Süddeutsche Zeitung

Heinz Haberkorn: Nachruf:Erst die Politik, dann die Kunst

Der Kulturpreisträger Heinz Haberkorn verstand sich als reifer Wilder. Jetzt ist er mit 68 Jahren nach schwerer Krankheit gestorben.

Barbara Szymanski

Heinz Haberkorn war ein reifer Wilder. So hat er sich selbst gesehen, so hat er gewirkt als Maler und Zeichner. Leidenschaftlich geworden ist der im Leben eher sanfte Wilde, der humorvolle und genussfreudige akademische Künstler vor allem bei zwei Themen: Politik und Kunst - und zwar in dieser Reihenfolge.

Sein Leben lang hat er Zeitungen gelesen, sich informiert, sich aufgeregt und Stellung bezogen - fernab jeden Parteiengeplänkels. Und er hat sich auch eingemischt in die Kulturpolitik seiner Heimatstadt Wolfratshausen und dafür plädiert, der Bildenden Kunst ein professionelles Forum zu geben. Seine Augen haben zornig gefunkelt, wenn ihn jemand als "abstrakten Maler" einordnen wollte.

Expressionist oder aber abstrakter Expressionist hat er akzeptiert. Sich vor die Leinwand zu stellen und einfach so abstrakt zu malen - da hat er den Kopf geschüttelt: "Es ist eine lange künstlerische Entwicklung, sich gegenstandlos ausdrücken zu können." Nun ist Heinz Haberkorn im Alter von 68 Jahren nach schwerer Krankheit gestorben.

Vor zwei Jahren sollte Haberkorn von der SZ wieder einmal porträtiert werden. Damals waren Fragen offen nach neuen Arbeiten, seiner Entwicklung auf dem "dornigen Weg zum abstrakten Expressionismus", neuen Zyklen und wiederentdeckten Techniken. Sein Magazin in seinem Atelier am Isardamm in Geretsried quoll über. Fingerübungen auf Papierfetzen auf einem großen Tisch, neue Farbradierungen und Holzschnitte an den Wänden.

Doch der Maler hatte anderes im Kopf, als über seine Kunst zu sprechen. Er machte sich stark für einen Beirat für Bildende Kunst in Wolfratshausen. Zwar sei es verdienstvoll, dass sich Vereine darum kümmerten, sagte er. Doch die Bildenden Künste gehörten in professionelle Hände. "Es geht in erster Linie um Qualität, und was, wo und wie ausgestellt wird." Bilder wie bei der Kunstmeile in der Marktstraße in Schaufenstern als Dekorationsmaterial auszustellen, "das lehne ich strikt für mich ab", sagte er damals der SZ.

Einladung nach Brüssel

Bei der nächsten Kunstmeile hat er dennoch mitgewirkt. Auf seine Weise. Zusammen mit Ruth Kohler und Alinde Rothenfußer hatte er kleine Grafiken geschaffen und diese als farbige und hoffnungsfrohe Botschaften in die staubblinden Fenster des alten Vermessungsamts geheftet - für einen guten Zweck. 1200 Euro haben die drei Maler aus Verkäufen erlöst für bedürftige Menschen in Wolfratshausen.

Haberkorn schätzte Maler, die sich sozusagen werktreu bleiben, wie zum Beispiel Volker Witte. "Seine Bilder haben Qualität. Sie sprechen mich an", sagte Haberkorn über Witte, mit dem er vor fünf Jahren eine Gemeinschaftsausstellung im Geretsrieder Rathaus organsiert hatte. Sonst war eigentlich wenig zu sehen von dem bedeutenden Wolfratshauser Maler. Wer seine Arbeiten mochte, musste ihn besuchen und hat es selten bereut.

Nur einmal war er hocherfreut. Die CSU-Europaabgeordnete Gabriele Stauner hatte ihn 2002 für eine Ausstellung im EU-Parlament in Brüssel eingeladen. "Es ist eine Ehre", hat er damals kurz und knapp formuliert. Und erst recht gefreut hat er sich über den Kulturpreis 2001 der Stadt Wolfratshausen, übrigens seine einzige Auszeichnung. Schon damals beklagte er ein fehlendes Forum für professionelle Kunst an der Loisach.

Deshalb hat es ihn nach Rosenheim gezogen, wo er Unterricht an der Fachhochschule gab. Und er arbeitete im dortigen Kunstverein mit, der so lebendig und kompetent wirkt, wie er sagte. Heinz Haberkorn studierte bis 1968 Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in München. Die Gruppe "Spur" - das Zentrum der expressionistischen Malerei - hat sein Schaffen geprägt, als junger Wilder und bis zuletzt als reifer Wilder.

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Quelle:
SZ vom 17.06.2011
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