Der Landkreis wird nicht das Förderprogramm des Freistaats Bayern "Gesundheitsregion Plus" in Anspruch nehmen. Die Antragsteller, die Ausschussgemeinschaften von SPD und Linke sowie von ÖDP, FDP, FUW und Bayernpartei waren einverstanden, ihren Vorschlag zurückzustellen. Diesem Meinungswechsel vorausgegangen ist eine äußerst kontroverse Diskussion, bei der vor allem SPD-Fraktionssprecherin Filiz Cetin und Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) aneindergerieten.
Im Juli hatte der Kreisausschuss beschlossen, einen externen Berater hinzuzuziehen, um in einem "strukturierten Prozess Ziele und Ideen zur Sicherung einer umfassenden Gesundheitsversorgung im Landkreis" zu erarbeiten. Über die Vergabe an einen Dienstleister ging es am Montag in nicht öffentlicher Sitzung. Bei der vorangehenden öffentlichen Debatte über die Gesundheitsregionen machten die Antragsteller deutlich, dass sie Überschneidungen erkennen, die sich gegenseitig behindern könnten. Nach dem Juli-Beschluss seien viele Fragen aufgetreten, sagte Monika Achermann-Weinert (ÖDP). Würde der Landkreis eine "Gesundheitsregion Plus" werden, bräuchte es keinen Externen. Schließlich gehe es in beiden Fällen um eine bessere Vernetzung der Krankenhäuser im Landkreis mit den vorhandenen ambulanten Einrichtungen und Ärzten. Filiz Cetin äußerte die Befürchtung, die Beauftragung eines externen Beraters könne "förderschädlich" sein. Sie schlug vor, den Ansprechpartner für die "Gesundheitsregionen Plus", Malte Bödeker, einzuladen. Mit ihm hätte man einen Experten an der Hand. Im Übrigen hätte man auf Kreisebene schon vor Jahren agieren müssen, damit die medizinische Versorgung der Bürger auf Dauer gewährleistet bleibe.
"Ich bin komplett anderer Meinung", konterte Landrat Niedermaier. Er habe kein Problem mit dem Förderprogramm. Das sei allerdings auf Regionen zugeschnitten, wo das Landratsamt als Koordinator für "alle Player" eine wichtige Funktion einnehmen könne. In Bad Tölz-Wolfratshausen sei dies anders. "Wir haben jede Menge Fachärzte und Ärzte. Da gibt es keine Bereitschaft, an einer Koordinierung durch den Landkreis teilzunehmen." Für ihn habe oberste Priorität, die stationären Einrichtungen zu sichern, sprich: die Tölzer Asklepios-Stadtklinik und das Kreiskrankenhaus in Wolfratshausen. Beide machten sich Konkurrenz, was tödlich für kleine Häuser im ländlichen Raum sei. Dort müsse man ansetzen und - obschon in unterschiedlicher Trägerschaft - eine Kooperation sichern. Außerdem würde bei der "Gesundheitsregion Plus" das Gesundheitsamt die Leitung übernehmen müssen. Dessen personelle Kapazitäten seien coronabedingt ausgeschöpft, was Geschäftsleiter Wolfgang Krause bestätigte. "Die Leute sind am Ende ihrer Kraft. Ich kann nicht verstehen, warum man jetzt eine Konkurrenzveranstaltung aufbaut."
Drängendstes Problem seien die beiden Kliniken. "Wir sind auf Ergebnisse angewiesen", sagte Krause und verwies darauf, dass bei der Gesundheitsregion erst einmal viel Zeit für die Bildung von Gremien draufginge. "Die haben wir nicht." Natürlich dürften die Kliniken nicht isoliert betrachtet werden, da ambulante Strukturen die Standorte attraktiver machten. Insofern gebe es Überschneidungen.
Cetin ließ nicht locker. Sie kritisierte, dass sie in der Diskussion keine Struktur erkennen könne. Als der Beschluss zum externen Berater gefasst worden sei, sollte es um eine umfassende Gesundheitsversorgung gehen. Nun kapriziere man sich auf die Kliniken. Wenn es um deren Rettung gehe, "warum hat das der Landkreis nicht schon früher gemacht?". Personelle Ressourcen würden auch durch den Prozess, den der Landrat favorisiere, gebunden, sagte Cetin. Mit der "Gesundheitsregion Plus" sei für sie eine stabile Grundlage gegeben, die Versorgung nachhaltig zu sichern. "Sie haben nicht recht", erwiderte Niedermaier. Cetin solle doch bei ihrem Arbeitgeber, der AOK, nachhaken. Die Krankenkassen und die Gesundheitspolitik auf Bundesebene machten es den Krankenhäusern schwer. "Das sprengt den Rahmen der Sachlichkeit", echauffierte sich daraufhin Cetin.
Achermann-Weinert bat schließlich darum, das Angebot für den externen Berater auf die Kliniken zu beschränken. Krause gab ihr recht. Damit war der Antrag vom Tisch - vorerst zumindest.