Süddeutsche Zeitung

Heimatwerkstatt:Glas wie Beton

Die Geltinger Firma Silatec stellt Scheiben her, die nicht zerschlagen und durchschossen werden können. Verkauft werden sie auch nach Asien und Russland

Von Nils Hannes Klotz, Geretsried

Ein kräftiger Hieb mit dem Stahlhammer. Und noch einer. Zur Demonstration schlagen zwei Mitarbeiter der Firma Silatec auf eine Glasscheibe ein. Das Unternehmen behauptet von sich, Glas herzustellen, das selbst unter großer Gewalteinwirkung nicht so einfach zu zerstören ist. Und tatsächlich: Das Glas splittert zwar, aber ein Loch bekommen die beiden mit Schutzbrille gesicherten Arbeiter einfach nicht in die Scheibe. Sie könnten jetzt noch 15 Minuten so weiterschlagen, sagt Firmeneigentümer Christoph Hahn.

Wie lässt sich so ein Glas herstellen? Viel lässt sich der gebürtige Münchner, der um die Jahrtausendwende den Betrieb von seinem Vater übernommen hat, nicht entlocken. Großes chemisches und mechanisches Verständnis sei erforderlich, sagt der Bauingenieur - Physik helfe auch. Das besondere an dem komplizierten Herstellungsverfahren seien die unterschiedlichen Materialien und Reihenfolgen für die einzelnen Schichten. "Zwischen den Scheiben spielt die Musik", betont Hahn. Die Rohstoffe für die Schichten stelle Silatec selbst her - diese Mischung sei das wohlgehütete Geheimnis. Das Glas bekomme das Unternehmen zugeliefert. In penibel genauer Handarbeit würden die Scheiben Schicht für Schicht zusammengefügt. "Wenn wir uns um einen Zentimeter vermessen, können wir sie wegschmeißen." Das fertige Glas könne man aufgrund der besonderen Zusammensetzung nach der Fertigstellung nicht mehr schneiden.

Was die Scheiben von gewöhnlichem Panzerglas unterscheide, sei die bessere Lichtdurchlässigkeit ohne Grünschimmer und die deutlich höhere Sicherheit trotz weniger Gewicht, erklärt Hahn. 700 Tonnen Scheiben produziert die Firma jährlich für verschiedene Sonderanfertigungen.

Hahn spricht von drei Sicherheitsstufen: Die Spezialscheiben verhindern auf der Ebene der mechanischen Sicherheit, dass Unbefugte überhaupt in ein Gebäude oder eine Vitrine eindringen. Auf diese Sicherheitsebene habe sich sein Unternehmen spezialisiert. Die elektronische Sicherheitsebene meldet lediglich den Einbruch. Die dritte Stufe soll als "Predictive Profiling" durch die Analyse von Verhaltensmustern einen potenziellen Einbruch im Vorhinein verhindern.

In Deutschland werden die Sicherheitsscheiben vorwiegend für Schaufenster und Privathäuser genutzt. Vom Tegernsee bis nach München habe er viele Privatkunden, sagt Hahn - explizit an schönen Seelagen und in Münchener Villenvierteln wie Grünwald, Herzogpark und Nymphenburg. "Die meisten Kunden sehen sich ungern veröffentlicht." Häufig besäßen diese Kunstsammlungen im dreistelligen Millionenbereich.

Sein Absatz im Ausland hat sich verdoppelt

Auch im Ausland hat Hahn Käufer. Asien, Russland, Frankreich und die Schweiz gehören zu seinem Abnehmern. Er habe zudem Aufträge von großen Konzernzentralen in Europa, die ihre Gebäude nachträglich schusssicher machen wollen - vorwiegend gegen Waffen wie die Kalaschnikow. Das seien Unternehmen, die einer besonder Sicherheit bedürfen, wie zum Beispiel Energieversorger. Es gebe eine zunehmende Verunsicherung, sagt Hahn. Das merke er auch in seinen Geschäftszahlen. Sein Absatz im Ausland habe sich in den vergangenen Jahren annähernd verdoppelt.

Anfang der 70er Jahre habe sein Vater in einer Garage begonnen, mit dem Glas zu experimentieren, sagt Hahn. Seither werde es stetig weiterentwickelt. Bereits von Kindesbeinen habe er im elterlichen Betrieb mitgearbeitet. Mittlerweile beschäftigt der Kleinunternehmer etwas weniger als 50 Mitarbeiter. "Angefangen habe ich, den Hof zu fegen." Dann habe er in den diversen Abteilungen von der Produktion bis zum Vertrieb gearbeitet. Ein Schwerpunkt sei für ihn heute immer noch der Technikbereich. Dort entwickle er eigene Maschinen für seine Produktion.

Mit der wirtschaftlichen Entwicklung seines Unternehmens ist Christoph Hahn zufrieden. Er habe schon schlechtere Zeiten erlebt. Allerdings sei auch er betroffen von dem in der Industrie weit verbreiteten Fachkräftemangel. Es sei schwierig, gute Leute zu finden. Vor zehn Jahren habe er auf Ausschreibungen noch stapelweise Bewerbungen bekommen. Jetzt kämen diese nur noch tröpfchenweise. Aus volkswirtschaftlicher Sicht sei das zwar ein sehr gutes Zeichen. Die Suche nach Bewerbern erfordere aber deutlich mehr Kraft und Kreativität.

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Quelle:
SZ vom 15.05.2019
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