Hohe Nachfrage:Hochzeitsparadies Bad Tölz

Die Kurstadt ist beliebt bei Paaren, die sich das Jawort geben wollen. Sie kommen auch aus Peru, Mexiko, Kasachstan und den USA. Mit 252 Eheschließungen im vergangenen Jahr verzeichnet das Standesamt mehr Trauungen als Wolfratshausen und Geretsried zusammen

Von Klaus Schieder

Da ist zum Beispiel das Liebespaar aus Myanmar. Beide sind Rohingya, die wegen ihres muslimischen Glaubens aus ihrer Heimat verjagt wurden, beide flohen über Bangladesch nach Deutschland, beide haben keinen Pass mehr und sind staatenlos, beide wollen nun aber in Tölz heiraten. Ein Herzenswunsch, den Wolfgang Steger ihnen gerne erfüllt. Die angehenden Eheleute unterlägen deutschem Recht, "und das Gericht stellt es in mein Ermessen, ob ich sie verheirate oder nicht", sagt der Tölzer Standesbeamte. Für ihn ist das überhaupt keine Frage. Sobald der Beschluss bestätigt sei, "werde ich sie verheiraten". Dann kommt noch eine Trauung in Bad Tölz hinzu, das seit einigen Jahren einen regelrechten Hochzeitsboom erlebt.

252 Eheschließungen gab es voriges Jahr in der Kurstadt, das sind 81 mehr als noch 2010. "Wir haben mehr Trauungen als Wolfratshausen und Geretsried zusammen", sagt Steger. Fast 60 Prozent der Paare - genau 146 - kamen nicht aus dem Standesamtsbezirk, der neben Tölz auch Wackersberg, Bad Heilbrunn und Benediktbeuern umfasst, sondern meist aus München und dem Umland. Etliche Hochzeitsgesellschaften reisen aber auch aus aller Welt an: aus den USA und Kanada, Mexiko und Peru, Kasachstan und Afghanistan. Dabei haben oftmals die Braut oder der Bräutigam einen engen Bezug zur Kurstadt: Sie sind in Tölz aufgewachsen, gingen dann beruflich in die Welt hinaus und kehren nun zum Heiraten in die alte Heimat zurück. Steger erzählt von einer Frau, die nach Namibia zog und dort auf einer Farm lebt, ihrem Mann aber in Tölz das Jawort gab. Eine andere Tölzerin zog für ein freiwilliges soziales Jahr nach Sri Lanka, verliebte sich, heiratete ihren Auserwählten dort auf traditionelle Art, ließ sich aber in ihrem Geburtsort noch einmal trauen.

Eine große Rolle für die Brautpaare spielt Steger zufolge das Flair von Bad Tölz. "Die Stadt bietet viele wunderschöne Motive", sagt er. Außerdem gibt es gleich vier Orte, die als Trauraum gewidmet sind: Im Planetarium können sich die Eheleute unterm Sternenhimmel lebenslange Treue schwören, der Historische Sitzungssaal im Stadtmuseum bietet ein eher ehrwürdiges Ambiente. Am meisten werden jedoch das Trauzimmer im Rathaus, das die Stadt für 8600 Euro umgestaltet hat, und das Salettl im Kurhaus gebucht. Das ist heuer allerdings fast nicht mehr möglich. "Wir sind bis Dezember ausgebucht", sagt Steger. Mit derzeit anderthalb, bald wieder zweieinhalb Stellen im Standesamt "haben wir einfach nicht die Kapazitäten, um noch weitere Termine anzubieten".

Steger bedauert dies. Seit 2002 arbeitet er als Standesbeamter in Tölz und hat inzwischen gut 1400 Trauungen vollzogen. Für ihn ist die Zeremonie alles andere als ein bürokratischer Akt. "In dem Ganzen steckt viel Herzblut drin, das gilt nicht nur für mich, sondern auch für meine Mitarbeiter", sagt er. Für einen Standesbeamten sei es wichtig, dass er seinen Beruf mit Freude ausübe. "Die Leute müssen spüren, dass ich es gerne mache, und nicht, weil ich es machen muss." Ansonsten hätte Bad Tölz nicht diese Anzahl an Hochzeiten, "dann hätten wir nicht diesen Erfolg".

