Süddeutsche Zeitung

Herzdruckmassage:29-Jähriger holt klinisch toten Kollegen zurück ins Leben

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Der Tölzer Adrian Marcu hat einen Mann nach einem Stromschlag reanimiert. Gelernt hat er die Technik als Bademeister im Alpamare.

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Jene Nacht im März vorigen Jahres wird Adrian Marcu nie vergessen. Es ist die Nacht, in der er einem Menschen das Leben gerettet hat. Sein Kollege hatte einen Stromschlag bekommen, 380 Volt waren durch seinen Körper geflossen. Er war bereits klinisch tot, als Marcu ihn vom Gerüst einer Baustelle in den Münchner Riem-Arcaden holte. Dass er überlebt hat, ist dem 29-jährigen Tölzer und seinem damaligen Kollegen Dariusz Kopka aus Ebersberg zu verdanken. Sie haben den Verunglückten reanimiert und ihn mit einer Herzdruckmassage ins Leben zurückgeholt. Für ihren beherzten Einsatz sind die beiden Retter am Mittwoch von Regierungspräsidentin Brigitta Brunner in München ausgezeichnet worden, als "öffentliche Anerkennung für eine Rettungstat".

Es ist ein Arbeitstag wieder jeder andere, als Marcu zur Nachtschicht in die Münchner Riem-Arcaden fährt. Der gebürtige Rumäne, der seit sechs Jahren in Deutschland und seit drei Jahren in Bad Tölz lebt, ist zu der Zeit bei einer Elektrofirma im Landkreis Mühldorf am Inn beschäftigt. Einer von vielen Jobs, die der Sportlehrer mit einem Master in Management und Organisation in Deutschland angenommen hat. In dem Einkaufszentrum soll die Sicherheitsbeleuchtung ausgewechselt werden. Die halbe Nacht haben sie schon gearbeitet, gegen ein Uhr früh passiert es dann: Der Meister will gerade die Sicherung für die Starkstromleitungen herausdrehen, ein älterer Kollege hat aber schon damit begonnen, eine Lampe abzumontieren - warum, weiß Marcu bis heute nicht. Einer von den Trockenbauern ruft plötzlich, dass etwas passiert sei.

Marcu sieht das Kabel aus der Decke hängen, sieht, dass der ältere Kollege bewegungslos auf dem Gerüst liegt. Er überlegt nicht lange, will nach oben. "Das Adrenalin war hoch, und ich habe ganz impulsiv gehandelt", erklärt er. Damit er selbst nicht in Kontakt mit dem Starkstromkabel gerät, schiebt er zuerst das Gerüst weg. Aber auf der schmalen Platte in zweieinhalb Metern Höhe kann er dem Mann nicht helfen. Also montiert er sie mit einigen Kollegen ab, um den Bewusstlosen darauf nach unten zu tragen.

Dessen Gesicht ist bereits blau angelaufen, die Hände sind kalt. "Ich habe ihm die Zunge nach vorne gezogen, damit er nicht erstickt", erinnert sich Marcu. Dann beginnt er mit Mund-zu-Mund-Beatmung, wechselt sich mit Kopka ab. Auch eine Herzdruckmassage führen sie durch, kämpfen 20 Minuten um das Leben des Mannes. Als der Notarzt eintrifft, dauert es noch eine halbe Stunde, bis sich der Zustand des Verunglückten stabilisiert. Im Krankenhaus wird er ins künstliche Koma versetzt, zehn Tage lang - und überlebt.

Marcu hat ihn einmal besucht. Der 61-jährige gebürtige Russe sei inzwischen "wieder ganz okay". An den Unfall habe er keinerlei Erinnerung. Woher Marcu so genau wusste, wie er dem Mann helfen konnte? "Ich habe vor zwei Jahren einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht", erzählt er. Das sei bei seinem damaligen Job als Bademeister im Alpamare Pflicht gewesen. Und auch als Trainer - Marcu trainiert die Handballer der A-Jugend beim TV Bad Tölz - werde ein Erste-Hilfe-Kurs verlangt. In jener Nacht, "die immer in meinen Gedanken bleiben wird", war dieses Wissen lebensrettend.

Mit 23 anderen "verdienten Bürgern und Bürgerinnen" aus Oberbayern haben Adrian Marcu und Dariusz Kopka für ihren Einsatz nun eine Urkunde bekommen. In ihrer Laudatio erklärte Regierungspräsidentin Brigitta Brunner, dass die beiden Männer "besonnen, blitzschnell und mutig" gehandelt hätten und die Rettung unter erschwerten Umständen, von einem zweieinhalb Meter hohen Gerüst, erfolgt sei. Die Auszeichnung freut Marcu. "Aber für mich ist der schönste Dank, dass der Mann überlebt hat". Eines habe er von klein auf gelernt: "Wenn jemand Hilfe braucht, dann hilft man."

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Quelle:
SZ vom 10.11.2016
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