Süddeutsche Zeitung

Gespräch mit dem Eglinger Oldtimer-Experten:"Es geht um den Hoppala-Effekt"

Lesezeit: 3 min

Mit seinem "Wimmelporsche" will Helmut Freinecker seinen Kindern und dem Rest der Welt eine Freude machen - und sich selbst natürlich auch.

Von Stephanie Schwaderer

In einer Auto-Werkstatt in Egling steht ein Gefährt, das die Augen spazieren gehen lässt: der erste "Wimmelporsche" der Welt. Ein Künstler hat den Oldtimer in fünfwöchiger Arbeit mit kleinen Szenen in Acrylfarbe bemalt. Neben ihm lagen aufgeschlagen die Wimmelbücher des Münchner Bilderbuchautors Ali Mitgutsch. Auftrag- und Ideengeber war der Eglinger Kfz-Meister Helmut Freinecker.

SZ: Herr Freinecker, ist das nicht ein Widerspruch: Bilder, die in Ruhe entdeckt werden wollen, und ein Auto, das offenkundig zum Flitzen bestimmt ist?

Helmut Freinecker: Grundsätzlich haben Sie Recht, aber dieser Porsche mit seinen 90 PS ist nicht als täglicher Driver vorgesehen. Da geht es eher um den Hoppala-Effekt. Die erste Fahrt werde ich mit meinen Zwillingen in die Eisdiele machen. Auch vor einer Pizzeria würde dieser Wagen sicher gut stehen. Die Leute sollen sich an ihm erfreuen.

Wer durfte Ihren Porsche bemalen?

Ein Künstler aus Eichenau bei Ingolstadt. Ich hatte das Projekt ausgeschrieben, 150 Bewerber haben sich gemeldet. Bei Thomas Gehrke wusste ich in der ersten Sekunde, dass er der Richtige ist.

Wie das?

Er hat nicht gesagt: Ich würde das so oder so machen. Er wusste sofort, worum es geht, nämlich die Bilder aus den Wimmelbüchern originalgetreu auf das Auto zu bringen. Das hat nichts mit künstlerischer Freiheit zu tun, sondern vor allem mit gutem Handwerk. Gehrke ist gelernter Schriften- und Dekorationsmaler.

Und offenbar auch ein Ali-Mitgutsch-Fan.

Ja, das ist er. Ich selbst bin auf die Bücher erst mit meinen Kindern gestoßen. Ich habe einen großen Sohn und Zwillinge, die mittlerweile vier Jahre alt sind. Mit den beiden habe ich 2018 die Wimmelbücher entdeckt. Sie haben sich in den Bildern richtig festgesaugt. Auch an mir sind sie nicht spurlos vorübergegangen.

Woran haben Sie sich festgesaugt?

Zuerst an den Traktoren und den Tieren - und dann an der Idee: Warum sollte man diese Bilder nicht auf ein Auto malen?

Andersherum gefragt: Warum sollte man sie auf ein Auto malen?

Ich hatte da einen alten Porsche in Kisten eingelagert, ein 356er Coupe, das fünf Jahre einfach nicht heraus wollte. Irgendwie hat er sich gegen eine Hochglanzlackierung gesperrt, fast so, als hätte er auf diesen Moment gewartet.

Wer hat die Motive ausgewählt - Sie oder die Zwillinge?

Unsere Favoriten standen schon lange fest. Über das Stadthaus haben wir immer schnell hinweggeblättert, das hat uns nicht wirklich gepackt, dafür um so mehr die Ski- und Schlittenszenen, das Schwimmbad und die Landwirtschaft. Die einzige Vorgabe, die ich Thomas Gehrke gemacht habe: Auf das Dach musste der Pool, ein runder Pool. In ihn haben wir die Wassertänzer umgesiedelt, die eigentlich in einem eckigen Becken liegen. Das war die einzige Abweichung, die wir uns erlaubt haben.

Wer wird die Wassertänzer auf dem Dach jemals zu sehen bekommen? Leute, die zufällig in einem Bus an Ihrem Auto vorbeifahren?

Sie kennen den Porsche 356 B nicht! Das ist ein ganz kleines Auto, kleiner als ein Käfer. Wenn Sie als Fußgänger vorbeigehen, können Sie ihm aufs Dach schauen. Aber die Fernwirkung ist auch sehr schön, da kommt das Wimmelige zur Geltung.

Was sagt Ali Mitgutsch dazu?

Zu ihm habe ich natürlich als erstes Kontakt aufgenommen und ihn um Erlaubnis gefragt. Aber dann habe ich eineinhalb Jahre nichts mehr gehört. Sein Berater Ingmar Gregorzewski hat mir verraten, dass er mich nicht für voll genommen hat: Kein Mensch malt etwas auf einen Porsche! Dann aber hat er gesehen, wie die Arbeit in unserer Werkstatt voranging, und war begeistert.

Erhoffen Sie sich weitere Bestellungen?

Es wird keinen zweiten Wimmelporsche geben. Es gibt nur dieses eine Original. Mein Ziel ist mit diesem Auto erreicht.

Worin besteht Ihr Ziel?

Eigentlich denke ich an eine Trilogie. Jedes meiner Kinder soll einmal einen Porsche bekommen. Der Wimmelporsche ist der erste. Der zweite soll in die musische Richtung gehen. Der Eglinger Professor Josef Zilch, mit dem ich befreundet bin, hat mir dafür eine Sinfonie komponiert. Und für den dritten bin ich derzeit mit einer Blindenwerkstatt im Gespräch. Ich stelle mir vor, dass er ganz schwarz ist, aber mit Blindenschrift verziert, die man ertasten kann.

Wie kommen Sie auf solche Ideen?

Das ist einfach eine Leidenschaft. Abends im Bett fällt mir so etwas ein - und dann lässt es mich nicht mehr los.

Sie haben das Auto am Sonntag in Ihrer Werkstatt segnen lassen. Ist das nicht ein bisschen dick aufgetragen?

Das war sensationell. Der Bürgermeister und der Pfarrer waren da und haben tolle Reden gehalten. Bei so einem alten kleinen Auto mit seinen sechs Volt und dem bisserl an Glühbirnen bei den Bremslichtern - da darf ich schon um einen zusätzlichen Schutz im Himmel bitten.

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Quelle:
SZ vom 02.09.2020
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