Heimatwerkstatt:Eine ginvolle Idee

Heimatwerkstatt: Mehr als 6000 Gin-Sorten gibt es weltweit aktuell. Die Abonauten stellen daraus interessante Probier-Pakete zusammen.

Mehr als 6000 Gin-Sorten gibt es weltweit aktuell. Die Abonauten stellen daraus interessante Probier-Pakete zusammen.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Bei den Abonauten aus Bad Tölz kann man monatlich Wacholderschnaps aus aller Welt bestellen.

Von Nora Schumann

Das Büro der Abonauten liegt etwas versteckt in einer alten Kerzenfabrik im Gewerbegebiet Bad Tölz. Eine blanke Stahltür führt in ein kahles, unverputztes Treppenhaus. Fast nicht zu glauben, dass hier exquisite Päckchen Monat für Monat an begeisterte Ginliebhaber versendet werden. Der erste Eindruck ändert sich erst mit Betreten der Büroräume. Drinnen dominieren hohe Decken, helle Holzverkleidungen. Schachteln, Kisten und Verpackungen stapeln sich neben freistehenden Arbeitstischen. Die Gründer und Geschäftsführer Marco Tunger und Christian Schumm sitzen entspannt vor einer Ansammlung kleiner Ginfläschchen. "Wir lösen ein Problem", sagt Tunger. Dieses Problem lautet: Man geht in ein Geschäft, egal ob das ein gut sortierter Supermarkt oder ein Fachgeschäft ist, und steht vor einem Regal mit einer unendlich großen Anzahl von Spirituosen. "Sind wir mal ehrlich ", so Tunger, "man kauft eigentlich eine hochwertige Spirituose danach, ob einem die Flasche und das Etikett gefällt." Wenn das teuer erstandene Produkt dann nicht den eigenen Geschmack treffe, sei man enttäuscht und kaufe am Ende immer nur das Gleiche, sagt er.

Die Gin-Abonauten haben es sich zur Aufgabe gemacht, dieser Eintönigkeit entgegen zu wirken. Ab 29,90 Euro kann man bei ihnen ein Gin-Abo abschließen. Drei Gins werden pro Monat frei Haus geliefert, immer andere Produkte, immer von den beiden Gründern eigenhändig ausgewählt. "Wir sind auf sehr vielen Messen unterwegs: Feinkostmessen, Genussmessen, Spirituosenmessen", erklärt Marco Tunger. "Die Leute stoppen und sagen: Gin-Abo? So viel kann ich gar nicht trinken." Das Besondere sei aber die Größe der Flaschen - eine Probiergröße von 100 Millilitern pro Flasche. Aus 300 Millilitern ließen sich dann rund sieben Gin Tonics machen - im Monat. "Wir gehen davon aus, dass unsere Kunden keine Sozialautisten sind und zum Trinken im Dunkeln alleine in den Keller gehen, sondern dass sie mit Freunden oder Verwandten trinken", sagt Tunger schmunzelnd. So gesehen seien sieben Gin Tonics im Monat nicht mehr besonders viel.

Tunger ist im Betrieb zuständig für Marketing, war zuvor auch in dieser Branche tätig. Christian Schumm stellt selbst Spirituosen her, unter anderem auch Gin. "Da haben sich auch noch zwei Leute gefunden, die sich thematisch ganz gut ergänzen", erklärt Tunger. Fachliches Wissen sei da und die nötige Marketing- und Vertriebsdenke auch, erklärt er.

Getroffen haben sich beide in einem Co-Working Space, den Tunger in Bad Tölz betrieben hat. Schumm war einer der ersten "Mitbewohner", der dort einen Arbeitsplatz gemietet hat. Die beiden scheinen sich gut zu ergänzen, Marco Tunger übernimmt die meiste Zeit das Reden, Christian Schumm wirft dann und wann Anmerkungen ein. "Ich habe noch mal einen anderen Blick auf die Branche", sagt der Spirituosenhersteller. Problematisch sei zum Beispiel, dass ein Hersteller seinen Gin im Supermarkt nicht großartig erklären könne - da gibt es nur das Etikett. Die Abonauten dagegen bieten in ihrem digitalen Regal viel Platz zur Erklärung zum Beispiel von Geschmacksnoten.

Heimatwerkstatt: Marco Tunger (links) und Christian Schumm verkaufen als Abonauten von Bad Tölz aus ihre Gin-Abonnements.

