Heinz-Sielmann-Stiftung in Bad Tölz:Ein Netzwerk fürs Leben

Heinz-Sielmann-Stiftung in Bad Tölz: Das Beweidungsprojekt mit Murnau-Werdenfelser-Rindern, das der Isartalverein in der Pupplinger Au trägt, möchte Andreas Nemetz von der Heinz-Sielmann-Stiftung erweitern.

Das Beweidungsprojekt mit Murnau-Werdenfelser-Rindern, das der Isartalverein in der Pupplinger Au trägt, möchte Andreas Nemetz von der Heinz-Sielmann-Stiftung erweitern.

(Foto: privat/oh)

Mit dem neuen Büro in Bad Tölz will die Stiftung den Biotopverbund "BayernNetzNatur"und die Biodiversität in Südbayern fördern. Als erste Projekte nennt Leiter Andreas Nemetz die Beweidung in der Pupplinger Au mit dem Isartalverein und mehr Lebensraum für Amphibien.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

In der Natur hängt alles voneinander ab. Andreas Nemetz gibt ein Beispiel: Als die See-Otter verschwanden, vermehrten sich die See-Igel an vielen Meeresküsten und fraßen die Kelpwälder weg - also jenen Tang, der einen Lebensraum für zahlreiche Fischarten und wirbellose Tiere bietet. Aus einem Ökosystem wurde eine Unterwasserwüste. "Der Klimawandel entscheidet, wie wir leben, die Biodiversität entscheidet, ob wir leben", sagt Nemetz. "Und wir Menschen hängen in diesem Netz mit drin, wir können es uns nicht leisten, dass es kaputtgeht." Die Hans-Sielmann-Stiftung unterstützt deshalb den Biotopverbund "Bayern-Netz-Natur" im Freistaat und hat dafür ein neues Projektbüro in Bad Tölz eingerichtet, das Nemetz leitet.

Nach Schwandorf ist Bad Tölz der zweite Standort der von dem berühmten Tierfilmer gegründeten Stiftung in Bayern. Ursprünglich, sagt Nemetz, sei München als Anlaufstelle vorgesehen gewesen. Aber weil er oft in den südbayerischen Landkreisen - von Traunstein bis nach Weilheim und Garmisch - unterwegs sein muss, hätte es wenig Sinn ergeben, erst mal eine halbe bis dreiviertel Stunde durch die Landeshauptstadt zu kurven. Bad Tölz habe einige Vorteile, so der Büroleiter. Der nahe Bahnhof, das Landratsamt mit der unteren Naturschutzbehörde, nicht zuletzt auch die Möglichkeit, mit dem Fahrrad von seinem Wohnort Bad Heilbrunn zur Arbeit zu radeln. Außerdem hat er den Eindruck, "dass in Bad Tölz der Gedanke angekommen ist, dass Natur in der Stadt sein darf". Als Beispiel erwähnt er das Blühwiesen-Projekt der Kurstadt.

Heinz-Sielmann-Stiftung in Bad Tölz: Landschaftsarchitekt Andreas Nemetz leitet das neue Projektbüro der Heinz-Sielmann-Stiftung in Bad Tölz.

Landschaftsarchitekt Andreas Nemetz leitet das neue Projektbüro der Heinz-Sielmann-Stiftung in Bad Tölz.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Biotopverbund bedeutet nicht, dass ein Biotop ans nächste gereiht werden soll, mehr oder weniger flächendeckend. Vielmehr geht es um eine Art Netz des Lebens. Betrachte man ein Luftbild, seien landwirtschaftliche Flächen, Gewässer, Wälder, Straßen und Siedlungen zu erkennen, sagt Nemetz. "Es gibt wenig reine Naturräume." Die Zerschneidung der Landschaft sei oftmals so ausgeprägt, dass ein genetischer Austausch einzelner Arten kaum mehr möglich sei. Diesen müsse man stärken, ebenso die Wiederbesiedelung von Biotopen. "Wir müssen Strukturen hinbekommen, die das Leben miteinander ermöglichen", sagt der Projektbüroleiter.

