Gewalt an Kindern:Vernetzt gegen sexuellen Missbrauch

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2009 gab es 17 Fälle sexuellen Missbrauchs im Landkreis. Jetzt gibt es ein neues Präventions-Modell.

Bernhard Lohr

Die Kriminalstatistik führt für das Jahr 2009 17 Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern auf. Fünf weitere Fälle von "Misshandlung von Schutzbefohlenen" sind registriert. Die Volksschule in Waldram ist jetzt Modellschule für das Projekt "Vernetzte Prävention", das im Kampf gegen sexuellen Missbrauch und Gewalt an Kindern Maßstäbe setzen soll.

Stopp: Das Theater Eukitea vermittelt Kindern spielerisch,  wie sie Erwachsenen bei Annäherungsversuchen Grenzen setzen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Das Jugendamt in Bad Tölz und die Forschungsstelle Fenestra an der Katholischen Stiftungsfachhochschule (KFHS) in Benediktbeuern bauen dieses bayernweit einmalige Projekt im Landkreis auf. In Waldram werden Lehrer, Eltern und Kinder informiert und geschult. Zusätzlich soll es landkreisweit Ansprechpartner geben, damit künftig die Alarmglocken früher schrillen.

Sexueller Missbrauch und Gewalt an Kindern soll nicht weiter ein Tabuthema sein. Zwar hat sich im öffentlichen Bewusstsein in den vergangenen Jahren Einiges getan. Doch nach wie vor werden viele Fälle gar nicht oder erst nach vielen Jahren bekannt, wenn sich die Opfer jemandem anvertrauen. Das Jugendamt will deshalb jetzt Strukturen schaffen, damit sich Betroffene leichter öffnen, um selbst früh helfen zu können. Jugendamts-Leiter Ulrich Reiner sagt, es gebe in Bayern kein Jugendamt, das nicht mit Missbrauchsfällen zu tun habe.

Die Zahlen aus der Kriminalstatistik stammen aus einer Antwort des Bayerischen Sozialministeriums auf eine Anfrage des Landtagsabgeordneten Florian Streibl (Freie Wähler), in der das Ministerium auch auf die "sehr große Dunkelziffer" hinweist. Streibl sieht mit Blick auf das gesamte Oberland - inklusive Miesbach, Garmisch-Partenkirchen, Weilheim-Schongau - "Nachholbedarf" bei der Prävention. Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen tut sich da freilich schon sehr viel.

Nach mehreren Vorbereitungstreffen gibt es erste Ergebnisse. Jugendamts-Leiter Reiner lobt den Mut an der Schule in Waldram, wo man helfen wolle, ein neues Modell zu entwickeln. Kinder müssten in ihrer Not Ansprechpartner finden. "Oft ist die Klassenlehrerin in der 1. bis 4. Klasse eine ganz große Vertrauensperson."

Darum wolle man Lehrer schulen, wie sie damit umgehen sollten, wenn sich ihnen ein Kind öffne. Dann sei erst einmal Ruhe wichtig, um dem Kind gerecht zu werden, erst dann gelte es die Polizei einzuschalten. Ein Elternabend ist geplant und ein Auftritt des Theaters Eukitea, das Kindern spielerisch vermittelt, wie sie Annäherungsversuchen Erwachsener klar Grenzen setzen können. Joachim Koch, Schulsozialpädagoge in Waldram, sagt, es gelte in der gesamten Schulfamilie das Bewusstsein zu schärfen. Claudia Koch setzt im Jugendamt federführend das nach ihren Worten bisher in Bayern einmaliger Modellprojekt um. Start ist in Waldram am 1. Februar.

Unabhängig von dem, was an der Schule läuft, formiert sich in diesen Wochen ein acht- bis zehnköpfiges so genanntes Kooperationsteam, bestehend aus Lehrern, Schulsozialarbeitern, Erziehungsberatern und kirchlichen Vertretern. Nach Vorstellung von Claudia Koch sollen die Mitglieder des Teams Ansprechpartner werden für alle, die einen Missbrauch oder häusliche Gewalt ansprechen wollen, aber Scheu haben, zur Polizei zu gehen. Wie das Team erreichbar sein wird, sei noch zu klären. Auch ein griffiger Name, der sich einprägt, soll noch gefunden werden.

© SZ vom 14.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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