Hartes Wintertraining:Touchdown bei den Tölzer Steinböcken

American Football wird hierzulande immer beliebter. In der Kurstadt trainieren 221 "Capricorns" den komplexen Sport.

Von Dorothée Nowotny

Die Halle bebt. Füße stoßen wie die Nadel einer Nähmaschine in den Kunststoffboden. "Ready!", schreit ein junger Mann, breit gebaut - die Jungs werfen sich simultan in Liegestützposition. "Go!" - sie sprinten auf die andere Seite der Halle.

Die U19-Mannschaft des Bad Tölzer "American Football"-Vereins "Capricorns" absolvieren gerade ihr Wintertraining. "Head Coach" und "Defensive Coordinator" der Jugend, Dominic Nolde, ist in Hektik. "Gerade befinden wir uns in der Off-Season und trainieren die Fundamentals", sagt er. Fundamentals - wie die Footballer sagen - sind die Grundvoraussetzungen für den Sport: Wie fängt und wirft man den Ball, wie läuft man richtig? Was nach Grundschulsport klingt, ist im "American Football" nicht einfach. Die Jungs laufen rückwärts, das Hinterteil nach außen gestreckt, den Oberkörper nach vorne gerichtet. Nolde kritisiert einige Sportler für ihre Haltung: "Wenn ihr zu aufrecht lauft, fallt ihr nach hinten um! Football spielt man tief!" Auch "Tackle" (den Ballträger zu Boden bringen), Kraftausdauer und Koordination werden traininert.

Bad Tölz Capricorns American Football

"Planks", "Crunches" und "Footfire": Die Bad Tölzer "Capricorns" absolvieren ihr Wintertraining in der Jahnschule.

(Foto: Manfred Neubauer)

Peter Fiellaus lehnt am Türrahmen und beobachtet das Geschehen. Sein 16-jähriger Sohn Quirin habe vor knapp zwei Jahren mit dem Sport angefangen. "Das Tolle am Football ist, dass jeder mitmachen kann - egal wie er aussieht", sagt Fiellaus. Das bestätigt auch Coach Nolde: "Wir brauchen die Kräftigen, die ihr Gegenüber bewegen können, aber auch schnelle, agile Player."

Die Geschichte der "Bad Tölz Capricorns" beginnt 1981. Sechs Starnberger gründen zusammen mit elf Amerikanern der Flint Kaserne in Bad Tölz die "Starnberg-Bad Tölz Argonauts". 2011 zerschlägt sich die Zusammenarbeit der zwei Landkreis-Vereine und so gründen ehemalige Spieler der "Argonauts" die "Bad Tölz Capricorns". Bis 2014 hat der Verein 84 Mitglieder - von da an steigen die Zahlen rasant: Heute sind insgesamt 221 Football-Spieler, Cheerleader, Trainer und Referees bei den Capricorns. Bis 2020 sollen es 500 Mitglieder sein.

Bad Tölz Capricorns American Football

Trainer Dominic Nolde spielte selbst ein Jahr lang Football in den USA.

(Foto: Manfred Neubauer)

"Football boomt in Deutschland", sagt Nolde. Vor allem um die Superbowl-Zeit kämen die meisten dazu. Von März an, wenn die Spielvorbereitungen beginnen, gehe es richtig zur Sache. "Wenn's wehtut, wenn's knallt, dann steigen wieder welche aus", sagt Nolde. Und es knallt oft im Football. Eine Studie aus dem Juli dieses Jahres der Boston University und VA Boston Healthcare System erwies, dass 110 von 111 bereits verstorbenen Profispielern der "National Football League" (NFL) an der Gehirnerkrankung CTE (Chronisch Traumatische Enzephalopathie) litten. In der Jugendmannschaft der Capricorns habe es letztes Jahr keine Verletzungen gegeben. "Wir investieren in gute Ausrüstungen, gute Trainer und perfekte Vorbereitung für die Spiel-Saison", sagt Thomas Dudek, erster Vorstand des Vereines. 700 Euro koste eine gelb-grüne Footballmontur der "Capricorns" - der Verein selbst hat 45 davon. Als Nolde 13 Jahre alt war und mit dem Football anfing, hieß es noch, man spiele nicht richtig, wenn keine Sterne vor den Augen tanzen. Heute will man von der "zerstör-und-dominiere-deinen-Gegner-Mentalität" abkommen. Die "Capricorns" trainieren erst kurz vor der Spiel-Saison in voller Montur - es gibt keine Kopf-an-Kopf-Übungen. Wichtig ist für Nolde, dass die Spieler eine saubere Technik und einen gesunden Geist haben. "Das ist eine große Verantwortung. Ich könnte nicht damit leben, dass einer der Jungs später mal nicht in seinem Job arbeiten kann, weil er sich im Football verletzt hat", sagt Nolde.