Die notwendigen Daten muss Nemetz nicht mühsam ermitteln. Die Heinz-Sielmann-Stiftung hat eine große Machbarkeitsstudie beauftragt, um bestehende Projekte zum Arten- und Naturschutz zu erfassen. Durch all diese Programme gebe es eine Datengrundlage, auf die man zugreifen könne, so der Büroleiter. Im Süden Bayerns sollen zehn Pilotprojekte von Bad Tölz aus umgesetzt werden. Das erste sind Amphibien-Biotope. Neue Teiche, Weiher und andere Gewässer sollen identifiziert werden, durch die sich die Chancen der Tiere verbessern, zu wandern und einen neuen Lebensraum zu entdecken. Dabei geht es vor allem um Arten wie Kammmolch, Rotbauchunke, Laub- und Springfrosch. Die Komplexität solcher Habitate veranschaulicht Nemetz an Eidechsen: Sie müssten überwintern können und benötigten einen Boden, der ab einer gewissen Tiefe frostfrei sei, zudem müssten sie balzen können und ausreichend Nahrungsmittel finden.

Das zweite Vorhaben auf Nemetz' Liste ist das Beweidungsprojekt mit Murnau-Werdenfelser-Rindern in der Pupplinger Au. Dafür zeichnet schon seit vielen Jahren der Isartalverein verantwortlich. Die Beweidung möchte der Büroleiter zusammen mit dem Verein erweitern. Seit dem Bau des Sylvensteinspeichers gibt es kaum noch Hochwasser durch die Isar. Und auch wenig Geschiebe, was zur Folge hat, dass an den Ufern des Wildflusses nun hohes Gras und Sträucher sprießen. Die Kiesbänke sind als magere Schotterflächen jedoch Lebensraum für seltene Tier- und Pflanzenarten. Die Kühe, sagt Nemetz, "fressen das Gras runter".

Heinz-Sielmann-Stiftung in Bad Tölz: Mehr als 100 Blühflächen für Schmetterlinge und andere Insekten hat Bad Tölz im Stadtgebiet angelegt, wie hier nahe der Südschule.

Mehr als 100 Blühflächen für Schmetterlinge und andere Insekten hat Bad Tölz im Stadtgebiet angelegt, wie hier nahe der Südschule.

(Foto: Manfred Neubauer)

In seinem hellen Büro gleich neben dem Tölzer Gymnasium ist der 42-jährige Diplom-Landschaftsarchitekt vorerst alleine. "Das muss hier erst einmal Fahrt gewinnen", sagt der gebürtige Würzburger. Den Landkreis kennt er von seiner Diplomarbeit her, die er im Zentrum für Umwelt und Kultur in Benediktbeuern schrieb. Außerdem war er neun Jahre lang im Bauamt der Stadt Penzberg tätig. Danach ging er nach Haar, wo er als Abteilungsleiter für Umwelt und Kreislaufwirtschaft der Gemeinde arbeitete. Für die Entwicklung naturnaher, öffentlicher Grünflächen bekam er dort 2019 vom Bündnis "Kommunen für biologische Vielfalt" das Label "Stadtgrün naturnah" in Gold.

In seinem neuen Aufgabengebiet knüpft er seit September die ersten Kontakte. Er war zu Gast bei der Versammlung der Bio-Milchbauern in der Molkerei Andechs, bei einem Streuobstwiesenprojekt in Pliening bei Zorneding, einem Verbundprojekt in Traunstein, bei Kommunen. Wichtig ist Nemetz, dass die Stiftung nicht hergekommen sei, um alles an sich zu reißen. Der Erfolg der Naturschutzarbeit hänge "maßgeblich von einer guten Kooperation mit den Akteurinnen und Akteuren vor Ort ab", sagt er. "Ich bin ein starker Verfechter eines guten Miteinanders." Das gibt es unter anderem schon im Biotopverbund Bodensee, einer Art Musterbeispiel für die Arbeit der Heinz-Sielmann-Stiftung. Rund um den See sind inzwischen 44 Biotop-Standorte mit jeweils mehreren Projekten entstanden- vom Feuchtgebiet über Beweidung, Tonpark und Storchenweiher bis hin zu etlichen Streuobstwiesen. Ein Netzwerk fürs Leben.

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