Geschäftsübergabe in Königsdorf:Mit Elan in große Fußstapfen

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Fachfrauen mit Chef und Chefin (von links): Johanna Grasl, Lukas Hirschler, Hanna-Sophie Kölmel und Gitta Strehler. (Foto: Manfred Neubauer)

Der ambitionierte Orthopädieschuhmachermeister Lukas Hirschler hat das renommierte Geschäft von Franz Obermüller übernommen

Von Felicitas Amler

Zwölftausendfünfhundert: Selbst wenn man die Zahl ausschreibt, lässt sich die Dimension nur erahnen. 12 500 Paar Schuhe lagern in Königsdorf im 143 Quadratmeter großen und 4,5 Meter hohen Dachgeschoss über einem Geschäft, das von außen eher unscheinbar wirkt - dessen Name freilich auch ordentlich Raum beansprucht. "Schuhe - Orthopädieschuhmachermeister" steht in reich verzierter Schnörkelschrift über den beiden Frontschaufenstern und der Ladentür. Unter dieser Zeile hat sich gerade etwas verändert. Neben "Franz Obermüller" heißt es nun "Inh. L. Hirschler". Das vermeintlich kleine Fachgeschäft an der Hauptstraße hat den Besitzer gewechselt. Am Namen des Vorbesitzers hält der junge Nachfolger aber fest, denn der bürgt seit mehr als 40 Jahren in der ganzen Region für Qualität.

Lukas Hirschler, 25, ist selbst Orthopädieschuhmachermeister. Er kommt aus Balingen, hat verwandtschaftliche Beziehungen in die Region und war die Rettung für das Königsdorfer Fachgeschäft. Denn Franz Obermüller war schon kurz davor, die Suche aufzugeben, als Hirschler auf die Anzeige im Fachblatt aufmerksam wurde. Wäre der junge Mann nicht so fest entschlossen gewesen, sich mit einem kleinen Betrieb selbständig zu machen, wäre der Königsdorfer Laden womöglich von einer großen Kette übernommen worden.

Hirschler findet, die Orthopädieschuhmacherei sei doch ein spannender Beruf. Er sei einerseits praktisch tätig, andererseits auch in der Kundenberatung: "Dienstleistung und Handwerk, den Menschen helfen", das schätze er. Dass er sich überhaupt für diese Ausbildung entschieden habe, sei durchaus familiär bedingt. Sein Urgroßvater und ein Großonkel seien Schuhmacher gewesen, erzählt er.

Schumacherwerkzeug für das Handwerk. (Foto: N/A)

Nach der dreieinhalbjährigen dualen Ausbildung, wo er neben den handwerklichen Fähigkeiten auch anatomische Kenntnisse erwerben musste, hat Hirschler die Meisterschule in Landshut absolviert. Dort wird neben dem Fachwissen Betriebswirtschaft gelehrt und die Ausbildungseignung vermittelt. Egal ob es um eine Fußfehlstellung, eine Gehbehinderung, eine Amputation oder die Optimierung des Bewegungsapparats geht - der Orthopädieschuhmacher muss wissen, wie er da helfen kann. Hirschler demonstriert es an einem Beispiel. Einem Kunden mit Diabetes wurden - was bei dieser Erkrankung wegen der schlechten Durchblutung der Füße häufig geschieht - die abgestorbenen Zehen amputiert. Der Fachmann hat einen Gipsabdruck des Fußes genommen, einen Probeschuh aus Kunststoff und einen Leisten aus Hartschaum geformt, bevor er den eigentlichen Schuh gefertigt hat. Im konkreten Fall mussten Probeschuh und Leisten sogar neu hergestellt werden, weil dem Kunden in der Zwischenzeit auch der Mittelfuß amputiert worden war.

Die Schleifmaschine. (Foto: Manfred Neubauer)

Daneben werden aber auch Einlagen angepasst, wofür Hirschler einen neuen Raum mit einem speziellen Gerät zur individuellen Maßanfertigung eingerichtet hat, heller und moderner als der Rest des Betriebs. Es ist nicht die einzige Veränderung. Der neue Inhaber musste, um zertifiziert zu werden, eine behindertengerechte Toilette einbauen, was seinem Vorbesitzer im Altbestand erspart geblieben war. So eine Geschäftsübernahme mit Maschinen, Material und Schuhlager plus Neuinvestition koste eine sechsstellige Summe, sagt Hirschler. Nicht nur wegen dieser ohnehin schon hohen Ausgaben will er mit weiteren Ausgaben für Renovierung, auch des Ladenbereichs, noch warten. Er wolle einfach "Stück für Stück" vorgehen, denn zunächst soll die Kundschaft ihr Geschäft ja noch wiedererkennen. So wie die Gesichter der insgesamt acht Mitarbeitenden.

Und die sind mit einer Ausnahme Frauen. Orthopädieschuhmacherin Gitta Strehler etwa, die schon seit 37 Jahren dabei ist und mit ihrem Charme keineswegs nur besonders gesunde Schuhe an den Mann und die Frau bringt. Auswahl hat sie ja, denn bei Hirschler gibt es wie schon bei Obermüller jeden Damenschuh in allen Größen von 32 bis 48, jeden Herrenschuh von 37 bis 55 und dazu vielfach noch verschiedene Weiten. Da kommen schon mal 12 500 Paar zusammen. Strehler selbst kann problemlos in Stilettos, gern im Leopardenlook, laufen, kennt sich aber natürlich auch mit den hier oft gefragten Wanderschuhen und den Filzstiefeln bestens aus. Die fertigt, ebenso wie nicht-orthopädische Maßschuhe, weiterhin Franz Obermüller in seiner extra dafür eingerichteten Manufaktur auf der Rückseite seines Hauses an.

Eine Neuerung hat bereits besonders viel Anklang gefunden: Hirschlers Lebensgefährtin Hanna-Sophie Kölmel, gelernte Konditormeisterin, backt fürs Geschäft. Jeden Freitag - das ist der Abholtag mit hoher Kundenfrequenz - bietet Kölmel eine Reihe kleiner feiner Kuchen an. Ob sie nicht gleich ein Café in Königsdorf eröffnen wolle? Das sei sie jetzt schon öfters gefragt worden, sagt die junge Frau und lacht.

Zunächst aber hilft sie ihrem Freund mit der Buchhaltung und der Bürokratie im Schuhladen, denn die sei wirklich nicht zu unterschätzen, sagt Hirschler. Allein die Abrechnung mit den unterschiedlichen Krankenkassen ... Aber genau das wollte er ja: einen kleinen eigenen Betrieb, in dem er handwerklich und nachhaltig arbeiten und Kunden individuell betreuen kann. "Es ist eine Entscheidung, die trifft man einmal fürs Leben", sagt Lukas Hirschler und wirkt dabei sehr zufrieden.

© SZ vom 22.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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