Wenn Michael Stierstorfer im Schäftlarner Gymnasium durch die Gänge geht, grüßen ihn Schülerinnen und Schüler schon einmal mit „Salve Magister Caesar“. Wer diesen Satz sagt, dürfte den gleichnamigen Kanal gesehen haben, auf dem der 39-jährige Lehrer die lateinische Grammatik im Internet über Youtube vermittelt. Auf diese Art nutzt er digitale Hilfsmittel, um seine Unterrichtsfächer Latein und Deutsch den Gymnasiasten näherzubringen. Das gilt gleichermaßen für den Kanal GBS, in dem er mit Schülern seit 2023 sogenannte „Booktubes“ aufnimmt, um besondere Bücher einem breiteren Publikum vorzustellen.
„Man darf sich selbst nie zu ernst nehmen“, sagt Stierstorfer
„Das freut mich schon“, sagt Stierstorfer. „Trotzdem darf man sich selbst nie zu ernst nehmen.“ In dieser Form nahbar und ansprechbar zu bleiben, ist womöglich die Erfolgsformel des Lehrers. Schließlich haben ihn seine Schülerinnen und Schüler selbst für den Deutschen Lehrkräftepreis vorgeschlagen. Mit dem Resultat, dass er ihn von der Heraeus-Bildungsstiftung und dem Deutschen Philologenverband in der Kategorie „Ausgezeichnete Lehrkräfte“ für das Jahr 2025 auch bekommen hat.
„Ich sehe das als Ansporn, noch schülerorientierter zu arbeiten“, sagt Stierstorfer. Mit seinen Schülern versuche er auf Augenhöhe zu kommunizieren, was herausfordernd sei. Denn als Lehrer müsse er dafür die Mitte zwischen dem reinen Kumpeltypen und der unnahbaren Autoritätsperson treffen.
Das scheint ihm gut zu gelingen. Dies vermitteln jedenfalls die Aussagen, mit denen die Gymnasiasten in Schäftlarn begründet haben, warum er den Lehrkräftepreis erhalten sollte: „Herr Stierstorfer steckt uns dadurch mit Begeisterung und Motivation an, dass er jeden Tag gut gelaunt ist, stets passendes Feedback gibt und sein Enthusiasmus auf uns überspringt, weil er aus jedem von uns das Beste herausholen will.“ Von seiner „riesigen Portion lustiger Kreativität“ ist genauso die Rede wie von seinen innovativen Unterrichtsmethoden.
Mit den Schülern seiner P-Seminare betreibt Stierstorfer einen Booktube-Kanal
Dazu gehört vor allem, dass Stierstorfer digitale Medien ganz selbstverständlich in seine Lehrtätigkeit einbaut. 2023 begann er etwa damit, gemeinsam mit seinen Schülern für ein Projekt-Seminar sogenannte „Booktubes“ auf dem Youtube-Kanal GBS aufzunehmen. Dafür rezensierten sie die Novelle „Dunkelnacht“ von Kirsten Boie über die Verbrechen des Nazi-Regimes in der sogenannten Penzberger Mordnacht und „Animal Farm“ von George Orwell. Zwei Veröffentlichungen, die sich mit den brutalen Folgen diktatorischer Herrschaft befassen. Genau das mache es so wichtig, sich damit in politisch aufgeladenen Zeiten zu beschäftigen, meint Stierstorfer. Inzwischen, teilt der Lehrer mit, seien rund 50 Rezensionen auf dem Booktube-Kanal erschienen.
Mittlerweile unterrichtet Stierstorfer in seinem siebten Schuljahr am Schäftlarner Gymnasium. Er studierte an der Regensburger Universität und schrieb seine Dissertation über antike Mythologie in der Kinder- und Jugendliteratur der Gegenwart. Das führt er nun gleichsam in den von ihm initiierten Kanälen auf Youtube fort. Digitale Medien, so sagt er selbst, seien durchaus ambivalent zu beurteilen und doch ein wichtiges Instrument, um gerade junge Leute zu erreichen. Einige Lehrkräfte seien zurückhaltend, digitale Medien einzusetzen. Doch wer damit arbeite, müsse kein perfektes Ergebnis abliefern. Gerade soziale Medien vermittelten sich darüber, dass ihr Inhalte motiviere, sich mit einem Thema auseinanderzusetzen.

Für seinen Booktube-Kanal haben Schülerinnen und Schüler seines P-Seminars etwa den Historiker und Autor Michael Wolfssohn zu seinem Buch „Wir waren Glückskinder“ über seine jüdische Familiengeschichte interviewt oder sich mit dem „Report der Magd“ von Margret Atwood beschäftigt. Für die szenischen Videoclips zu „Animal Farm“ von George Orwell und „Dunkelnacht“ von Kirsten Boie bekam der Booktube-Kanal 2024 den dritten Platz des Cornelsen Zukunftspreises.
Für die Auszeichnung mit dem Deutschen Lehrkräftepreis ist Stiersdorfer am Montag, 31. März, nach Berlin gereist. Dabei durfte er einen seiner früheren Eleven mitnehmen. Der Preis habe ihm verdeutlicht, dass kein Schüler aufgegeben werden dürfe, sagt er. Wenn er merke, dass sich jemand für ein Thema nicht begeistere, motiviere er doch jeden, sich wenigstens einen Aspekt zu suchen, den er auf sein Leben übertragen könne. Mit einem Pluspunktesystem wolle er jeden ermutigen, sich am Unterricht zu beteiligen. Ihm sei es wichtig, mit allen Antworten wertschätzend umzugehen. „Die blödeste Frage ist, gar keine Frage zu stellen“, so Stierstorfer.