbedingt inhaltlich durchdringen. Es genügt, die Melodie der Worte zu genießen; die Augen zu schließen oder sich mit den Hemden-Vögeln, die über den Zuhörern schweben, auf und davon zu machen.

Moosbrand Literatur- und Musikfest

Anja Lechner spielt Cello und mit dem Musiker Pablo Márquez (Guitarre) verzaubern den Abend.

(Foto: Manfred Neubauer)

Zum Zauber des Abends trägt die Musik von Anja Lechner (Cello) und Pablo Márquez (Gitarre) wesentlich bei. Sie übertragen Franz Schuberts "Die Nacht", eigentlich für Klavier und Stimme gesetzt, in den wunderbar weichen, homogenen Klang von Cello und Gitarre. Samtige Hymnen an die Nacht, die im zweiten Teil komplexer und vielschichtiger werden, das Aufwühlende und Bedrohliche spiegeln.

Die lange Nacht schreitet mit einer 1907 erschienen Erzählung des russischen Literaturnobelpreisträgers Iwan Bunin fort. "Vom Ursprung der Tage", gelesen von Schauspieler Wolfram Koch: Lebhaft, mit wohl gesetzter Gestik, lässt er immer wieder den Blick ins Publikum schweifen und hat erkennbar Vergnügen an der Erzählung. Detailverliebt schildert Bunin darin die früheste Erinnerung an seine Kindheit: ein sonnenbeschienenes Zimmer, ein Schränkchen, Spinnweben. Und ein Spiegel, der, verhängt mit schwarzem Stoff, vom Tod kündet, der das Haus heimgesucht hat. Der Spiegel, nichts weiter als mit Quecksilber bestrichenes Glas, erzeugt eine eigene Realität und eröffnet eine weitere Bedeutungsebene: "Existiert das gespiegelte Zimmer auch dann, wenn ich es nicht beachte?", fragt sich der Protagonist. Setzt Realität Erinnerung voraus? Was ist Wirklichkeit? Fragen, mit der sich die Besucher dieses Literaturfests noch bis Mitternacht und an den beiden Folgetagen beschäftigen konnten.

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