Süddeutsche Zeitung

Helfer für Helfer:Die Mühe mit dem Ehrenamt

Die Anzahl freiwillig Engagierter steigt im Durchschnitt, trotzdem müssen Verbände, Vereine und Organisationen immer stärker für sich werben. Vor allem die langfristige Bindung unentgeltlicher Kräfte wird schwerer

Von Valerie Gleisner, Bad Tölz-Wolfratshausen

Laut einer Studie des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales sind mit 47 Prozent fast die Hälfte aller Bayern über 14 Jahren ehrenamtlich aktiv. Damit liegt der Freistaat über dem Bundesdurchschnitt von 43,6 Prozent. Und entgegen der verbreiteten Klage, die ehrenamtlich Engagierten würden immer weniger, verzeichnet die Studie sogar einen Zuwachs um elf Prozent. Potenzial nach oben gibt es trotzdem immer, und auch die Form des Engagements hat sich verändert.

So sieht das auch Jörg Kastner, Kreisbereitschaftsleiter im BRK-Kreisverband Bad Tölz Wolfratshausen: "Genug ehrenamtliche Helfer hat man nie." Er beobachtet in den vergangenen Jahren eine Veränderung in der Freizeitgestaltung der Menschen, viele wollen sich nicht mehr langfristig an eine Organisation binden. "Wir haben noch Leute, auch junge, aber wenn es darum geht, in einer leitenden Position Verantwortung zu übernehmen, dann wird es schwierig."

Ähnliches berichtet auch Stefan Kießkalt, Pressesprecher der Kreisfeuerwehr Bad Tölz-Wolfratshausen. "Die Zahlen an ehrenamtlich Engagierten sind relativ stabil, aber es wird immer schwieriger, neue Leute zu gewinnen", berichtet er. Kießkalt vermutet, dass dies auch daran liegen könnte, dass die Freizeitangebote in den vergangenen Jahren vielfältiger geworden sind und die Menschen so zwischen viel mehr Möglichkeiten wählen können. Dazu komme, dass auch durch das oftmals lange Pendeln zum Arbeitsplatz viel Zeit verloren gehe. Die Organisationen müssten an den Leuten dranbleiben, um ihre Freiwilligenzahlen weiter konstant zu halten. Die Freiwillige Feuerwehr Bad Tölz-Wolfratshausen versucht so zu Beispiel durch Aktionstage, die Jugendfeuerwehr und auch durch Werbung in den sozialen Medien die Bürger für die Feuerwehr zu begeistern.

Das Technische Hilfswerk (THW) setzt verstärkt auf intensive Werbung von Ehrenamtlichen, seit 2012 durch die Abschaffung des Wehrdienstes die Helfer nicht mehr automatisch nachkommen. Denn vorher waren groß angelegte Werbemaßnahmen nicht nötig: "Wir haben vor allem von der Freistellung gelebt", erzählt Manfred Bock, Dienststellenleiter der Regionalstelle Bad Tölz. Durch die Helferwerbung habe sich jedoch die Anzahl inzwischen wieder stabilisiert und sei fast auf dem Niveau von vor dem Einschnitt. Denn die Freiwilligen, die jetzt kämen, würden auch langfristig dabeibleiben.

Angebote aufgrund mangelnden Engagements einstellen musste bisher im großen Stil noch keiner. "Wir können noch alles machen", sagt Jane Clarke vom Turnverein Bad Tölz, "aber wir sehen, dass es schwieriger wird, langfristiges Engagement mit der mobilen Berufswelt zu vereinbaren". Die mittlere Generation sei dementsprechend diejenige, welche am schwierigsten zu motivieren sei. Das beobachtet auch Kastner: "Man merkt einen Einbruch in der Zeit von Familiengründung und Stress im Beruf". Nachschub an jungen Leuten haben jedoch beide, Clarke sieht sogar einen leichten Zuwachs.

Friedl Krönauer vom Bund Naturschutz dagegen berichtet, dass es, im Gegensatz zu großen Städten wie München, in denen es noch aktive Jugendgruppen gibt, auf dem Land an jungen Leuten fehlt. "Wir Alten erreichen die Jugend nicht so gut", sagt er. Bei den Erwachsenen sieht er jedoch einen leichten Trend dazu, dass eingeschlafene Ortsgruppen wiederbelebt werden. "Wir sind ja grundsätzlich noch am Anfang vom Jahr, und deshalb blicke ich optimistisch in die Zukunft", schließt der Vorsitzender der Kreisgruppe Bad Tölz-Wolfratshausen.

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SZ vom 14.01.2020
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