Aus dem Oberlandesgericht München:Tod einer Islandstute

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Vor der Zivilkammer des Oberlandesgerichts München wird der Tod eines Pferdes nach einer Operation durch einen Tierarzt verhandelt. (Foto: David-Wolfgang Ebener/dpa)

Ein Tierarzt hat das Pferd wegen einer Griffelbeinfraktur operiert. Anschließend verblutete es. Aus Sicht der Besitzerin wäre das Tier zu retten gewesen. Sie klagt gegen den Mediziner.

Von Benjamin Engel, Bad Tölz-Wolfratshausen

Für jeden Tierbesitzer dürfte der Vorgang, mit dem sich eine Zivilkammer des Oberlandesgerichts München beschäftigen muss, wie ein Albtraum klingen. Im August 2021 hat ein Tierarzt aus dem Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen eine Islandstute operiert, weil ein Griffelbein gebrochen war. Eine Routineoperation, wie der Mediziner selbst vorträgt. Doch dem achtjährigen Pferd riss die linke Halsschlagader, woraufhin es verblutete und starb. Die Besitzerin klagte gegen den Tierarzt zivilrechtlich, weil dieser aus ihrer Sicht wegen der schlechten Blutwerte der Islandstute gar nicht hätte operieren dürfen. Zudem warf sie ihm vor, ihr Tier nach der Operation zu wenig überwacht zu haben. In erster Instanz gab das Landgericht München der Frau recht, wogegen der Tierarzt jedoch Berufung einlegte.

Die Zivilkammer am Oberlandesgericht sieht keine Aussichten für die Berufung des Tierarztes

Dafür sahen die Richter der Zivilkammer am Oberlandesgericht in der Verhandlung am Dienstag jedoch keinerlei Erfolgschancen. "Wir sehen keine Aussichten für die Berufung", erklärte die Vorsitzende Richterin. Die Kammer sehe den Tierarzt in der Haftung. Der Streitwert wurde auf knapp 21 000 Euro festgesetzt. Die Kammer will das Urteil am 13. Juni verkünden.

Die Frage, ob der Tierarzt hätte verhindern können, dass das Pferd starb, ist zentral für das Verfahren. Der Mediziner hatte für das Berufungsverfahren sieben Schriftsätze von Fachexperten vorgelegt. Demnach wäre das Gefäß der gerissenen Halsschlagader im Körper der Islandstute nicht mehr auffindbar gewesen, das Pferd in nur einer halben Minute verblutet. Das leitete der Tierarzt aus den Schilderungen von Metzgern zur Schlachtpraxis ab, bei der die Tiere durch einen Stich in die Halsschlagader ausbluten. Darauf ging der Sachverständige allerdings gar nicht erst ein. "Wir reden von Tiermedizin, nicht von Schlachtung", sagte er. "Die von der Beklagtenseite vorgelegten Stellungnahmen verschiedener Professoren und Tierärzte ändern nichts am Ergebnis meiner schriftlichen Begutachtung."

Insbesondere stützte sich der Sachverständige dafür auf die pathologischen Untersuchungen am gestorbenen Pferd. Demnach sei der mittlere Halsbereich geschwollen gewesen, weil sich Blut aus der gerissenen Schlagader dort angesammelt habe. Die Halsschlagader bestehe aus zwei Strängen, reiße der eine, sei der andere noch voll funktionstüchtig. "Es dauert daher relativ lange, bis das Pferd aufgrund des Sauerstoffmangels zusammenbricht und stirbt", so der Sachverständige. Das passe nicht zu den Schilderungen des Tierarztes, keine Schwellung bemerkt zu haben, das Pferd plötzlich tot umgefallen sei. Zudem wäre das Pferd mit einer 50- bis 60-prozentigen Wahrscheinlichkeit zu retten gewesen, selbst wenn der Mediziner die Schwellung erst nach 30 bis 40 Minuten bemerkt hätte. Diese könne sich auch nicht erst gebildet haben, nachdem die Islandstute tot gewesen sei. Weil dann das Herz nicht mehr schlage, zirkuliere kein Blut mehr im Körper.

Laboruntersuchungen hatten zudem niedrigere Erythrozyten-, Hämatokrit- und Hämoglobinwerte gezeigt. "Aus meiner Sicht war es ein Fehler, bei diesen Blutwerten sofort zu operieren", so der Sachverständige. Das Pferd hätte weiter untersucht werden müssen. Ebenso sei es nicht notwendig gewesen, das Tier sofort zu operieren, weil der Bruch am Griffelbein schon länger, mindestens zwei bis drei Wochen, her gewesen sei.

Der Tierarzt spricht von einer Routine-Operation

Von einer "Routine-Operation mit keinem erhöhten Risiko" sprach dagegen der Tierarzt. Bei Islandpferden seien die Blutwerte generell niedriger. "Es handelte sich um ein topfittes Sportpferd." Bei einer Griffelbeinfraktur rieben die Knochenwucherungen an den entlang führenden Sehnen. Wenn mit einer Operation gewartet werde, könnten die Überbeine diese schädigen.

Ein Obergutachten einzuholen, darauf bestand der Rechtsanwalt des beklagten Tierarztes. Dagegen bestritt die Anwältin der Tierbesitzerin, dass die normalen Blutwerte bei Isländern im Vergleich zu anderen Pferderassen niedriger seien. Einen Vergleich lehnten beide Seiten ab.

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