Die Pfarrkirche Maria Himmelfahrt gilt als das älteste noch bestehende Gebäude im Isarwinkel. Nach dem großen Stadtbrand von 1453, bei dem die Marktstraße und der Vorgängerbau aus dem 13. Jahrhundert abbrannten, wurde sie bis 1490 im spätgotischen Stil und in Stein errichtet. Die Merkmale gotischer Architektur sind schnell zu finden: Die Fassade des hohen Kirchenschiffes wird gegliedert durch Strebepfeiler und belichtet durch Spitzbogenfenster. Es gibt ein Querschiff und einen Chor, umgeben von Kapellen.
Von 1875 bis 1877 wurde die Kirche "regotisiert": Spätere Ergänzungen, etwa aus dem Barock, wurden beseitigt, der Kirchturm erhöht, neogotische Ornamentik des 19. Jahrhunderts hielt Einzug. Der gotische Grundriss und die Gewölbe blieben. Rund um das Bauwerk verläuft ein schmaler Weg. Eine Kirche, die eng von Häusern umstanden wird, ist historisch vorbildlich, aber heute selten zu finden. Die Münchner Frauenkirche bildet da eine wohltuende Ausnahme. Auch auf alten Stadtansichten von Tölz sieht man das Neben- und Miteinander von Kirche und Markt. Direkt bei der Kirche befand sich bis 1615 der erste Tölzer Friedhof, der "Frauenfreithof".
Wegen umfangreicher Sanierungsarbeiten war die Pfarrkirche bis 2014 nur eingeschränkt zugänglich. Sie hat dabei einen grau-beigen Anstrich erhalten, der zu ihren neogotischen Umbauten passt. Vorher war sie gelb - eine Farbe, die eher barocken Architekturformen zuzuordnen ist. Diverse Epitaphien, also Grabdenkmäler oder Grabinschriften, befinden sich an der Außenwand der Kirche. Sie sehen nicht ganz so historisch aus: Der umgebende helle Farbton ist noch zu neu, sie selbst wurden gut gereinigt, es gibt wenig Patina. Die zweite Kirchenpforte liegt dem Hauptzugang genau gegenüber und wird bekrönt von einem Kielbogen, der von kleinen, seltsamen Gestalten innerhalb neogotischen Blattwerks umsäumt ist. Sie haben fratzenhafte Gesichter, Spitzbärte, Narrenkappen oder Hörner, strecken ihre Zungen heraus. Schon im Mittelalter wurden solche Gestalten am Außenbau einer Kirche oder auf dem Dach als Wasserspeier versammelt, um "das Böse" bewusst draußen zu halten.
In der Kirche öffnet sich ein weißer, hoher Raum mit gotischem Sterngewölbe, goldenen Altären und goldener Kanzel. Im Zentrum, direkt im Chorbogen, umgeben von einem goldenen Strahlenkranz, ist die "Schwebende Madonna" von Bartholomäus Steinle aus dem Jahr 1611 zu sehen. Sie war einst Bestandteil des barocken Hochaltars und hat als einzige die Neogotisierung der Kirche überstanden. Fast schon vergessen sind die rätselhaften Masken und Figuren von draußen, eine stille Frömmigkeit könnte sich einstellen. Wäre da nicht eine resolute Frau, die ihrem Begleiter all die Heiligen im Kircheninneren zeigt: "Das ist die Heilige Ottilie, ganz klar, das muss sie sein, ja das sieht man, ihre Augengläser liegen auf dem Buch. Dort an der Säule, das ist der Heilige Leonhard. Dort oben die Anna Selbdritt." Was folgt, ist ein kritischer Blick von ihr. Und dann: "Alles andere ist neogotisch, na ja. Gehen wir!" Das gotische Gewölbe aus dem 15. Jahrhundert, das alles umfasst, versöhnt die einzelnen Stilelemente miteinander, die Renaissancekapelle der Winzerer, die barocken Heiligen, die neogotischen Altäre.
An der Ausstattung der Kirche beteiligten sich im Mittelalter auch die Pfleger des Marktes, das waren Amtsleute mit administrativen und juristischen Aufgaben. Eine der bekanntesten Pfleger-Familien von Tölz waren die Winzerer. Sie ließen an der linken Seite des Chores 1513 eine Seitenkapelle als eigene Grablege einbauen - eines der ersten Beispiele für die Renaissance nördlich der Alpen. Unterhalb des gotischen Himmels sieht man farbige Porträtbüsten, sie stellen Propheten wie Ezechiel oder Jeremias dar. Das Himmelsgewölbe wird somit nicht allein von Kreuzrippen getragen, sondern - symbolisch - vom städtischen Bürgertum. Die Propheten sind Sinnbild für das kirchliche Fundament des Glaubens. Texte zu lesen oder gar lateinische Inschriften zu entziffern, war für die meisten Menschen des Mittelalters nicht möglich. Die Kirche selbst musste mit ihrem Bau, ihren Kunstwerken, ihren Details zu ihnen sprechen. Der große Kirchenraum umfasst die Menge der Stadt- oder Marktbewohner. Er ist Ausdruck des im Laufe des Mittelalters erwachenden bürgerlichen Selbstbewusstseins, das auf kaufmännischen Erfolgen basierte.
Die Früh- und Hochgotik, geprägt von Frankreichs Kathedralen, zeigte zunächst ein anderes Bild: Die Kirchenschiffe waren meist sehr hoch und schmal. Ihren oberen Abschluss bildeten Kreuzrippengewölbe, die rechteckige Joche überspannten. Die Außenwände wurden so weit wie möglich in Glas aufgelöst, die massive Wand verschwand immer mehr. Dies erforderte skelettartige Strebebögen und -pfeiler, weshalb der Blick auf den Baukörper von außen durch Stützkonstruktionen verstellt war. Außerhalb Frankreichs fand das System viele Kritiker. In der deutschen Spätgotik sind Staffelhallen wie die Münchner Frauenkirche oder die Tölzer Pfarrkirche prägend. Sie haben Stern- oder Netzgewölbe, abgestützt von Pfeilern - manchmal, wie in Tölz, auf prächtigen Wandkonsolen.
Doch auch die Spätgotik fand ihre Kritiker. Architekt Raffael kritisierte in einem Brief, den er 1520 an Papst Leo X. schrieb, "kauernde, schlecht gemachte Figürchen als seltsam verstandene Kragsteine" und "andere seltsame Wesen, Figuren und Laubwerk, denen jede vernünftige Grundlage fehlt." Kauernde Figürchen und Laubwerk? Die gibt es noch über einer weiteren Kirchentür in Tölz, an der Ostseite. Hier sind es eigenartige Köpfe, denen Blattwerk aus dem Mund quillt und die von Blättern umrankt sind. Derartige Blattmasken werden zuweilen auch als "der grüne Mann" bezeichnet. Seine Wurzeln gehen in vorchristliche Zeiten zurück.