Süddeutsche Zeitung

Geschichte:Stolpersteine und Gedenktafel

Penzberg will im Stadtbild an die Mordnacht erinnern.

Die Stadt Penzberg will das Gedenken an die Opfer der Penzberger Mordnacht künftig nicht nur durch jährliche Feierstunden, Vorträge oder Ausstellungen lebendig halten. An die 16 Frauen und Männer, die am 28. April 1945 von Wehrmachtssoldaten und Anhängern des "Werwolf Oberbayern" getötet wurden, sollen nun auch Namenstafeln erinnern. "Zum Jahrestag wird eine Gedenktafel enthüllt", sagt Thomas Sendl, Pressesprecher der Stadt. Im folgenden Jahr sollen ums Rathaus und am einstigen Erschießungsplatz An der Freiheit 16 Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig verlegt werden. Der Stadtrat hat sich laut Sendl dafür im Februar in nicht öffentlicher Sitzung ausgesprochen.

Den Antrag, an der Ecke Bahnhofstraße/Karlstraße einen "Erinnerungsort" für die Mordopfer zu schaffen, hatte die Penzberger SPD im März 2020 gestellt. "Eine Gedenktafel würde in Zeiten des erschreckenden Rechtsrucks in Deutschland und im 75. Jahr nach den schrecklichen Ereignissen ein weiteres Zeichen der Stadt Penzberg gegen Faschismus und Rechtsextremismus sein", heißt es in dem von Bayram Yerli unterzeichneten Schreiben. Die Bronzetafel soll alle Namen der Mordopfer auflisten und unter dem "Nachfolgebaum" an der Ecke des Stadtplatzes in den Boden eingelassen werden. Die Bäume, die 1945 den Weg von der Bahnhofstraße zum Rathaus gesäumt hatten, wurden gefällt. An ihnen hatten Werwolf-Anhänger wahllos zu Widerständlern erklärte Penzberger erhängt.

Die Idee, Stolpersteine von Gunter Demnig zu verlegen, wird laut Sendl "seit Langem in Penzberg diskutiert". Aktuell hat Stadtarchivarin Bettina Wutz sie wieder ins Gespräch gebracht. Die Stolpersteine könnten entweder zu den jeweiligen Geburtstagen der Ermordeten in den Boden eingelassen werden oder komplett für alle zum 28. April 2022. Der Künstler verlegt die in Handarbeit hergestellten Messingtäfelchen seit 1992 nicht nur in ganz Deutschland, sondern in 25 europäischen Ländern. Die Stolpersteine gelten als das größte dezentrale Mahnmal der Welt. Sie erinnern an das Schicksal der Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. Den 75 000. Stolperstein hat Demnig im Dezember 2019 in Memmingen gesetzt. Im näheren Umkreis findet man sie in Bad Tölz, Dachau, Feldafing oder Gröbenzell. Auch in Penzberger Partnerstädten halten Stolpersteine die Erinnerung lebendig: In Ahlen in Westfalen, wurden 142 Tafeln in den Boden eingelassen, in Berlin-Schöneberg 691.

Während in anderen Städten teils erbittert um Stolpersteine gestritten wird und wurde - Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, ist eine erklärte Gegnerin des Projekts -, war man sich in Penzberg laut Sendl sofort einig. Mit der Hamburger Autorin Kirsten Boie, die vor Kurzem ein Jugendbuch über die Penzberger Mordnacht veröffentlich hat, habe diese Entscheidung nichts zu tun. Ihr Vorwurf, dass die Stadt die Erinnerung an die Mordnacht verstecke, sei "absurd", so Sendl. Die Stadt halte seit jeher mit Gedenkfeiern, Schulveranstaltungen, Broschüren und Ausstellungen im Museum das Gedenken hoch. Jeder, der Penzberg ein bisschen kenne, wisse: "Wir verstecken nichts."

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SZ vom 14.04.2021 / stsw
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