Handwerk:Die Räder der Geschichte

Zahlreiche Mühlen prägten einst das Stadtbild von Wolfratshausen und trieben die Wirtschaftskraft an. Christian Steeb vom Burgverein hat die Bauwerke und ihre Entwicklung erforscht

Von Leonard Scharfenberg, Wolfratshausen

Die Stadt Wolfratshausen hat eine bewegte Geschichte. Angetrieben wurde diese lange von den zahlreichen Mühlen an den Flüssen. "Es gab hier immer Theater", berichtete der Hobbyhistoriker und Heimatforscher Christian Steeb bei seinem Vortrag über die historischen Wassermühlen der Stadt, den er am Dienstagabend im Gasthof Flößerei für den Burgverein Wolfratshausen hielt.

Die Mühlen spielten lange eine wichtige Rolle in der Region. Und mit seinen Flüssen und Bächen ist Wolfratshausen immer schon attraktiv für das Müllerhandwerk gewesen. Wie Steeb erklärte, sind die ersten beiden größeren Betriebe, die Birnmühle und die Kastenmühle, bereits um das Jahr 1300 urkundlich erwähnt worden.

Die Kastenmühle prägt noch heute als Weidachmühle das Wolfratshauser Stadtbild. Sie gehörte lange Zeit der Müllerfamilie Heinrici. Während einer lang andauernden Kälteperiode, die im 17. Jahrhundert begann und oft als "kleine Eiszeit" bezeichnet wird, wurde die Mühle dann aber von aufgetürmten Eisschollen auf der Loisach gerammt und zerstört. So kam sie in die Hände der Wolfratshauser Familie Langmayr. Mit dem Betrieb ging es bald wieder aufwärts: Im 18. Jahrhundert hatte die Kastenmühle bereits fünf Mahlmühlen, eine Gerbmühle, um Dinkel zu entspelzen, und eine Lohmühle, mit der die für Gerbereien nötige Baumrinde zerkleinert wurde. Auch die Sägmühle am Besenbräuwehr hinter dem Rathaus ging in den Besitz der Familie über. Besonders bekannt wurde der Müller Franz Langmayr, auch Pulvermüller genannt. Er errichtete zudem auf Ermunterung des Kurfürsten Karl Theodor am oberen Poing eine Pulvermühle. Das sorgte laut Steeb für "ordentlich Zoff" mit den Nachbarn, da die Schwarzpulverproduktion ein riskantes Unterfangen war. Auch das von ihm gebaute hölzerne Wehr, ein sogenannter Senkbaum, welcher regelmäßig die Grundstücke der Nachbarn flutete, trug sicherlich nicht zur Entspannung bei.

Doch nicht alle Langmayrs waren so streitsüchtig wie der Pulvermüller. So wurde 2013 bei Bauarbeiten am Birnmühlplatz ein Mühlstein mit den Initialien des Kastenmüllers Phillip Langmayr und der Jahreszahl 1717 gefunden. Es ist nicht geklärt, wie dieser Stein in die Nähe der Birnmühle kam. Doch einiges lässt auf einen Freundschaftsdienst oder zumindest Verkauf schließen. So gehörten beide Mühlen zum herzoglichen Hofkastenamt. Kasten- und Birnmühle waren zudem sogenannte Bannmühlen, in denen alle Untertanen einer Region ihr Getreide mahlen lassen mussten.

Es gab in Wolfratshausen allerdings auch freie Mühlen, Metzmühlen genannt. Der Müller der Obermühle am Gries beispielsweise zahlte seine Pacht nicht an das Hofkastenamt, sondern an eine katholische Frühmessstiftung. Diese entlohnte von der Pacht einen Pfarrer, der jeden Tag in aller Früh eine Messe las, damit die Wolfratshauser tagsüber ihre Arbeit nicht unterbrechen mussten. Auch die Kronmühle gehörte der Frühmessstiftung, bevor Sie im 20. Jahrhundert erst als Hotel, dann als jüdische Frauenschule und schließlich als BRK-Katastrophenschutzschule genutzt wurde. In den 1980er Jahren musste das Gebäude neuen Wohnblöcken weichen. Die Obermühle erlangte zusätzliche Berühmtheit mit einer komplizierten, mechanischen Aufzugkonstruktion. Der fiel letztendlich aber auch der Müller durch einen Unfall in den 1960er Jahren zum Opfer. Danach wurde das Gebäude zur "Gastwirtschaft zum Paradies".

Paradiesisch waren die Zustände im mittelalterlichen Wolfratshausen zwar nicht, aber interessant. Um Wolfratshausens reiche Vergangenheit kümmere sich aber kaum jemand, so Christian Steeb. Deshalb forscht er mit dem Burgverein zur Geschichte der Stadt.

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