Hefeschnecken haben immer Saison. Bei der Füllung sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt, vom Klassiker mit Zimt bis zum deftigen Teilchen. Nur eines ist wichtig: Sie müssen fluffig sein, nicht zu trocken und nicht zu süß. Kaum aus dem Backofen, verströmen sie einen betörenden Duft. Antonia Wilhelm liebt das Gebäck, es wurde ihr Markenzeichen. So mag es kaum verwundern, dass die 27 Jahre alte Konditormeisterin in ihrem Café Zuckerschnecke in Bad Tölz verschiedenste Variationen anbietet. Da heißt es: Achtung, Suchtgefahr!
Viel Zeit hat Antonia Wilhelm nicht. Kurzfristig hat sich eine Hochzeitsgesellschaft angemeldet, die nach dem Standesamt im Tölzer Rathaus zu Kaffee und Kuchen vorbeikommen möchte. Da gibt es allerhand zu tun. Die Backstube wartet, die Torte muss noch verziert werden. Die 27-Jährige sitzt auf der Terrasse am Haus an der Schützenstraße, das früher das Café Garten beherbergte. „Die Möbel haben wir erst kürzlich gekauft“, erzählt die Penzbergerin. Die Freiluftsaison startet, an diesem Tag strahlt die Sonne. Das Leben fühlt sich leicht an. Die junge, sympathische Geschäftsfrau beginnt zu erzählen.

Konditorin zu werden, sei schon immer ihr Traum gewesen, sagt Antonia Wilhelm. Wenngleich sie nach dem Abitur im Jahr 2015 zunächst einen anderen Weg einschlug. Sie studierte Mathematik in München. Doch das sagte ihr nicht zu. Sie wechselte das Fach und machte mit BWL (Schwerpunkt Chemie) an der Technischen Universität München weiter. Ihr Studium schloss sie mit dem Bachelor ab. Ahnung von Betriebswirtschaftslehre zu haben, ist sicherlich keine schlechte Basis, wenn man den Wunsch hegt, selbständig zu sein. Der Traum der Penzbergerin war es, Konditorin zu werden und ein eigenes Café zu eröffnen.

Ihre Liebe zum Backen hat Antonia Wilhelm früh entdeckt. Gemeinsam mit einer Freundin machte sie sich als Teenagerin ans Werk. Anfangs waren es noch fertige Mischungen, wie sie in Supermarktregalen zu finden sind. Es folgten „Omas Rezepte“. Wobei, berichtet die 27-Jährige lachend, die erste Schwarzwälder Kirschtorte ein „Desaster“ gewesen sei. „Das war ein rechter Batz.“ Davon entmutigen ließ sie sich nicht. Das Backen für die Familie machte Spaß. Dabei sei sie selbst gar nicht so eine „Süße“, erzählt Antonia Wilhelm. Ihr Favorit ist das Hefegebäck in seiner Mannigfaltigkeit. Dafür sei ihr Bruder eine Naschkatze mit Faible für Torten und Co.
Nach dem BWL-Studium folgte die Lehre
Das Studium sei eine gute Zeit gewesen. Sie habe vieles mitnehmen können, sagt sie. Doch ihr Traum blieb es, Konditorin zu werden. Sie begann eine Lehre in einem Münchner Familienbetrieb. Dort sei alles selbstgemacht worden – von der Praline über Torten bis zum Plundergebäck. „Die Ausbildung war tough“, erzählt sie. Es habe Augenblicke gegeben, wo sie sich fragte, ob weitermachen einen Sinn habe. „Aber ich hatte ein Ziel vor Augen.“ Danach arbeitete sie ein Jahr lang als Gesellin in der Patisserie in einem Hyatt-Hotel. Antonia Wilhelm blieb ihrem Weg treu. Sie bewarb sich an der städtischen Meisterschule für das Konditorenhandwerk in München. 24 Bewerber werden dort pro Jahr angenommen. Im Sommer 2024 legte Wilhelm als eine der Jahrgangsbesten ihre Meisterprüfung ab.