Marco Tunger (links) und Christian Schumm verkaufen als Abonauten von Bad Tölz aus ihre Gin-Abonnements.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Um einen Platz in einer der Ginboxen ergattern zu können, müssen die Hersteller allerdings gewisse Kriterien erfüllen. Die Gins müssten "handwerklich gut gemacht sein", so Tunger. Am besten würden regionale Zutaten verwendet, sowie ein gutes Grundprodukt. Und der Gin müsse von einem Destillateur kommen, der sein Handwerk von der Pike auf gelernt habe und der für sein Produkt brenne, erläutert er. Geschmack sei subjektiv, aber Qualität könne man gut bewerten. "Wir stellen Produkte vor, die die Leute sonst auch nie gefunden hätten, weil's ganz kleine Hersteller sind oder es die Gin-Sorten in Deutschland gar nicht gibt", sagt Schumm.

Die Hersteller fänden sie auf Messen und bei Onlinebestellungen. "Wir waren jetzt erst fünf Tage in Schottland und haben da Destillerien besucht, wir kommen viel rum und entdecken so Produkte, die Normalsterbliche nicht finden würden", ergänzt Tunger. "Es geht auch darum, wie spannend ist ein Produkt? Wie anders im Vergleich zum Mainstream?", sagt er. "Ich hab ein schönes Beispiel", schaltet sich Christian Schumm ein, "von einem Produkt, das kommt aus Argentinien, von jemandem, der dort die beste Bar Südamerikas betreibt, von diversen Magazinen ausgezeichnet. Quasi der Charles Schumann von Lateinamerika", erzählt er. Dieser Barbetreiber habe einen Gin kreieren wollen, der typisch fürs Land ist. Und so sei er drauf gekommen, bei der Herstellung Mate und Eukalyptus einzusetzen. "Der Gin schmeckt sehr abgefahren", sagt Schumm.

Gestartet sind die Abonauten mit einer Crowdfunding-Kampagne. 10 000 Euro Startgeld kamen dabei zusammen. Das gesammelte Geld sei aber nicht der ausschlaggebende Grund für die Gründung gewesen, erklärt Tunger. "Sondern dadurch hatten wir dann schon Vorbestellungen auf ein Produkt, dass es noch gar nicht am Markt gab", sagt er. "Das hat natürlich auch Spaß gemacht, dass wir sehen konnten: Wir können sogar Leute von einer Idee begeistern, ohne dass sie was in der Hand haben."

Mit knapp 100 Interessierten sind die Abonauten gestartet, mittlerweile haben sie 700 Abonnenten und verkaufen zusätzlich rund 100 Ginboxen pro Monat auf Messen. Außer Tunger und Schumm arbeiten noch drei weitere Leute für das Startup.

Zusätzlich zum Gin gibt es in jeder Box eigene Gindeckel mit einem Kalendarium auf der Rückseite, wann die nächste Box kommt, und ein weiteres Produkt "rund um den Gin". Meistens ist das etwas wie Tonic Water. "Und das hier!" Tunger zieht einige Pappkarten aus der Box. "Das sind unsere Gin-Fächer. Die sind Pantone-Farbfächern nachempfunden", sagt er. Für jeden Gin gibt es ein Fächerkärtchen, auf dem Informationen zur Spirituose und ihrer Herkunft stehen. "Im ersten Monat liegt der Fächer bei, im nächsten Monat immer neue Blätter, vorgelocht, mit Buchbinderschraube", erklärt Tunger. Das sei dann eine private Gin-Bibliothek. Jede "Probierflasche" verfügt außerdem über einen QR-Code, den man scannen kann und damit direkt zum Produkt in Normalgröße im Shop der Abonauten gelangt. Als nächsten Schritt planen die Spirituosenliebhaber die Einführung eines Whisky-Abos. "Das Abo soll im Herbst starten", sagt Schumm, "so dass es als Weihnachtsgeschenk unter dem Baum liegen kann".

Angst vor schwindenden Ressourcen kommt bei Christian Schumm und Marco Tunger nicht auf. "Aktuell gibt es über 6000 Gins auf der Welt", sagt Tunger. Sie hätten zusammen ausgerechnet, dass sie 192 Jahre weitermachen könnten, ohne eine einzige Wiederholung fürchten zu müssen. "Es ist nicht so, dass wir hier den ganzen Tag am trinken sind", sagt Tunger und lacht. "Aber es macht einfach Spaß. Uns und den Leuten."

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