Gesellschaft unterm Apfelbaum:Polt bleibt Polt

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Ein Stammtisch unterm Apfelbaum: Die Gruppe "Südsehen" ist eine Neuentdeckung der Veranstalterin Barbara Reimold. (Foto: Harry Wolfsbauer)

"Südsehen" spielt die noch immer gültigen Klassiker des Satirikers nach

Von Christa Gebhardt, Icking

Kann Polt ohne Polt funktionieren? Das Schauspielensemble Südsehen will es probieren und gastiert zum ersten Mal im Sommertheater der Gesellschaft unterm Apfelbaum in Irschenhausen. "Derfs a bisserl Poltern" heißt das Stück: eine Auswahl früher Sketche und Geschichten aus der legendären Satireserie "Fast wia im richtigen Leben" und dem Theaterstück "Tschurangrati", das von Deutschen in der Fremde und Fremden in Deutschland erzählt. Natürlich zieht der Name Polt wie auch das herrliche Sommerwetter an den idyllischen Ort in Barbara Reimolds wundervollem Garten.

Die Schauspieler Ulrike Dostal, Erwin Brantl, Sushila Sara Mai und Robert Ludewig, der auch Regie führt, konzentrieren sich auf eine Auswahl aus zwölf Folgen der Poltschen Serie, die 1979 bis 1988 vom Deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Polt präsentierte sich damals erstmals einer breiten Öffentlichkeit als scharf beobachtender Humorist zusammen mit seiner unvergleichlichen Partnerin Gisela Schneeberger. "Warten auf Rudi Löhlein" in mehreren Teilen ist seitdem ein Klassiker. Brantl mit seinem gepflegten Bayerisch eröffnet den Blick auf die Weltsicht des Poltschen Durchschnittsbürgers. Vorgeführt wird das Warten auf den Freund, der nicht kommt. Aus dem harmlosen Geplänkel über einen fuseligen Billigwein, der zum Spitzenprodukt hochgejubelt wird, entsteht beim Verzehr von schwarz verbranntem Leberkäs Hawaii in der spießigen Wohnküche bald das Poltsche Unbehagen. Hinter harmlosen Verkehrsdurchsagen bahnt sich die mögliche Katastrophe eines tödlichen Verkehrsunfalls des Löhlein Rudi an. Ein verwirktes Menschenleben hat dabei aber halt den gleichen Stellenwert wie der verbrannte Leberkäs.

Ein Klassiker auch der Sketch aus dem Finanzamt, der heute so gut funktioniert wie vor 40 Jahren. Sushila Sara Mai als unfähige Finanzbeamtin unterstützt ihren Kollegen (Brantl) beim Nichtstun. Die dunkelhäutige Schauspielerin aus Indien, die in Bayern aufgewachsen ist, spricht den hiesigen breiten Dialekt, was schon Lacher provoziert. Ihre Darstellung der hinterhältig Köchin mit dem Ekelfleisch in der Wirtshausküche bekommt verdienten Szenenapplaus. Ulrike Dostal gibt das dressierte Kind, das den karrieregeilen Eltern den Traum vom Stardasein erfüllen soll. Der untaugliche "Hoppihopp"-Purzelbaum und das unaussprechliche Wort "Blätterteig" gelingen ihr in kaum auszuhaltender Peinlichkeit. Das heute oft gepflegte Vorzeigeprojekt "Kind" hat es demnach auch schon in den Siebzigern gegeben.

Witzig gelungen ist auch die Fortsetzung des mehrteiligen Behördenstücks über die irrsinnigen Dialoge im Parteiverkehr des Finanzamts. Ein Künstler, der seinen Lebensunterhalt mehr schlecht als recht verdient, muss als Humorist in die richtige Steuerklasse eingeteilt werden. Der Verdienst eines "Witze-Produzenten" lässt sich aber nicht eindeutig mit dem eines "Witze-Reproduzenten" vergleichen, und der Finanzbeamte kapituliert vor der Tücke des deutschen Steuerrechts.

Ulrike Dostal und Sushila Sara Mai führen im Sketch "D'Anni hat g'sagt" die kaltschnäuzige Gefühllosigkeit von benachbarten Hausfrauen vor, die seelenruhig über ein beobachtetes Unglück ratschen, bei dem Menschen qualvoll gestorben sind. Fehlendes Mitgefühl ist eine Kernbotschaft in Polts Stücken: Im Sketch "Großbrand" lungern die herzlosen Mieter gemütlich am Fenster herum und gruseln sich wohlig beim Betrachten verzweifelter Menschen, die sich im Nebenhaus vor den Flammen in Sprungtücher zu retten versuchen.

Die Themen sind immer noch aktuell. Die krassesten Beispiele sind wiederkehrende Nachrichten von ertrinkenden Flüchtlingen und brennenden Wohnheimen. Natürlich ist es schwer, die einzigartige Darstellerkunst von Polt und Schneeberger nachzuspielen. Die auch heute starken Poltschen Texte aber zünden nach wie vor, Barabara Reimolds Zaubergarten entfaltet dazu seine ganze nächtliche Pracht und das zahlreiche Publikum spendet nach einer dichten dreistündigen Spielzeit langen Applaus.

© SZ vom 31.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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