Mit ihrem Lebensgefährten Leon Richter zog es sie aus der Landeshauptstadt zurück nach Penzberg. „Wir wollten Richtung Berge. Wir lieben das Gleitschirmfliegen.“ Zuerst dachte die 27-Jährige daran, ein Café in ihrer Heimatstadt zu eröffnen. Das zerschlug sich ebenso wie die Idee, im Elternhaus den Keller zur Backstube auszubauen und Torten auf Bestellung herzustellen.
Es mag eine glückliche Fügung gewesen sein, dass Wilhelms Eltern bei einem Besuch im vergangenen November sahen, dass das ehemalige Café Garten zu vermieten ist. Ja, sagt die Konditormeisterin, es sei ein mutiger Schritt gewesen, sich selbständig zu machen und ein eigenes Geschäft zu eröffnen. „Vor allem mit meinem jetzigen Wissen. Backen ist das eine, die Bürokratie, die das nach sich zog, das andere.“ Anfang Februar dieses Jahres war es soweit. Ein neuer Name musste gefunden werden.„Zuckerschnecke“ passt nicht nur zum Angebot, es ist Antonia Wilhelms Kosename. „Meine Mutter hat ihn mir gegeben.“ Das Café hat 65 Sitzplätze im Inneren. Der helle Wintergarten lädt zum genussvollen Chillen ein. Im Außenbereich sind es noch einmal circa 50 Plätze. „Die Location ist superschön“, betont die Penzbergerin.
Neun verschiedene Kuchen und Torten pro Tag warten in der Theke darauf, vernascht zu werden. Käsesahne, Sachertorte, Nougat-Himbeer-Torte, Karamell-Schoko-Torte oder Mango-Maracuja-Torte mit Tonka-Creme verwöhnen die Gaumen. 70 Hefeschnecken gesellen sich dazu. Es gibt sie etwa mit Apfel, mit Germknödel- oder Bienenstich-Geschmack.

Die gefüllten Teigrollen findet man rund um den Globus in unterschiedlichsten Variationen. Die berühmteste ist wohl die Zimtschnecke. Sie stammt aus Schweden. Von dort aus hat sie mit einem Umweg über die USA die Welt erobert. Antonia Wilhelm lernte die Kunst, fluffige Hefeschnecken zu backen bei einem Praktikum in einer Backstube in dem skandinavischen Königreich.
Nach gut einem Monat ist Antonia Wilhelm immer noch glücklich über ihre Entscheidung. „Das Frühstück geht wahnsinnig gut“, erzählt sie. Am Wochenende sei es daher am besten zu reservieren. Die Konditormeisterin setzt bei diesem Angebot auf ein Baukastenprinzip. „Ich gehe selbst sehr gerne frühstücken, aber oft muss man Kompromisse eingehen.“ Dies heißt: Irgendetwas ist immer vorgegeben, das man nicht mag. Daher kann man im Café Zuckerschnecke das Frühstück selbst zusammenstellen: Wurst, Käse, Lachs - oder auch nur süß. Dazu gibt es Brot, Baguette oder Croissants. Gäste können sich zwischen „Smoothie-Bowl“, „Herzhaft und fein“, „Lachs und Liebe“ oder dem „Zuckerschnecken Lieblingsfrühstück“ entscheiden. Für Veganer ist ebenfalls etwas dabei.
Langfristig möchte Antonia Wilhelm das Angebot ausweiten. Dabei ist ihr die Regionalität der Produkte wichtig. Das Bier bezieht sie von der Brauerei Hoppebräu aus Waakirchen - eine „coole Zusammenarbeit“. Der Kaffee etwa kommt von der Rösterei „Bohnenreich“ in Miesbach. „Es sind alles so nette Menschen, so hilfsbereit“, schwärmt die 27-Jährige.

Tee-Liebhaber können sich von Spezialitäten aus dem Hause Dallmayr verwöhnen lassen. Belegte Bio-Baguettes stehen ebenfalls auf der Speisekarte. Das französische Brot bestellt Antonia Wilhelm bei der Auftragsbäckerei „Franz Baguette - Atelier du Pain“ in Kottgeisering.
Das Café Zuckerschnecke, Schützenstraße 1, in Bad Tölz hat von Freitag bis Dienstag von 9 bis 17 Uhr geöffnet. Mittwoch und Donnerstag sind Ruhetage.