Gut wohnen:Wenn die Tür ins Badezimmer zu eng ist

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Die Architektin Susanne Moog (links) berät im Landratsamt Interessierte zum Thema barrierefreies Wohnen. Das Wohnraumberaterteam Ralf Seifert (2.v.l.), Christine Hodolitsch (3.v.l.) und Susanne Galonska (r). (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Wohnraumberater für barrierefreies Bauen im Landratsamt unterstützen seit 16 Jahren Menschen, die Hilfe brauchen. In den Gesprächen geht es nicht immer nur um Umbauten und Dreck in der Wohnung. Manchmal erzielen auch kleine Maßnahmen eine große Wirkung

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Wer im Rollstuhl sitzt oder im Alter nur noch mit einem Rollator vorwärts kommt, sieht sich in seinem gewohnten Zuhaus meist vor unerwartete Probleme gestellt. Die Tür ins Badezimmer ist plötzlich zu eng, die Treppe in den ersten Stock wird zum unüberwindlichen Hindernis, einige Schränke in der Küche hängen zu hoch, der Aufzug im Wohnblock ist viel zu schmal. In solchen Fällen hilft die Wohnraumberatung für barrierefreies Bauen im Landratsamt, die inzwischen seit 16 Jahren besteht. Das ehrenamtliche Team mit Christine Hodolitsch und dem Behindertenbeauftragten des Landkreises, Ralph Seifert, wurde jetzt mit Susanne Galonska verstärkt. In der Beratung gehe es nicht immer nur um Umbau, Lärm, Dreck und Kosten, sagt sie bei ihrer Vorstellung im Landratsamt: "Manchmal helfen auch kleine Maßnahmen - wir haben da so unsere Tricks."

Die ehrenamtlichen Wohnraumberater kommen zu ihren betagten, behinderten oder einfach nur interessierten Klienten nach Hause. Sie messen ab, sie suchen nach Schwachstellen, sie geben Tipps. "Sie schauen sich die Wohnung an, das Bad, den Eingang, die Stolperfallen", sagt Margit Engl vom Ehrenamtsbüro Senioren im Landratsamt, die diese Besuche vermittelt. Wichtig sei, "dass die Leute kommen und wissen, dass die Wohnraumberatung kostenlos ist", sagt Behindertenbeauftragter Seifert, der selbst im Rollstuhl sitzt und für spezifische Fälle zuständig ist. Außerdem hält das ehrenamtliche Trio auch Vorträge, die man buchen kann.

Damit nicht genug: Innenarchitektin Susanne Moog kommt jeden zweiten Freitag im Monat ins Landratsamt, um dort von 10 bis 12 Uhr alle Besucher - ebenfalls kostenfrei - über barrierefreies Bauen aufzuklären. Diese Beratung, die von der Bayerischen Architektenkammer im ganzen Freistaat angeboten wird, nutzten in Bad Tölz vor allem Bauträger, Baumeister und Mitarbeiter kommunaler Verwaltungen, aber auch Privatleute, erzählt Architektin Moog. "Alle öffentlichen Gebäude müssen ja barrierefrei sein, aber auch jeder andere darf zu uns kommen."

Der dritte Pfeiler der Wohnraumberatung ist die Kreisverwaltung selbst. Sie klärt vor allem über finanzielle Fördermöglichkeiten auf. Wer einen Pflegegrad habe, könne Zuschüsse über die Krankenkasse bis zu 4000 Euro für Umbauten oder Hilfsmaßnahmen erhalten, berichtet Renate Kunz, stellvertretende Sachgebietsleiterin für Wohnungsangelegenheiten im Landratsamt. Für Menschen mit Behinderung könne das Landratsamt selbst bis zu 10 000 Euro an Fördergeld beisteuern, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt seien. Zudem gewährt die KfW-Bank (Kreditanstalt für Wiederaufbau) auch zinslose Darlehen für barrierefreies Umbauen.