Bad Tölz Capricorns American Football

Beim Training tragen die Spieler Helme wie diesen.

(Foto: Manfred Neubauer)

Inzwischen liegen hellblaue Turnmatten wie kleine Inseln in der Halle. Auf jeder stehen sich zwei Jungs gegenüber - einer bückt sich, zieht dem anderen die Beine vom Boden weg. Es knallt. Der "Center" Quirin Fiellaus (Spieler in der Mitte der Mannschaft - er steht direkt vor dem Quarterback) hat ein schwarzes Bandana um den Kopf gebunden. Sein Lieblingsteam seien die "Minnesota Whitecaps": "Sie sind mir einfach sympathisch". Auf der anderen Seite der Halle blitzen gelbe Helme. Zwei muskelbepackte Körper schieben sich ein paar Zentimeter hin und her.

Bad Tölz Capricorns American Football

Vorsitzender Thomas Dudek achtet darauf, dass der Verein in gute Ausrüstung investiert.

(Foto: Manfred Neubauer)

Football sei aber nicht nur ein körperlicher Sport - viel mehr gleiche es einem Schachspiel, sagt Quirins Vater. "20 Prozent Körper und 80 Prozent Geist hat mein alter High-School-Trainer immer gesagt", erzählt Nolde, der als Jugendlicher ein Jahr Football an der "Somerset Area High School" in den USA spielte.

Die Trainer der "Capricorns" machen ihm zufolge - zusätzlich zum normalen Trainerkurs - regelmäßig spezielle Schulungen und seien mehrere Tage im Jahr auf Fortbildung. "Unser Ziel ist, dass ehemalige Spieler der 'Capricorns' zu Coaches werden. Das kann man nicht kaufen", sagt Dudek. Der 20-jährige Korbinian Pummer spielte früher selbst in der U19 Mannschaft und hilft jetzt beim Training aus. Für ihn ist Football mit viel Teamgeist und Disziplin verbunden. Die Disziplin lebt Pummer auch im Alltag: "Man muss auf seine Ernährung achten, selbstbewusst sein und im Kopf fit bleiben. Football ist ein sehr komplizierter Sport", sagt er.

Mädchen sind an diesem Abend nicht in der Turnhalle der Jahnschule. Wenn sie wollten, könnten sie aber mittrainieren. Bis 16 Jahren sei es Mädchen auch erlaubt, bei echten Spielen für die Mannschaft anzutreten. "Eine Mädchen-Football-Mannschaft ist theoretisch denkbar, aber im Moment gibt es noch zu wenig Interesse", sagt Dudek. Der Verein hat aber ein Cheerleader-Dance-Team, bestehend aus acht bis zehn Mädchen zwischen 13 und 24 Jahren. Mit Hip-Hop- und R'n'B-Tänzen feuerten sie die Mannschaft an, hätten auch eigene Choreografien und Aufführungen.

Während der letzen Übungen schnauben die Jungs: "Planks", "Crunches", "Footfire", "High Knees", Liegestützen. Schweiß sammelt sich in hochroten Gesichtern und rinnt die Schläfen hinunter. Doch es wird sich gemeinsam geplagt - keiner gibt auf. "Das Wichtigste ist der Team-Spirit. Wenn eine Position nicht funktioniert, bricht alles zusammen. Nur gemeinsam können wir gewinnen", sagt Nolde und klatscht anfeuernd in die Hände.

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