Handwerk:Der Meister der Pixel

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Schreiner Florian Meigel hat sich ein originelles Verfahren ausgedacht, um zwei unterschiedliche Hölzer scheinbar ineinanderfließen zu lassen. Der 19-Jährige aus Benediktbeuern vertritt Deutschland bei den WorldSkills 2019 in Russland

Von Martin Brjatschak, Benediktbeuern

Florian Meigel weiß genau, wie er die komplizierten Arbeitsvorgänge beim Anfertigen eines Möbelstücks einfach und verständlich erklären kann. Der 19-jährige Benediktbeurer ist Schreinergeselle; im Herbst ist er mit einem Schaukelstuhl Deutscher Meister im Schreinerhandwerk geworden. Als nächstes steht im kommenden Jahr eine Art Weltmeisterschaft im russischen Kasan auf dem Programm.

Meigel erzählt, er habe schon immer Schreiner werden wollen. Bereits als Kind beschäftigte er sich viel mit Holz, werkelte und probierte spielerisch herum. Den Eltern entging das nicht: Sein Vater schenkte ihm eine Hobelbank, die präzises Arbeiten am Holz erlaubte. Nach der Mittleren Reife begann der Junge eine Schreinerlehre in der Werkstatt von Konrad Hundhammer in Penzberg.

Mit seinem für die praktische Zwischenprüfung gefertigten Beistelltisch wurde er Sieger im Innungsbereich Miesbach/Bad Tölz-Wolfratshausen. Die darauffolgende Kammerebene konnte der 19-Jährige mit dem von ihm "akustische Soundbox" genannten Werk für sich entscheiden und so Oberbayerischer Meister werden. Mit einem sogenannten "Taschenleerer", einem Möbelstück, das angelehnt an der Wand steht und Platz für Kleinkram bietet, wie man ihn gelegentlich in den Hosentaschen ansammelt, folgte der bayerische Meistertitel.

Alles aus Florian Meigels Hand: das Longboard zum Skaten und das Sideboard zum Aufbewahren. (Foto: Manfred Neubauer)

Dann trat Meigel in Bad Zwischenahn gegen die 13 anderen Schreiner-Champions der Landesebene an. Die Aufgabe: Jeder Teilnehmer musste in 18 Stunden den gleichen Schaukelstuhl bauen. "Der Zeitdruck war immens", erinnert sich der Benediktbeurer. "Jeder hatte Angst, nicht fertig zu werden."

Die Nachwuchsschreiner werden auf Schnelligkeit, aber auch auf Qualität geprüft. Räumliche Vorstellungskraft ist gefordert. Zu Beginn bekommt jeder Teilnehmer die Pläne der zu fertigenden Stücke ausgehändigt und muss möglichst genau nach diesen vorgehen. "Wenn man aber einmal drin ist, dann geht's", sagt Meigel. Das "Reindenken" in die Pläne sei jedoch nicht zu unterschätzen. Man laufe Gefahr, sich wegen der schwindenden Zeit zu wenig mit den Bauplänen zu beschäftigen. So könne man durch zu frühes Anfangen Fehler machen, die später zu großen Problemen führen könnten.

Am Ende seien elf der 14 Bewerber mit der Aufgabe fertig geworden. Meigel setzte sich gegen die starke Konkurrenz durch und gewann den Titel mit 92 von 100 möglichen Punkten, auch wenn es gegen Ende zeitlich sehr knapp gewesen sei, sagt er. Zusammen mit dem diesjährigen Deutschen Meister wird der Benediktbeurer Deutschland nun bei den sogenannten WorldSkills 2019 in Russland repräsentieren.

Meigel kann aber nicht nur auf Grundlage vorhandener Plänen präzise arbeiten. Wie er mit seinem Gesellenstück "Pixelart 17²" beweist, entwickelt er auch eigene Kreativität und versteht es, diese umzusetzen. Schon vor seiner Lehre hat er Longboards aus Holz angefertigt, sie selbst genutzt oder an Freunde abgegeben. Deshalb wollte er im Rahmen seiner praktischen Gesellenprüfung einen Aufbewahrungsraum für die Einzelteile von Longboards schaffen. Nach einem Arbeitsaufwand von mehr als 100 Stunden ist so ein modernes Sideboard in einem "Pixeldesign", wie er es nennt, entstanden.

Der junge Schreinergeselle hat ein ausgefuchstes Muster entworfen, um die Übergänge von hellem zu dunklem Holz geschmeidiger zu gestalten. Mit dem Schaukelstuhl wurde er Deutscher Meister im Schreinerhandwerk. (Foto: Manfred Neubauer)

Was es mit dem Pixeldesign auf sich hat, erklärt der junge Mann so: "Ich hatte mich auf zwei Holzarten festgelegt, konnte mich dann aber nicht entscheiden, welches ich denn nun nehmen soll." Also habe er beide verwendet: Das helle Holz des europäischen Kirschbaums und das dunkle des amerikanischen Nussbaums. Die Pixel sind dazu da, einen möglichst fließenden Übergang zwischen den beiden Holzarten zu ermöglichen. Das sei ihm aber noch zu unspektakulär gewesen: Mit den an der Öffnung zwischen den beiden Schubladen abstehenden Pixeln habe er das Gesellenstück "räumlich öffnen" wollen, erklärt der Benediktbeurer. Diese kleinen Stücke habe er unter enormem Arbeits- und Zeitaufwand mit der Kreissäge anfertigen müssen. Doch genau diese Originalität ist es wohl, die auch bei diesem Stück Auszeichnungen zur Folge hatte. Das zugehörige Longboard - ebenfalls im Pixeldesign - habe er noch zusätzlich hergestellt, denn ohne wäre es ihm "zu wenig" Arbeit gewesen. Meigel macht das Schreinern einfach sehr viel Spaß.

Meigel ist weiterhin in der Werkstatt von Konrad Hundhammer in Penzberg beschäftigt, aber nicht mehr als Lehrling, sondern als ausgebildeter Schreiner. Er wolle Berufserfahrung sammeln und dann den Meister machen, erklärt er. Zur Zukunftsperspektive seines Berufs sagt er nachdenklich, es werde immer schwerer, mit den großen Möbelketten zu konkurrieren. Solange es aber Menschen gebe, die bereit seien, mehr Geld für qualitativ hochwertige Möbel auszugeben, werde es auch Schreiner geben. Aus Interesse habe er einmal ausgerechnet, wie viel sein Sideboard theoretisch kosten würde, wenn man Materialkosten und Arbeitszeit zugrunde legt: um die 10 000 Euro. So viel Geld gibt niemand aus, der mal eben ein Möbelstück kaufen möchte. Aber Meigel ist sich der Qualität handgearbeiteter Stücke bewusst und weiß, dass es auch Kunden gibt, die dies schätzen.

Noch weiß Meigel nicht, ob er sich nach bestandenem Meister zu einem Studium an einer Universität oder Hochschule entscheidet, zu einer Weiterbeschäftigung in der bisherigen Werkstatt, zur Eröffnung eines eigenen Betriebs oder etwas anderem. Jetzt hat er erst einmal Russland im Blick, wo er sich mit den Weltbesten messen kann.

© SZ vom 22.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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