Ziemlich häufig stoßen die Wohnraumberater auf das Problem, dass Menschen, die alt werden, die erforderlichen Eingriffe in ihrem vier Wänden nicht recht einsehen mögen. "Wenn etwas gemacht werden muss, geben sie nicht gerne zu, dass sie ein Handicap haben", sagt Seifert. Dann heiße es: "Mir geht es doch noch gut." Die gleiche Erfahrung hat auch Innenarchitektin Moog gemacht. Schlage man vor, einen Treppenlift zu installieren, bekomme man zu hören: "Nein, nein, das brauche ich nicht." Dabei sei die Notwendigkeit oft schon abzusehen. Auf Christine Hodolitsch kommen nicht selten die Kinder von Senioren zu - weil ihre Eltern nicht zuhören und von Umbauten in der Wohnung nichts wissen wollen. Die ehrenamtlichen Berater können zwar Wege zu einem komfortableren Leben in den eigenen vier Wänden aufzeigen, mehr aber nicht. "Wenn die Alten nicht umbauen wollen, dann hat man keine Chance", sagt Hodolitsch.

Vier Klötzchen, um ein Bett zu erhöhen und das Aufstehen zu erleichtern, ein Paar feste Hausschuhe, damit man nicht über den Teppich stolpert, oder auch auf dem Boden stehende Schränke einfach an die Wand dübeln: Für Susanne Galonska lassen sich mancherlei Schwierigkeiten rasch und ohne große Kosten lösen. Auch im Bad können neue Haltegriffe oder ein Sitz einiges bewirken. Am Ende gewährleiste man gerade dadurch die eigene Selbständigkeit, die man durch Umbauten zuerst zu verlieren befürchte, und könne so das ungeliebte Altenheim vermeiden, sagt Thomas Bigl, Sachgebietsleiter der Sozialhilfeverwaltung im Landratsamt.

Schwer haben es allerdings Senioren oder Behinderte, die zur Miete wohnen. Sie dürfen zwar noch einen Haltegriff neben dem WC anbringen lassen, ohne das Plazet des Eigentümers einholen zu müssen. Ansonsten brauchen sie jedoch die Genehmigung des Vermieters. Ein Beispiel: Wenn die Wohnungstür für einen Rollstuhl zu schmal ist, haben sie keinen Anspruch darauf, dass der Türstock verbreitert wird.

"Wenn der Vermieter sagt, er macht nichts, dann hat der Mieter keine Chance", stellt Seifert klar. Mitunter sei dies nicht bloß eine Frage der Kosten, sondern auch des Verhältnisses zwischen Eigentümer und Mieter, meint Bigl. "Ob und wie es be- oder entlastet ist." Susanne Galonska verweist auf den demografischen Wandel. Aus diesem Grund sollten Vermieter schon ins Nachgrübeln kommen, meint sie: Der Wert ihrer Immobilie werde schließlich künftig steigen, wenn sie barrierefrei sei.

Für Architektin Moog ist diese Barrierefreiheit ohnehin "ein Komfort für alle" - zum Beispiel auch für eine Mutter mit Kinderwagen oder für Mieter bei einem Umzug. "Bei den Planern muss in die Köpfe rein, dass sie das Zuhause so bauen müssen, dass man darin ein Leben lang wohnen kann", sagt sie. Für sich und ihren Mann hat die neue Wohnraumberaterin Galonska gerade erst das Bad und das separate WC in der eigenen Villa umbauen lassen. Die Toilette, sagt sie, sei jetzt eine Dusche. "Eine sehr große Dusche."

Wer die Wohnraumberatung nutzen möchte, kann sich bei Margit Engl melden, Telefon 08041/505-307 oder per E-Mail (margit.engl@lra-toelz.de). Wer zur Sprechstunde von Architektin Susanne Moog kommen will, kann sich unter Telefon 089/13 98 80-80 oder im Internet (www.byak-barrierefreiheit.de) anmelden.

© SZ vom 11.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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