An viele Trauungen denkt der Standesbeamte gerne zurück, an einige ganz besonders. Er erzählt von einer Tochter, die für ihren Papa, den Bräutigam, im Trauraum plötzlich das "Halleluja" von Leonard Cohen sang. Da habe plötzlich völlige Stille geherrscht, "das war ein unglaublich emotionaler Moment". Oder von jenem Bräutigam, der vor lauter Glück zu weinen begann, als er seine Frau aus dem Auto steigen sah, und damit die ganze Trauung über nicht mehr aufhören konnte. Steger sagt, er habe einen Traumberuf. "Es gibt nichts Schöneres."

Herbert Paul Landauer wundert das nicht. Steger liebe Hochzeiten, "er lebt dafür", sagt der Betreiber des Kurhauses. In Bad Tölz gibt es manche Gasthöfe, wo sich eine Hochzeit trefflich feiern lässt, das von Gabriel von Seidl entworfene Gebäude im Kurpark dürfte jedoch am beliebtesten sein. Es bietet eben so gut wie alles: einen großen Saal mit Platz für 100 bis zu 250 Gäste, einen kleinen Saal mit rund 60 Plätzen im Salettl, das zugleich Trauraum ist, draußen eine Terrasse und den Kurpark, wo Kinder abseits allen Autoverkehrs spielen können. Die Saison beginne kurz nach Ostern und dauere bis Ende Oktober, sagt Landauer. Eine muslimische Hochzeit, eine jüdische, eine buddhistische, eine gleichgeschlechtliche mit einer freien Zeremonie: All dies hat Landauer im Kurhaus schon arrangiert. Junge Brautleute berät er zusammen mit seinem Team, balanciert ihre Wünsche und ihre finanziellen Mittel aus. Dazu gehöre viel Vertrauen, sagt der Gastronom, der das Kurhaus seit 2013 führt. "Am schönsten Tag im Leben muss alles passen."

Kaum Einfluss hat er auf die Übernachtungsmöglichkeiten für Hochzeitsgäste in Bad Tölz. Im Kurviertel gibt es zwar einige Hotels und Pensionen, aber als das große Hotel Jodquellenhof im November 2014 dichtgemacht wurde, "war das schon eine Belastung", so Landauer. Anders als bei großen Unternehmen, die das Kurhaus für Tagungen buchen und ihre Teilnehmer am liebsten allesamt in einem Hotel unterbringen wollen, könne man die Gäste von Hochzeiten auch auf zwei, drei, vier Häuser verteilen, sagt Landauer. Dennoch fehle es in Tölz "an adäquaten Unterkünften". 2018 hätten ihm zwei große Hochzeitsgesellschaften deshalb wieder abgesagt.

Solche Veranstaltungen seien für den wirtschaftlichen Betrieb des Tölzer Kurhauses - ebenso wie das Geschäft mit Tagungen - von großer Bedeutung, sagt Kurdirektorin Brita Hohenreiter. Und für Bad Tölz als Touristenziel selbst ein Imagegewinn. "Das ist eine tolle Sache." Das Problem mit der Unterbringung liegt für Hohenreiter auch darin begründet, dass für die Inhaber kleinerer Hotels und Pensionen die Hochzeitsgäste, die bloß eine Nacht bleiben, nun mal nicht so attraktiv seien. Sie könnten für eine so kurze Aufenthaltsdauer nicht alles freihalten und zusagen, "nehmt mein ganzes Haus". Auch dies ist für die Kurdirektorin ein weiteres Argument für eine Hotelansiedlung.

Manchmal zieht es Eheleute nach Bad Tölz zurück, die sich hier einst das Jawort gaben. "Es gibt viele, die uns an ihrem Hochzeitstag besuchen", erzählt Standesbeamter Steger. Genau vier Jahrzehnte ist ein Paar schon verheiratet, das unlängst im Rathaus auftauchte. Die beiden hätten sich alles noch einmal angesehen, das Trauzimmer im ersten Stock, die Gänge im Parterre, berichtet Birte Otterbach, Sprecherin der Stadt. "Sie waren sehr zufrieden, dass sie nochmals hergekommen sind."

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