MeinungGeschichte im Oberland:Es ist problematisch, wenn Tech-Giganten NS-Bezeichnungen am Leben erhalten

Kommentar von Benjamin Engel, Wackersberg

Lesezeit: 1 Min.

Wer bei Google Maps oder anderen Kartendiensten „Hitlerberg“ eingibt, kommt zum Heigelkopf in Wackersberg. (Foto: SZ/oh)

Online-Kartendienste verknüpfen den Heigelkopf im Tölzer Land noch 80 Jahre nach dem Nationalsozialismus mit Hitler. Es ist höchste Zeit, dass die Konzerne ihre Rolle in der digitalen Erinnerungskultur hinterfragen.

80 Jahre, das ist eine Zeitspanne, die ein durchschnittliches Menschenleben umfasst. Doch statt einer gefestigten demokratischen Kultur sehen wir uns heute mit einer beunruhigenden Realität konfrontiert: Rechtsextremistisches Gedankengut infiltriert zunehmend die Demokratien westlicher Prägung. Diese Entwicklung bedroht nicht nur oberflächlich  Gesellschaften, sondern greift die Grundfesten freiheitlicher Ordnungen an. In Zeiten, in denen das kollektive Gedächtnis zu verblassen droht, wird die Auseinandersetzung mit der Geschichte umso wichtiger.

Gerade vor diesem Hintergrund mutet es schon reichlich seltsam an, dass Online-Kartendienste den Heigelkopf bei Wackersberg immer noch mit dem Diktator Adolf Hitler verknüpfen. Denn wer im Suchfeld Hitlerberg eingibt, landet beim Gipfel im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. So hieß der Berg während der zwölf Jahre dauernden Nazi-Diktatur.

Dass das Unternehmen Google auf Nachfrage antwortet, sich nicht zu Einzelfällen äußern zu können, spottet eigentlich jeder Beschreibung. Gleichzeitig weist der Konzern darauf hin, dass Nutzer fehlerhafte Informationen auf Google Maps jederzeit melden könnten. Das geht am Kern der Thematik vollkommen vorbei.

Auch die Argumentation von Microsoft, sich auf „strikte Richtlinien für historische Ortsnamen“ zu berufen, greift hier zu kurz. Der Vergleich zwischen der Suche nach „Karl-Marx-Stadt“ für Chemnitz und „Hitlerberg“ für den Heigelkopf offenbart eine gefährliche Gleichsetzung unterschiedlicher historischer Kontexte.

Ob das damit zusammenhängen könnte, dass es sich eben um US-amerikanische Unternehmen handelt? Es zeugt jedenfalls von mangelndem historischem Bewusstsein. Gerade die Bundesrepublik Deutschland steht nämlich als Nachfolgestaat der NS-Diktatur in einer besonderen Verantwortung. In nur einem Dutzend Jahren gingen doch von deutschem Boden unfassbare Gräuel aus. Das Nazi-Regime löschte nicht nur in so systematisch nie gekannten Ausmaßen sechs Millionen Juden aus, sondern ist zudem dafür verantwortlich, dass weltweit um die 60 Millionen Menschenleben ausgelöscht wurden, weil es den Zweiten Weltkrieg entfesselte.

Es ist höchste Zeit, dass Technologiekonzerne ihre Rolle in der digitalen Erinnerungskultur kritisch hinterfragen - egal wo sie sitzen.

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Auf dem Heigelkopf bei Bad Tölz stand einst ein zehn Meter hohes Hakenkreuz aus Eisen. Obwohl der Gipfel längst umbenannt ist, findet man ihn immer noch mit der alten Bezeichnung bei Online-Kartendiensten.  Warum sich daran wohl auch nichts ändern wird.

SZ PlusVon Benjamin Engel

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